Kutschaty ist kein Neuanfang, Teil I
DESSEN NAME NICHT BEKANNT IST
Kommentar von Stephan Leifeld
Einer der großen Politiker ist er eher nicht. Optisch erinnert er manche Menschen vielleicht auch an den ewigen Harry Potter. Wird er auch im Augenblick als Neuanfang der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten gehandelt, hat er seinen Zenit womöglich seit Jahren längst überschritten, als er ein unauffälliger Landesjustizminister gewesen ist. Lange vor Corona, vor Ministerpräsident Armin Laschet und seinem Kontrahenten Wüst. Beim ehemaligen Landesjustizminister Kutschaty (damals ohne Bart) erinnert man sich aus jener Zeit am ehesten noch an den Rausschmiss von Jan-Robert von Renesse. Im Juni 2014 reichte Kutschaty sogar eine pressewirksame Klage gegen von Renesse ein, wegen Rufschädigung der Sozialgerichtsbarkeit. Dabei soll es konkret um Aussagen in der Petition an den Bundestag von 2012 gegangen sein. Von Renesse soll dort auch geäußert haben, dass „in der NRW-Justiz Absprachen und Handlungen getroffen werden, um bewusst Holocaust-Überlebenden zu schaden“. Renesse brachte diese Frage mit seiner Entlassung als Sozialrichter in Verbindung. Kurz vor Prozessbeginn 2016 hat Kutschaty die Klage weniger pressewirksam zurückgezogen, der Streit wäre außergerichtlich beigelegt worden, konnte man teilweise lesen. Viel mehr ist aus der Zeit des Landesjustizministers sicher den Wenigsten im Gedächtnis geblieben.
Kutschaty ist in diesen Tagen in sämtlichen Meinungsumfragen hinten. Kaum jemand kennt den vielleicht unscheinbaren Politiker aus Essen außerhalb der eigenen Partei. Er stammt "aus eine Eisenbahnerfamilie aus Borbeck", kann man auf seiner eigenen Homepage lesen. Der fehlende Konsonant scheint dabei eine Hommage an die Wurzeln zu sein. Wobei man Eisenbahner zu dieser Zeit nicht wirklich mit Bergleuten oder Hilfsarbeitern in der Industrie vergleichen kann. Inzwischen ist er einer der vielen Juristen in der Politik. Kutschaty, zweifaches Staatsexamen, bedauert auf derselben Homepage einige Male unter Nutzung des Wortes "leider", was er und die damalige Ministerpräsidentin Kraft alles "nicht geschafft haben".
Die Love-Parade von 2010 nicht ordentlich aufgearbeitet, ist ein selbstgewähltes Beispiel aus seiner Schaffenszeit als verantwortlicher Justiz-Minister.
Dabei hat er sicher das ein oder andere Mal in jenen Jahren auch Urlaub gemacht... ohne den größten Teil seiner anderen politischen Ziele zu erreichen. "Leider" steht dazu auf der Kandidaten-Homepage zu lesen... und selbst beim Thema "Love-Parade" haben die meisten doch eher den ehemaligen Duisburger Oberbürgermeister im Kopf. Jedenfalls war das Antrittsinterview stark, was Kutschaty der Rheinischen Post gegeben hatte. Was wollte er nicht alles schaffen...
Ein Jahr nach der Loveparade könnte Kutschaty ebenfalls Urlaub gemacht haben, wie die meisten anderen Politiker auch. Schließlich ist Abgeordneter sein auch ein Beruf, wenn man dafür bezahlt wird. Nur die Berufenen unter den Juristen werden Richter.
2011 erhob jedenfalls der Essener Sozialrichter Jan-Robert von Renesse den Vorwurf, Thomas Kutschaty habe als damaliger Landesjustizminister und damit sein oberster Dienstherr, die Absetzung von Renesses als für das "Ghettorentengesetz" zuständiger Landessozialrichter gedeckt. Der Richter hatte bekanntermaßen bis zu seiner Absetzung eine großzügigere Umsetzung des 2002 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes praktiziert, so wie es auch das Bundessozialgericht vor dem Bundestags-Beschluss verlangt hatte. Offiziell allerdings erfolgte die Absetzung des Sozialrichters, weil von Renesse aus dem Krankenstand heraus versucht habe, das Verfahren zu führen. 2012 befand das Dienstgericht für Richter beim Landgericht Düsseldorf, dass die Entbindung rechtmäßig gewesen sei. Von Renesse hatte auf diese Weise wohl gegen Kutschaty verloren.
