Teil I: Der Aachener scheint das kleinere Übel
Hat Laschet kein Zeug zum Kanzler?

In freien digitalen Bildarchiven findet man kein Foto von Armin Laschet, allerdings eine große Auswahl Söder-Fotos.  | Foto: copyrightfrei von pixabay
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Man stelle sich einmal vor, Laschet habe seine eigene Partei davon überzeugen können, die Stichwahl als demokratisches Instrument abzulehnen. Laschet ist immerhin ein entschiedener Gegner der Stichwahl bei der Bürgermeister-Wahl gewesen. Seinerzeit hat er argumentiert, dass der erste Wahlgang und eine einfache Mehrheit völlig ausreichend sind. Im ersten Wahlgang hat Laschet bei der Wahl zum Parteivorsitzenden der CDU Deutschland immerhin fünf Stimmen weniger bekommen als sein Kontrahent Friedrich Merz. Im ersten Wahlgang ist sozusagen Friedrich Merz zum CDU-Chef gewählt worden. Erst im zweiten Wahlgang konnte Laschet, mit den Stimmen des ausgeschiedenen Mitbewerbers Röttgen, die Wahl für sich entscheiden. In der Stichwahl hat Laschet gewonnen - ohne in der Rede seines Lebens wirklich zukunftsweisende und nachhaltige Inhalte anzusprechen. Der kleine Aachener kam gewissermaßen als das kleinere Übel im Vergleich zu Black-Rock-Sauerländer-Tanne Merz zum bisher größten Erfolg seiner Karriere...

Betrachten wir einmal den Lebenslauf von Armin Laschet, wechseln sich Niederlagen und Erfolge ab. Offenbar ist sein Erfolgsrezept anstelle von Profil eher Durchhaltevermögen - da könnte er im Vergleich zum Alt-Bundeskanzler aus der Pfalz, sozusagen ein Rosen-Kohl sein. Aussitzen, breites Grinsen und Abwarten. 

Als der künftige Partei-Vorsitzende 1979 der CDU beitritt, ist er noch an der Universität. Er studiert Rechts- und Staatswissenschaften in München und Bonn. Von einem Examen und einer Tätigkeit als Rechtsanwalt ist nicht viel bekannt. Bevor es ihn in die Politik zieht, wird Laschet also erst einmal Journalist und arbeitet so bis 1990 als Freier Redakteur beim Bayerischen Rundfunk. Dann kehrt Laschet zurück in seine Heimatstadt Aachen und bekleidet sein erstes politisches Amt als Ratsherr.

Bereits 1991 wird er Vorsitzender des Bezirksverbandes Aachen. Der Startpunkt für ein wahres "Ochsenrennen" durch vielfältige politische Ämter. Von 1994 bis 1998 ist er Bundestagsabgeordneter, ab 1999 sitzt er für die CDU im EU-Parlament. Danach kehrt Laschet in das nordrhein-westfälische Landesparlament zurück und wird Deutschlands erster Integrationsminister im schwarz-gelben Kabinett. Er stellt offenbar die Weichen für seine spätere Tätigkeit als Ministerpräsident. Vielen Menschen in NRW ist bis zu seiner Wahl nicht klar, dass schwarz-gelb nur eine "wieder aufgewärmte" Koalition ist, als man im Wahlkampf alle Verantwortung für sämtliche politische Handlungsfelder rot-grün zuschieben kann.

Ebenfalls erfolgreich verdrängt, wird in der Öffentlichkeit die nebenberufliche Tätigkeit von Armin Laschet. Armin Laschet, CDU-Chef in NRW, lehrt nebenbei an der RWTH Aachen. Im September 2015 tritt er wegen der sogenannten "Noten-Affäre" von seinem Amt zurück. Er hatte die Noten von verlorengegangenen Klausuren seines Kurses "einfach rekonstruiert" und sogar Studenten bewertet, die gar nicht mitgeschrieben hatten. Nicht auszudenken, wenn Laschet als Ministerpräsident oder gar Bundeskanzler ein ähnlich glaubwürdiges Verhältnis zu Zahlen und Fakten an den Tag legen könnte.

Peinlicher Lapsus für Nordrhein-Westfalens CDU-Chef Armin Laschet: Wegen Unregelmäßigkeiten bei der Bewertung von Klausuren zieht sich der 54-Jährige von seinem Ehrenamt als Lehrbeauftragter der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) zurück.

Offenbar habe Laschet die Noten ausgewürfelt, spottet seinerzeit der Generalsekretär der NRW-SPD, André Stinka, in einer Pressemitteilung. Ich erinnere mich an Schlagzeilen wie: "Kniffel-Armin verpasst den Bonus." Der damalige Düsseldorfer SPD-Fraktionschef Römer kritisiert weiter, Laschet wolle mit dem Rücktritt nur "vor der Verantwortung flüchten". Ferner heißt es aus dem SPD-Lager: "Es sind noch viele Fragen offen, die Studierenden und die Öffentlichkeit haben einen Anspruch auf Aufklärung." Laschet müsse "alles auf den Tisch legen". Bis dato ist das aber nicht mehr dazu gekommen. Nichts ist auf den Tisch gelegt worden. Stattdessen blieb es sehr nebulös...

