Die Wahrheit stirbt zuerst
DER KRIEG HAT VIELE VÄTER
Kommentar von Stephan Leifeld
Die Wahrheit ist immer eines der ersten Opfer kriegerischer Eskalation. Einmal steckt man eigene Soldaten in Uniformen des anderen Landes, damit man anschließend augenscheinlich „zurückschießen“ kann. Nach dem Krieg kommt alles „raus“ - es war schlicht ein geplanter Überfall auf ein Nachbarland, um einen Despoten in seinem Größenwahn zu gefallen. Ein anderes Mal werden von einem weiteren Land über Jahrzehnte, angebliche Torpedo-Angriffe zum Anlass genommen, einen der blutigsten Kriege der Weltgeschichte starten zu dürfen. Etwa 20 Jahre später kommt die Wahrheit ans Licht, obwohl selbst dann nicht mehr diskutiert wird, was die stärkeren Kriegsschiffe in der bekannten Bucht überhaupt „zu suchen“ hatten - außer einen billigen Vorwand für den Streit. Dann wiederum kennen wir als Kriegsauslöser für denselben Staat, dass man geheimdienstliche Erkenntnisse über einen weiteren Staat vorliegen hätte, über die Produktion und den Besitz von Massenvernichtungswaffen. Dieser Krieg führt auf einem weiteren Erdteil zu großen Problemen, die noch heute offenkundig sind. Allein für diese „Erkenntnisse“ findet sich bis dato kein Beleg…
Ich habe in meiner Einleitung zu diesem Kommentar absichtlich nur drei Beispiele der Militär- und Weltgeschichte gewählt. Nazi-Deutschland hat die Öffentlichkeit getäuscht, als vermeintlich polnische Soldaten die Grenze zum III. Reich attackiert haben sollen. In Wahrheit weiß man heute, dass es Deutsche Soldaten in polnischen Uniformen gewesen sind, den Grund zu „liefern“.
Der sogenannte Tonkin-Zwischenfall ist erst um 1980 aufgeklärt worden, als die Zusammenhänge in den Memoiren von Robert McNamara, dem früheren US-Verteidigungsministers öffentlich wurden. Der Angriff eines spärlich bewaffneten Schnellbootes vietnamesischer Besatzung hat nie stattgefunden, sondern war Erfindung vom Pentagon, um 1964 den Vietnamkrieg zu entfesseln.
Das dritte Beispiel hat einen der sogenannten Golf-Kriege zum Thema, wenn es dabei auch nicht um das Volkswagen-Erfolgsmodell geht, sondern um ein wichtiges Gebiet, für große Erdöl-Reserven. Weitere Folgekriege und das resultierende Chaos in der Region, findet man heutzutage nicht mehr auf den Titelseiten der großen Zeitungen. Menschen, die aus diesen Gegenden geflohen sind, hat man noch lieber als „Flüchtlinge“ bezeichnet, im Gegensatz zu den Flüchtenden, die in diesen Tagen aus der Ukraine die Nachbarländer aufsuchen.
Dabei sind alle Kriege verabscheuungswürdig und gleichermaßen unzivilisiert. Es macht aus meiner Sicht kaum einen Unterschied, ob man in Afrika, Asien oder Europa seine Heimat verliert beziehungsweise verlassen muss. Ich will an dieser Stelle auch nicht aufrechnen, ob Menschen an der polnischen Grenze hinter Stacheldraht mit Wasserwerfern zurückgedrängt werden, wenn sie aus Nicht-Europa stammen, oder ohne Visum und Formalitäten quasi unbürokratisch nach Deutschland durchgewunken werden, weil sie aus der Ukraine kommen. Humanität und Solidarität sollten m.E. ohne Ansicht von Hautfarbe und Herkunft funktionieren… Dazu hat noch vor circa drei Monaten, die Heinrich-Böll-Stiftung einen lesenswerten Bericht veröffentlicht, den ich hier verlinken möchte, wenngleich die zweite Dimension mit dem überfallenen Nachbarland zu dem Zeitpunkt zwar absehbar, aber nicht realistisch einbezogen ist.
Der ukrainische Staatschef Selenskyj hat in den letzten Stunden dazu aufgerufen, dass die anderen Staaten den Luftraum über seinem Staatsgebiet für russische Flugzeuge abriegeln sollte. Während er zum Einen negiert, dass die Russen irgendeinen Erfolg bei dem Überfall auf sein Land gehabt haben sollen, räumt er damit den Verlust der eigenen Luftverteidigung ein. Ich habe das bereits in meinem ersten Kommentar zum Krieg in der Ukraine erklärt, dass eben hier zu sehen ist, dass es Putin nicht um Kontrollverlust und Eskalation geht, sondern um Entwaffnung eines starken Gegners. US-Präsident Biden sieht das offenbar sehr realistisch und hat an diesem Punkt die Unterstützung durch die Amerikaner abgelehnt. So eine Maßnahme würde automatisch zum nächsten Weltkrieg führen, weiß man im Pentagon. Mittlerweile ist auch klar, dass Kiew im Gegensatz zu den Auskünften, die BILD in diversen Interviews mit den Klitschko-Brüdern erfahren haben will, noch nicht von russischen Streitkräften direkt belagert oder eingenommen worden ist. Zwei Tage später hat der zukünftige Präsidentschaftskandidat der Ukrainer, Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, dass auch wieder dementiert. Die Folgen aus den Falschmeldungen laufen indes weiter, als wären sie nicht revidiert.