Von Renesse abgesetzt
Die in dem Zusammenhang sogenannte "Ghettorente" stellt eine Art Wiedergutmachungs- oder Entschädigungsleistung dar. Für Verfolgte, die während Nazi-Deutschland in einem Ghetto lebten und arbeiten mussten, gelten Beiträge für die Sozialversicherung als gezahlt (§ 2 des Gesetzes). Die Antragstellung ist mit diesem Prozedere für die in aller Regel hochbetagten, im Ausland lebenden Betroffenen aufwendig. Etwa 90% der Anträge wurden abgelehnt. Der Richter Jan-Robert von Renesse, der ab 2006 die restriktive Handhabung beendete - weshalb dann etwa 60 Prozent der Anträge danach anerkannt wurden, wurde im Frühjahr 2010 abgesetzt. Im November 2011 wurde dann bekannt, dass der Richter Vorwürfe gegen seine Behörde (Landessozialgericht NRW, Essen) erhob. Es soll laut seiner Ausführungen zu Absprachen „zwischen der Gerichtsverwaltung, der Versicherungsaufsicht und der beklagten Rentenbehörde“ gekommen sein - und so komme es wieder zu mehreren tausend abschlägigen Anträgen auf Grund von „fehlender Mitwirkung“ durch die Antragsteller. Ebenfalls wurden auf Wunsch der Rentenbehörde richterliche Kostenbeschlüsse zu Lasten der Rentenbehörde und zu Gunsten des Landes NRW in Höhe von etwa einer halben Million Euro aufgehoben.
Dabei ist mir nicht bekannt, ob Kutschaty jemals Urlaub in Israel gemacht hat - oder dorthin einmal eine Reise antreten möchte, sollte er wider Erwarten, Ministerpräsident anstelle des Ministerpräsidenten werden. Momentan kennt man Kutschaty jedenfalls als denjenigen, von dem zwar zum Thema Ahrtal keine großen Taten bekannt sind - aber dafür hat er den Urlaub der zuständigen Ministerin öffentlich gemacht, den diese "nur" unterbrochen hatte. Das habe die CDU in Nordrhein-Westfalen in der Wählergunst sinken lassen, schreiben manche Zeitungen. Ob das aber die Popularität eines Kutschaty fördert, zeigt sich noch nicht.
Hinz und Kunz
Kutschaty braucht allerdings Popularität. Aber es ist nicht so oft die eigene, weil man dazu selbst etwas "bringen" müsste. Da nutzt es dann eher, wenn der ehemalige Landesjustizminister andere Leute "verschleißt". Wie bei dem bekannten Stühlespiel mit der musikalischen Unterbrechung ... bis einer übrig bleibt. Den Namen von diesem Spiel will ich an dieser Stelle nicht verraten, damit die Berater vom SPD-Spitzenkandidaten nicht etwa denken, es könnte sich um eine Anspielung auf Urlaub handeln. Die Stimmung der Menschen im Ahrtal ist noch nicht wieder auf Tourismus getrimmt, wenn man sieht, wie viel dort noch im Argen liegt. Besonders im Bereich der Infrastruktur. Dabei gehen Hilfsgüter und Gelder den Politikern in diesen Tagen doch so schnell durch sämtliche Abstimmungen, wenn es um das Feindbild Russland geht. Völlig unbürokratisch, könnte man meinen.
...Damit dabei die Menschen nicht merken, wie wenig ein Kutschaty selbst an Ideen in Sachen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit auf dem Plan hat, sind dafür die Urlaubspläne von anderen Noch- und Ex-Ministerinnen praktische Dossiers. Stühlchen weg. Damit kann man auf Dauer sogar in der Meinungsumfrage "Plätze" gut machen, wenn auch keine Punkte. Die Umfragen bleiben dabei nämlich hart. Einer farblosen Heinen-Esser, die nach der Wahl für Wüst eh nicht zu halten gewesen wäre, folgt nun aus Berlin eine fähige Ministerin Spiegel. Sie war seinerzeit in Hessen zuständig für Umwelt, hat aber auch Urlaub gemacht, statt Sandsäcke schleppen oder Häuser wieder aufbauen.
Natürlich machen die Polit-Profis auch Urlaub. Wenn sie allerdings zwischen ihren Reisen ihren Job erledigen, ist das meinetwegen auch gegönnt. Ein Helmut Schmidt hätte auch in Hamburg unmittelbar nach der Flut, seinen Urlaub antreten dürfen. Selbst eine Zigarette "danach" hat ihm sicher jeder nicht nur in Hamburg gegönnt.
Politiker wie Schmidt hingegen sucht man heutzutage vergebens in der Politik. Parteisoldaten, ohne Kontur und Strahlkraft - ohne Ideen und Konzepte - bemüht, den inneren Nerd zu verstecken, hat Deutschland aktuell reichlich. Da gibt es Lauterbach, Lindner, Scholz und Merz. Oder es gibt Partei-Soldatinnen wie Baerbock und Strack-ZImmermann.
Aber das ist schon fast ein anderes Thema... manchmal ist der Bart eben ab.
(Fortsetzung folgt...)
Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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