„Monty Python and the holy grail“ ist nur 4 Jahre älter als der Krieg in Afghanistan
EINIGEN WIR UNS AUF UNENTSCHIEDEN

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Als im Sommer 1975 die britische Künstlergruppe Monty-Python die Filmsatire über das frühe Britannien in die Kinos bringt, liegt Kabul noch auf einem beliebten Reiseweg von Hippies, die  in großen Scharen unentwegt nach Indien pilgern. „Monty Python und der heilige Gral“ ist in Deutschland zu Kultstatus gelangt, mit dem Namen „Die Ritter der Kokosnuss“ - und hat mich persönlich auch in jungen Jahren in einem Essener Programmkino extrem erheitern können. Auf den sogenannten Hippie-Trails sind zahlreiche Aussteiger seinerzeit noch unterwegs nach Indien, auch durch ein damals freies und ungezügeltes Afghanistan gereist. Selbst Teheran hat zu jener Zeit den Ruf, dort „Sex and Drugs“ in märchenhaften Dimensionen zu bieten… Die Musikkultur bringt Lieder hervor, wie „Kaschmir“ von Led Zeppelin, und erscheint ebenfalls in diesem Jahr… 

Der Begriff „Hippie trail“ ist damals ein Begriff für die Reiserouten der Hippies vor allem in den 1970er Jahren, von Europa über Land nach Südasien. Diese „Reisekultur“ der Hippies ist heute noch Vorbild zahlreicher Rucksacktouristen und Roadmovie-Filme. Dabei sind zu der damaligen Zeit viele Reisende auf dem Hippie trail - nach dem ideologischen Bruch mit den älteren Generationen der beiden Weltkriege - durch Ideen von Selbstfindung, Sinnsuche und Kommunikation mit anderen Völkern getrieben, die der Hippiebewegung zugrunde liegen. Westeuropäer, Nordamerikaner, Australier und Japaner stellen seinerzeit einen Großteil der Reisenden.

Ideen und Erfahrungen werden auch in 1975 in bekannten Unterkünften und Hotels entlang der Route ausgetauscht, so zum Beispiel im legendären „Pudding Shop“ in Istanbul oder dem „Amir Kabir“ in Teheran. Überall im heutigen Iran, in Afghanistan, im Irak, in der Türkei, sieht man in jener Zeit viele junge Menschen, die leicht bekleidet, leichtsinnig und zugewandt, Völkerverständigung über Kamasutra und Tantra suchen und finden, während einerseits religiöse Eiferer neue Sekten erschaffen und geschäftstüchtige Dealer die günstigen Rohstoffe „auf der Route“ in Drogen umwandeln, für individuelle „Treppen zum Himmel“ - stairways to heaven - andererseits.

Die älteren Generationen im Westen verteufeln die „Peace-Happiness-Bewegung“ konsequent - und alte Religionen werden plötzlich konservativ neu ausgelegt, was sowohl zu islamischen wie auch katholischen Eiferern führt, die inhaltlich beinahe den historischen Bogen schlagen, zu den Zeiten der Handlung von „Ritter der Kokosnuss“. Diese Handlung spielt - für die jüngeren meiner Leser - fälschlicherweise etwa um 900 nach Christus. Dabei handelt die Artussage eigentlich um etwa 500.

Vergessen wird in der aktuellen politischen Diskussion dabei gerne, dass Afghanistan über Jahrzehnte ein von Briten und Russen umstrittener Zankapfel gewesen ist, in dem beide Seiten ihre jeweils expansiven Interessen gewahrt sehen wollen. Während die Briten bis 1975 bereits über 100 Jahre in Fernost ihr imperiales Unwesen treiben, um Rohstoffe und Wirtschaftswege zu nutzen, haben die russischen Völker und einige Volksgruppen in Afghanistan ethnische Verbindungen - und betrachten mit Sorge ihre Nachbarstaaten. 1978 kommt ein Staatsstreich kommunistisch geprägter Afghanen in der Saur-Revolution einem religiösen Staatsstreich zuvor. Doch die USA und Großbritannien finanzieren und unterstützen den Widerstand von Mudschahedin und Taliban, um das Ideologisch gefürchtete Russland „stellvertretend“ zu bekämpfen. Schließlich ist „kurz zuvor“ erst die Kuba-Krise aus demselben Grund eskaliert… es ist die hohe Zeit der Stellvertreterkriege - besonders in Teilen der Welt, die zuvor von kolonialer Herrschaft drangsaliert worden sind.

