Dabei sein ist alles. Bis die Spiele vorbei sind.
Die wollen nur "spielen" ...
Gedanken von Stephan Leifeld
Bei den Spielen in Tokio in diesem Jahr soll offiziell bekannt gegeben werden, dass die Olympischen Sommerspiele 2032 im Ruhrgebiet stattfinden. So steht es in diversen Zeitungen und Magazinen zu lesen. Im Fernsehen sieht man Interviews von Armin Laschet und Michael Mronz. Während der "Landesvater" sich über die Spiele äußert, aus dem Blickwinkel seiner aktuellen Regierungszeit, ist für den Sport- und Eventmanager auf der anderen Seite möglicherweise ein anderer Aspekt wichtig. Immerhin lautet der Name der sogenannten Initiative "Rhein-Ruhr-City"...
Die Ruhr-Metropol-Region
zu einer Stadt zusammenführen
Der Gedanke ist nicht neu. Die Kommunen von Duisburg über Essen und Bochum bis Dortmund zu einer Stadt zusammen zu fassen. Eine Mega-City mit über 10 Millionen Einwohnern. Riesengroße Gewerbeflächen, Industriegebiete, mehr als einen Flughafen, Binnenhafen und Kultur. Im Wettbewerb mit anderen Metropolregionen auf dem alten Kontinent wäre das sicher eine spannende Idee, die immer mal wieder jemand aus der Mottenkiste sucht. Wenn nicht die Infrastruktur wäre, mit dem maroden Straßen und schlecht gepflegten Autobahnen. Die kaputten Brücken, der ÖPNV, der über Stadtgrenzen hinweg in dieser Region weder technisch noch im Fahrplan harmonisch organisiert worden ist. Auch wenn die Menschen "im Pott" selbst wie ein multikultureller Schmelztiegel längst weiter sind, als an anderen Orten der Welt.
Doch zu denken, dass Olympia wie ein Stadtentwicklungsplan leisten könnte, was die Politiker an Rhein und Ruhr auf den unterschiedlichen Ebenen nicht zu leisten im Stande sind, ist m.E. eine Illusion. Nicht zuletzt die Spiele von Barcelona 1992 haben deutlich gezeigt, dass andauernde Finanzspritzen vor den Spielen, unmittelbar anschließend sofort versiegen. Dann ist die "Party Olympia" einfach weiter gezogen. Die Sportstätten sind abgenutzt, die Hotels sind wieder leer, die Straßen verbraucht, Parkplätze brach. Himmelhochjauchzend zu Tode betrübt, wäre eine gute Zustandsbeschreibung ehemaliger Sportstätten, die wie Wallfahrtsorte während der Spiele gehypt werden, um anschließend das Schicksal der heißen Kartoffel zu erleben, die man fallengelassen hat. Lediglich die Marken haben ein gutes Geschäft machen können. Bisher - und so wird es auch in Zukunft sein. Marken, die nicht unbedingt im Ruhrgebiet ihre Mitte haben...
Und da soll es ausgerechnet aus Deutschland noch eine weitere Bewerbung für zukünftige olympische Spiele geben: Berlin 2036.
Olympische Spiele in Berlin
- 100 Jahre nach 1936
Angesichts der deutschen Geschichte vor und nach 1936, der dort gepflegten Ideologie der Rassenunterschiede, dem ganzen "Marketing" von Hitler und Riefenstahl, scheint mir eine solche Bewerbung von wenig Verstand und Ethik. Ich will das garnicht glauben. Aber die Medien sind voll von entsprechenden Berichten.
Wenn Berlin - bzw. verantwortliche Manager und Politiker ernsthaft eine entsprechende Bewerbung rausgegeben haben oder ernsthaft in Arbeit sind, diese herausgeben zu wollen - muss man sich ebenso ernsthaft fragen, nach den Konsequenzen für soviel mangelndes Geschichtsbewusstsein. Olympische Spiele in Berlin - 100 Jahre nach den Spielen unter dem Hakenkreuz, wären für mich der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Überhaupt scheinen mir in den 30er Jahren in diesem Jahrhundert Sportveranstaltungen, die man quasi als "Jubiläum" missverstehen könnte, eher ungeeignet als Werbung für den Sport. Möglicherweise liegt das aber daran, dass ich eine romantisch verklärte Einstellung gegenüber Olympia habe, komme ich schließlich ins Grübeln.
Vielleicht sind die Sportmanager und Olympia-Verantwortlichen in derartigen Fragen mittlerweile relativ schmerzfrei, weil sie - wie Helmut Kohl gesagt haben könnte - "die Gnade der späten Geburt haben" ...
Vielleicht ist Sport bei Olympia nur noch eine Art Kongressveranstaltung einer weltweiten Marke, statt ein Zusammentreffen von jungen Athleten zur Völkerverständigung. Ich spüre diesem Gedanken weiter nach und lese mehrere Artikel zu diesem Komplex, die mich allesamt nicht beruhigen.