Nebulös ist beispielsweise, inwieweit die Hochschule im Vorfeld über die unorthodoxen Ersatzbewertungen im Bilde war. "Natürlich war das abgesprochen", sagt Laschet öffentlich auch auf seiner Webseite. Die Dekanin der Philosophischen Fakultät der RWTH, Christiane Roll, teilt dagegen mit, Laschet habe die nachträgliche Bewertung anhand seiner Notizen "noch vor der Rücksprache mit dem Prüfungsausschuss" vorgenommen. Es ist offenbar nur aufgefallen, weil eben auch Studenten bewertet wurden, die nachvollziehbar nicht anwesend waren.

"Das kann ein Missverständnis in der Kommunikation sein", sagt die Sprecherin der RWTH, Renate Kinny. "Herr Laschet ist im Gefühl, er hätte vermittelt, dass er so vorgehen wird." Einwendungen der betroffenen Studierenden habe es nicht gegeben.

"2,3 als schlechteste Note nicht ungewöhnlich"

Dass sämtliche Klausuren eines kompletten Seminars auf dem Postweg verloren gehen, sei der RWTH-Sprecherin Renate Kinny aus der 135-jährigen Geschichte der Hochschule nicht bekannt. Es hat noch vereinzelt seinerzeit Spekulationen gegeben, ob Laschet das Malheur möglicherweise mit einem Noten-Lifting vertuschen wollte. Eine 2,3 als schlechteste Note sei "bei Veranstaltungen dieser Art" nicht ungewöhnlich. Interessant bleibt, dass diese Klausuren im Sommer 2015 nach einem fünftägigen Ausflug in den Berliner Politikbetrieb entstanden sind. Vielleicht hat Laschet noch einen Koffer in Berlin, für die Zeit als Möchtegern-Kanzler. Dann tauchen die Klausuren womöglich wieder auf...

Laschet zieht nach eigenen Worten 2015 einen Schlussstrich unter seine Nebentätigkeit, weil er sich auf die Parteiarbeit konzentrieren will. Ich könnte mir vorstellen, dass solche Schritte gerne auch andere Menschen vorgezogen hätten. Man stelle sich vor, Boris Becker wäre Vorsitzender der CDU in Rheinland-Pfalz geworden, um damit einen Schlussstrich unter die Besenkammer-Affäre zu ziehen. Oder der US-amerikanische Radrenn-Profi Lance Armstrong hätte entscheiden können, lieber Präsident zu werden, statt wegen Doping überführt zu werden. Vor allem die Boulevard-Zeitung mit den vier Buchstaben hat offenbar beim kleinen Armin nicht genau hinschauen wollen. Laschet wird 2017 schließlich die Weichen stellen können, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zu werden.

Der Volksmund sagt so schön, dass Lügen kurz Beine haben. Wenn das sicher nicht auf alle Menschen ohne Gardemaß zutrifft, ist es dennoch eine interessante Redewendung. Bekanntermaßen ist der Landesvater auch nicht, in aller Augen seiner eigenen Partei, der größte Politiker. Die Sauerländer Tanne überragt den Aachener, der sich unbedingt aber zu höheren Aufgaben berufen fühlt, um mindestens einen Kopf. In 2020 muss Laschet diesen Kopf auch überall hinhalten, wegen der angeblich "harten Schutzmaßnahmen" beziehungsweise den anschließenden Rückwärts-Salto. Sein wankelmütiger Kurs kostet Laschet in der Bevölkerung viel Vertrauen. In den Tagen vor seiner Wahl mehren sich in den sozialen Medien die Rufe nach einer Verlängerung der Amtszeit von Bundeskanzlerin Merkel.

Augenscheinlich stellt man zahlreich Laschet und seine Kompetenzen für das Amt der Kanzlerin in Frage. In seiner angeblichen Rede seines Lebens, stand da die Schwarze Null, ansonsten aber kein Lichtblick im Sinne von Klimaschutz, Corona-Schutzkonzept, Planvolle Entwicklung digitaler Bildung, Soziale Gerechtigkeit ... oder sonst ein Thema. Laschet hat gezeigt, dass er rhetorisch auf Friedrich Merz eingehen kann. Sonst habe ich da nicht viel gesehen.

In freien digitalen Bildarchiven findet man kein Foto von Armin Laschet, allerdings eine große Auswahl Söder-Fotos.  | Foto: copyrightfrei von pixabay
Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

Webseite von Stephan Leifeld
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