Während also CIA und NATO auf der Rebellenseite - aus wirtschaftlichen Gründen - den Aufstand der religiösen Eiferer stützen, sieht sich 1979 der sogenannte Ostblock in der Zwickmühle, mit regulären Truppen der russischen Armee nach Kabul einzumarschieren. Nicht nur der Kinofilm „Rambo II“ offenbart später, wie hoch die Verluste sind, als die Russen über mehrere Jahre verlustreich - wie sämtliche historische Vorgänger - das Land weder einnehmen, noch jemals wirklich kontrollieren können. Zu jener Zeit beginnt in der realen Welt bereits der erste große Strom von Kriegsflüchtenden, die mit dem „neuen Zeitgeist“ im Orient nicht mehr zurechtkommen können.

Der 1975 entstandene Film „Die Ritter der Kokosnuss“ zeigt an unterschiedlichen Stellen im Film, im völligen Gegensatz zum martialischen Rambo, den Unsinn von Krieg und Gewalt. Hier wird wie in einem Splatterfilm mit Blut übertrieben gespritzt, Arme und Beine werden einem Ritter vom Torso getrennt, der dann den Angreifer scheinbar noch immer verhöhnen kann, mit den legendären Worten: „Einigen wir uns auf Unentschieden“.

Die Reisen damals, mit den Zielen Goa, Dhaka, Banghok und Katmandu, starten zumeist in verschiedenen Ländern Europas. Selbst Reisende aus den USA benutzen damals besonders günstige transatlantische Flüge und starten ihren Trip in Luxemburg, um über Istanbul, Teheran, Kabul, Peschawar und Lahore ihren Weg zu suchen…

1979 soll sich dann jedoch radikal alles mit einem Mal ändern. Die Achtziger Jahre beginnen mit dem Sturz der Regierungen im Iran und in Afghanistan. Der Schah, mit westlicher Macht ausgestatteter Regent, mit Elfenbein und massivem Gold in seinen Palästen, bietet jahrelang strategische Hilfe für westliches Kapital und Militär, während die große Bevölkerung an diesem Reichtum nicht partizipiert. Hier sind die religiösen Eiferer erfolgreich. Aus dem französischen Exil - ein Schelm, der Zusammenhänge sieht zu widerstreitenden Interessen von Briten und Franzosen - „befreit“ scheinbar mühelos Ayatollah Chomeini sein Land in der „iranischen Revolution“. Gleichzeitig bauen die USA und Briten im Nachbarland Irak, den Staatschef Saddam Hussein auf, um im Persischen Golf nicht komplett Rohstoffe und Wirtschaftswege zu verlieren. Russland hingegen scheitert in Afghanistan - bevor die NATO infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 - erst in Afghanistan und schließlich im Irak interveniert. Auch den Industrienationen in Allianz mit Saudi-Arabien, gelingt es binnen 20 Jahren nicht wirklich, diesen Erdteil zu befrieden, zu besiegen oder zu kontrollieren. Dabei muss man wissen, dass gerade Saudi-Arabien die Taliban in großem Maße immer wieder unterstützt hat - und einer der wenigen Staaten gewesen ist, die diplomatisch eine Taliban-Regierung in früheren Jahren öffentlich anerkannt hat. 

Die letzten zehn Tage sind ein deutliches Indiz dafür: die regulären Truppen der fremdgesteuerten afghanischen Regierung können offenbar von westlichen Ausbildern nur die berühmte Hasenfuss-Taktik gelernt haben - oder - auch die Öffentlichkeit in Deutschland wurde von der NATO jahrzehntelang belogen, was den angeblichen Erfolg in Afghanistan angeht. Über 100 Jahre nach den Schlachten am Kyberpass in den Anglo-afghanischen Kriegen wird deutlich, dass dieses Land seit Generationen nur eines lernen durfte: nicht Lesen oder Schreiben, sondern Kämpfen bis zum Tod. 

Einigen wir uns doch auf Unentschieden - mit dem Bild des verstümmelten Ritters im Kopf … wenn am selben Wochenende, an dem dieser Kinokracher Monty Pythons’ Jubiläum feiert, mit Kabul auch die letzte Stadt Afghanistans in die Hände der Taliban gefallen ist. Und wenn „unsere“ Politiker, wie Laschet, Baerbock oder Maas, sich dazu unqualifiziert äußern oder schweigen, denke ich an einen anderen kineastischen Hit: „Die Geister, die ich rief…“ und denke dabei schon an die Ukraine, an den Iran und an Tunesien. 

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Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

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