Die Marke Olympia wichtiger
als politische Verhältnisse
1956 boykottierten Mannschaften der Niederlande, Spanien und der Schweiz die Olympischen Spiele in Melbourne, um nicht gegen sowjetische Teams Wettkämpfe zu bestreiten. Offiziell wurde dieser Boykott mit der blutigen Niederschlagung des Ungarn-Aufstandes durch Soldaten der UdSSR in Budapest begründet. Im sogenannten "Kalten Krieg" bedienten sich fortan auch die Westmächte und die Ostblockstaaten wechselseitig dieses öffentlichkeitswirksamen Mittels. Die USA und Kanada haben ebenfalls aus Protest gegen die sowjetische Aggression in Ungarn auf eine Teilnahme an der Eishockey-Weltmeisterschaft 1957 in Moskau verzichtet. Umgekehrt sind Sportler der sogenannten Ostblock-Staaten nicht angetreten, wenn es um Statusfragen in Bezug auf Anerkennung von Nord-Korea oder der DDR gegangen ist. Jahrelang wurde auch im Westen Deutschlands der deutsche Nachbar nur als sogenannte DDR in Anführungszeichen gesetzt, zum Beispiel in den kurzen Artikeln der BILD-Zeitung.
Auch im Vorfeld der Olympischen Spiele 1980 gab es in den USA bereits vereinzelte Stimmen, eine mögliche Vergabe nach Moskau an Bedingungen zu knüpfen. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan ab Dezember 1979 verkündete US-Präsident Jimmy Carter im Januar 1980 als Reaktion darauf einen Strafenkatalog, in dem neben verschiedenen Embargos ein Olympiaboykott das erste Mal öffentlich erwogen wurde. Zahlreiche Staaten aus dem Westen und aus Afrika nahmen infolgedessen nicht an den Spielen in Moskau teil. Ich kann mich nicht erinnern, zu meinen Lebzeiten so ein kleines Teilnehmerfeld bei Olympia registriert zu haben. Ganze Fernsehsender und Sportmarken waren ebenfalls in jenem Jahr nicht dabei, was die Sowjets nicht störte, die Spiele dennoch groß zu feiern. Als Teenager mit wachsendem Interesse für die Geschichte dieser Welt, musste ich unwillkürlich an eine Parallele zwischen Berlin 1936 und Moskau 1980 denken, wenngleich die UdSSR einen völkerrechtswidrigen Krieg angefangen hatten, der in der Dimension nicht mit dem Holocaust vergleichbar ist. Aber die Spiele haben stattgefunden.
Ist nehmen bei Olympia
seliger denn geben?
Schließlich habe ich dann darüber nachgedacht, warum Olympia stattgefunden hat. Ich kann mich an kein Jahr erinnern, in dem Olympia abgesagt wurde. Karneval, Fussball, Martinsumzüge, was auch immer - wurde manchmal verschoben oder ganz gecancelt, wenn es irgendwo in der Welt dafür Gründe gegeben hat. Olympia nicht. Nicht einmal nach den Terror-Ereignissen von München seinerzeit, wurden die Spiele abgebrochen. Die Show musste offenbar immer weitergehen.
1972 wurden die Spiele von München nur einen halben Tag unterbrochen. Zwei Jahre später gab es in derselben Stadt sogar die Fussball-Weltmeisterschaft. Außer großen Polizeiaufgeboten kann ich mich nicht erinnern, dass es irgendwie geartete Aufarbeitungen gegeben hat, was die Kriterien der Durchführung solcher "Spiele" angeht. Vielleicht stammt die Moral der Olympia-Vorstände auch noch aus der Zeit von "Brot und Spiele" habe ich mal als Schüler 1984 in meiner damaligen Schülerzeitung in Frage gestellt.
Marken profitieren offenbar stark von dieser Form der Veranstaltungen. Sportartikelhersteller, Logistikunternehmen, Softwaregiganten, Zeitmesser, etcetera. Die Kosten für den Bau der Sportstätten jedoch zahlt die sogenannte öffentliche Hand - also der Steuerzahler. Wobei eben dieser Steuerzahler deswegen noch lange keine Freikarten oder Prozente für die Markenprodukte dadurch erwerben konnte. Lizenzen werden auch immer teurer vergeben, wie es scheint. Nicht zuletzt der Amateursport in Deutschland hat sich dadurch nachhaltig verändert. Viele Vereine sind in den letzten Jahrzehnten zusammengelegt worden oder haben komplett den Vereinsbetrieb aufgeben müssen. Auch die Verbände, die dem DOSB angehören, verdrängen erfolgreich Vereine, die sich anderen Verbänden angeschlossen hatten, bei der Vergabe von Hallenzeiten... Eine Entwicklung, die von der Politik weder kommunal noch bundesweit irgendwie eingedämmt worden ist.
Wanderzirkus statt Sportsgeist
Ist also Olympia eine wandernde Heuschrecke, könnte man sich fragen. Ein Wanderzirkus, der heute lautstark in die Stadt kommt, um morgen woanders sein Publikum zu finden.
Sportstätten als Investitionsprogramm für die Bauindustrie. Sportevents als Beschäftigungsprogramm für Medien. Sportpolitik zur Beeinflussung von Regeln und Prüfungsordnungen von Sportarten...
Ich werde das Thema im Auge behalten ... und bedanke mich bei allen, die bis hierhin meinen Gedankengang gelesen haben.
Foto von Pixabay Copyright-frei
Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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