Damit das für alle Leserinnen und Leser klar genug bleibt, verurteile ich auch diesen kriegerischen Akt Russlands, als barbarisch und unmenschlich. Ich verabscheue Krieg jedweder Art.
Gestern haben sich die Delegationen der Russen und der Ukrainer zu ersten Friedensverhandlungen getroffen. Dabei haben nach allgemeinen Berichten, die Russen angeboten sofort die Kämpfe einzustellen, wenn man sich auf eine Entmilitarisierung der Ukraine und eine Anerkennung der Krim als russisches Territorium einigen könnte. Die Delegation hatte augenscheinlich ein gepflegtes Auftreten und die nonverbalen Signale konnte ich in den Aufnahmen als zugewandt erkennen. Auf der anderen Seite der „Tafel“ haben Menschen gesessen, in Shirts und teilweise mit Baseball-Kappe auf dem Kopf, die viel miteinander kommunizierten, ohne die Verhandlungspartner anzusehen. Es wurde gefordert, dass die Russen sofort das Staatsgebiet der Ukraine räumen sollen - und direkt anschließend fordert Selenskyj die sofortige Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union, in einem eiligen Sonderverfahren. Auch wenn in diesen Tagen nicht gesellschaftsfähig scheint, die Politik der Ukraine zu kritisieren, scheint mir diese Sicht der Dinge wenig zielführend, den Frieden wieder herzustellen. EU- und NATO-Mitgliedschaft der Ukraine würden den Konflikt zu einem Weltkrieg entfachen, an dem hoffentlich kein Mensch wirklich Interesse hat.
Dann aber sehe ich in den sozialen Medien - auch im persönlichen Umfeld - Bilder, die mich dazu ermuntern, für die Wahrheit Partei zu ergreifen. Es werden Bilder gepostet, die auf der einen Seite Stormtrooper zeigen - als Russland markiert - gegen kleine Ewoks kämpfend - die für die Ukraine stehen sollen. Das Internet scheint nur noch in zwei Farben gesehen zu werden. Blau und gelb. Selbst ein Elon Musk, der bekanntermaßen keinen Cent Steuern zahlt und gleichzeitig Raubbau an unserem Planeten betreibt, ist plötzlich eine Art Kriegsheld, weil er der Ukraine mit seinen Satelliten, Internet zur Verfügung stellt. Vor der Eskalation in der Ukraine hat der Deutsche Gewerkschaftsbund noch gezeigt, dass ein Mensch etwa fünftausend Jahre leben und monatlich etwa 10.000 Euro verdienen muss, um dann immer noch nicht so wohlhabend zu sein, wie der Superreiche Tesla-Inhaber. Es ist mir auch nicht bekannt, ob Herr Musk in Afrika irgendeinem Land unentgeltlich Wasser und Essen zur Verfügung stellt. Auch das ist eine Wahrheit, die ich in diesen Tagen sehr vermisse.
Es werden in den sozialen Medien Fotos geteilt, von angeblich heroischen Taten und Personen, die „den Russen“ zurückdrängen. Dabei ist ein Mega-Hit ein Foto des angeblich japanischen Botschafters in Kiew, der mit Samurai-Rüstung und Katana posiert, „weil er die Angreifer in seinem Gastland mit dem Schwert schlagen wird“. Zahlreiche Leute, von denen ich immer klaren Verstand erwartet hatte, teilen und kommentieren begeistert. Ich habe mir das Foto genau angesehen. Dabei habe ich im Hintergrund ein Foto an der Wand des Botschaftsbüros gesehen, mit einer Frau in traditioneller ukrainischer Kleidung. Tatsächlich ist es ein älteres Foto vom ukrainischen Botschafter in Tokio, der von Japan Katana und Harnisch geschenkt bekommen hat, und vor längerer Zeit dafür dankbar posierte. Die Begeisterung von Menschen, die den „bösen Russen“ verhauen wollen, bleibt ungebrochen, auch als ich dies in meinem Kommentar klarstelle. Als wenn wir Weihnachten vom Krieg wieder zuhause wären - ich nehme damit Bezug auf die Begeisterung vor dem I. Weltkrieg - werde ich als eine Art Querdenker und pazifistischer Spinner abgetan. Man kündigt mir bei Facebook die sogenannte Freundschaft. Glücklicherweise brauche ich kein sprichwörtlich „schnelles Pferd“, weil ich damit ja auch nicht den Wahnsinn von Krieg relativieren will - sondern ich möchte gerne Frieden in der Welt. Und Emanzipation. Und keinen Rassismus mehr.
Warum müssen eigentlich immer die wehrfähigen Männer kämpfen, wenn Politik und Diplomatie versagen? Ist es unmännlich, den Kriegsdienst zu verweigern? Dann bin ich politisch gesehen nämlich eine Frau, da ich bereits Ende der 80er Jahre den Kriegsdienst verweigert habe. Als Vater von inzwischen sechs Kindern hat sich meine Einstellung dazu eher gefestigt…
Der Krieg hat viele Väter, egal, ob sie Wladimir oder Wlodomyr heißen. Der Krieg nimmt sich aber auch gerne noch die Söhne, Brüder und Onkel dazu. Wenn wir das erlauben, frisst „er“ auch noch unsere Frauen und Töchter. Der Tod ist dafür emanzipiert genug. Und Menschen scheinen damit zufrieden, nur in Frieden zu ruhen, statt auch so zu leben…
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Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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