Sozialverhalten und Politik
Corona und der Hai-Alarm ...
Heute vormittag war ich einkaufen. Den normalen Einkauf unserer Familie, den meine Frau und ich gerne gemeinsam am Wochenende durchführen, habe ich heute alleine erledigt. Wir hatten Besuch, die Zeit verging wie im berühmten Flug: das Frühstück drohte zu einem halben Mittagessen - zeitlich gesehen - zu transformieren. Es fehlten nicht nur die Brötchen... also bin ich los.
Bis dato dachte ich immer, dass diese Fotos von den leeren Regalen in den Supermärkten eher Wichtigtuerei von entsprechenden Leuten aus den sozialen Netzwerken sind. Dann stand ich inmitten von Gängen in "meinem" Supermarkt. Einige Regale waren tatsächlich total leer. Unwillkürlich musste ich an die Erzählungen meiner Großmutter denken, von der Zeit um 1945. Mir fielen dann noch Geschichten aus dem Bekanntenkreis ein, wie es wohl manchmal in der DDR zugegangen sein muss. Ich dachte außerdem an die Menschen z.B. auf den griechischen Inseln, die aus Afrika stammend, Schlange stehen, um Nahrungsmittel zu erhalten, für ihre Zeit in den Baracken und Zelten der Flüchtlingslager. An die Menschen damals in Berlin dachte ich auch, die im Kalten Krieg auf die sogenannten Rosinenbomber warteten. Die meisten Menschen, die mir dazu jeweils in den Sinn gekommen sind, waren ruhig und zivilisiert. Geduldig und freundlich.
Sämtliche Gänge heute waren übervoll mit Menschen, die noch eben Vorräte für Wochen einkaufen wollten, bevor am Montag alle Schulen und Kitas in unserem Bundesland bis Mitte April geschlossen werden. Es wurde gemault, über fehlendes Toilettenpapier -
Mehl, seit Tagen ausverkauft
- und ob nicht eine dritte Kasse aufgemacht werden könnte.
Schulen und Kitas werden geschlossen
, dachte ich. Greta und ihre Aktion machen momentan auch Pause, weil das freitags streiken vor leeren Schulen offenbar wenig Sinn ergibt. Von Schließungen der Lebensmittelmärkte hatte ich allerdings nichts im Radio gehört. Wussten diese Leute, die hier ihre Einkaufswagen randvoll machten, mit allem Möglichen, mehr als ich...?
Jedenfalls drängten und schoben sich die Menschen, als wäre der achte Band von Harry Potter gerade auf Deutsch herausgekommen - oder wie in den 90ern hätte der Aldi einen neuen PC für einen super Kampfpreis auf den Markt geworfen. Mehr Angestellte als sonst, liefen durch die Reihen, um mit Kartons mühevoll einzelne Waren wieder einzusortieren. Teilweise schoben die Menschen ihre Einkaufswagen mit Handschuhen durch den Laden. Eine Stimmung dabei, wie bei Kindern, die zum ersten Mal Autoscooter fahren - bloß niemanden berühren. Vielleicht könnte bei einer Kollision mit einem anderen Einkaufswagen der Virus überspringen...
Dann dachte ich nochmal an die Menschen aus den Regionen, die in unseren Augen als sichere Herkunftsländer gelten, wenn an europäischen Grenzen Flüchtlinge eingestuft werden. Ist so ein Deutschland im Moment noch ein sicheres Herkunftsland, dachte ich etwas amüsiert, als ich später im Radio hörte, die Türkei wolle keine Einreisen aus Deutschland mehr erlauben. Und wenn weniger Menschen in Afrika von Corona betroffen sein sollen, als bei uns auf dem alten Kontinent ... wäre es dann nicht sicherer, wieder die Pläne mit Deutschland zu vergessen. Im Laufe des Tages wurde dann schnell klar, dass weitere Staaten ihre Grenzen dicht gemacht hatten. Europa, wieder ein Flickenteppich nationaler Angst. USA, ganz weit weg für Bündnispartner.
Meine Gedanken gingen weiter - 12 Monkeys, der Film mit Bruce Willis, kam mir in den Sinn. Per Zeitreise soll der Held eine Seuche apokalyptischen Ausmaßes verhindern. Wer den Film nicht kennt, kann getrost weiterlesen, weil ich das Ende nicht verrate - an dieser Stelle.
Und dann musste ich lachen. Hai-Alarm. Hai-Alarm fiel mir ein. Nicht der Hai aus dem Film mit der schwimmenden Frau, die gleich am Anfang der ersten Szenen unter Wasser gezogen wurde. Wo die Bewohner der Küstenstadt das erst auch alles nicht wahrhaben wollten.
Nein,
Hai-Alarm
, das Spiel.
Beim Hai-Alarm nehme ich immer Tageszeitungen - wobei das sicher auch mit Ausgaben des Stadtspiegel funktionieren würde. Diese lege ich in einer Turnhalle auf den Boden verteilt. Den Schulkindern sage ich dann, dass das Inseln sind. Der Hallenboden wird in der Phantasie der Kinder schnell zum Ozean. Und bei dem Wort "Hai-Alarm" aus meinem Mund, müssen die Kinder auf einer Insel stehen, um nicht vom "Hai geholt" zu werden. Spannend ist für mich in Wahrheit jedes Mal, zu beobachten, ob sich die wechselnden Klassen dafür entscheiden, sozial zu spielen - also sich gegenseitig retten und bewahren, auf den durch die eigenen Füsse zerstörten Zeitungsseiten (der Meeresspiegel steigt), quasi das Spiel zusammen zu "überleben", oder ob es in den Kindergruppen einzelne Kinder gibt, die andere wegstoßen, weil sie so glauben, das Spiel zu "gewinnen" (als Einziger auf dem letzten Fetzen "Insel").
Wer mich kennt, kann sich denken, dass ich eher die soziale Variante gut finde - und den anderen Kindern anschließend altersgerecht ins Gewissen rede.
Ach ja, ich bin Sportlehrer - habe momentan gewissermaßen vorgezogene Osterferien. Und als ich Schüler gewesen bin, spielten wir draußen manchmal noch, wer hat "Angst vorm Schwarzen Mann" ...
Wie ich da nun wieder gedanklich darauf gekommen bin, fragt sich jede/r Leser/in in den nächsten Wochen am Besten selbst. ;-)
Foto copyrightfrei von Pixabay
Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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