Pecunia non olet
Einen Wolf diskutieren...

Foto: copyrightfrei von pixabay
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Es gibt offenbar nicht viele Themen, die vergleichbar die Gemüter erhitzen, dass Leute sich beinahe einen "Wolf" diskutieren. Gerade der Canis Lupus scheint aber die Gemüter vieler Zeitgenossen so extrem zu bewegen, dass es bisweilen an der erforderlichen Sachlichkeit mangelt. In meinem letzten Beitrag hier, habe ich mit der Überschrift anscheinend schon mehr polarisiert, als tatsächlich beabsichtigt: "Das Märchen vom bösen Wolf" ist für mich nur ein Einstieg, in eine Frage, die aus meiner Sicht wenig sachlich "angepackt" wird... es scheinen hier häufig archaische Vorstellungen aufeinander zu prallen - gepaart mit wirtschaftlichen Interessen. Deshalb setze ich das Thema an dieser Stelle fort...

Mit meiner Fortsetzung möchte ich nun meinen Beitrag aus vier unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Zum Einen schaue ich mir die Jäger einmal genauer an, den Wald an sich - und wiederum den Wolf - damit ich am Ende diesen Beitrags gerne diskutieren möchte, was wir als Gesellschaft vielleicht gemeinsam tun können, mit diesem Thema eine echte Perspektive zu entwickeln. 

Jagd ist in! Noch nie gab es in Deutschland so viele Jäger wie heute. Doch Jäger haben nicht gerade den besten Ruf: Viele halten sie für traditionsversessen und blutrünstig. Die Frage ist: Was treibt Jäger wirklich? Und sind sie überhaupt noch zu irgendwas nütze?

Das obige Zitat stammt aus einer Veröffentlichung der Sendung "Quarks & Co" vom WDR. Ranga Yogeshwar diskutiert in der besagten Sendung die PROFESSIONELLE JAGD. 

Laut dem Bericht dieser wissenschaftlich aufbereiteten Sendung, betonen Jäger immer wieder die Notwendigkeit der Jagd und sehen sich als Experten für den Schutz von Natur und Wald. Auf der anderen Seite werfen ihnen Jagdgegner vor, eher von der Lust am Töten angetrieben zu werden. Soziale Medien, einschlägige Zeitungen und Internet-Foren mancher Jäger, zeigen Einträge, die das gute Gefühl, Beute gemacht zu haben, auch in martialischer und geschmackloser Weise darstellen. Fotos von Ausstattung und Jägern erinnert dabei oft an Darstellungen von Rambo oder anderen "Kriegern". Viele Jäger bekennen sich dann auf derartigen Seiten dazu, dass sie aus Spaß jagen. Als Argument wird angeführt, dass das "ein ganz natürlicher Trieb des Menschen sei" und "es wäre allemal besser als das, was sich tagtäglich in den Schlachthöfen abspiele".

Allerdings bekommen die Jäger in letzter Zeit noch von einer anderen Seite reichlich Druck: Förster und Naturschützer sagen teilweise, Jäger schössen manchmal zu wenige Tiere oder die Falschen; sie seien mehr an der Beobachtung des Wildes interessiert als am Abschuss und wollten gerne möglichst viele Tiere in ihrem Revier haben – mit fatalen Folgen für die Gesundheit des Waldes. Auch das sogenannte Anfüttern von Wild, um es in Gebieten zu halten oder um es dahin zu locken, wird kritisiert. Die Organisation PETA warnt sogar davor, dass das Einschleppen fremder Arten durch Jäger verursacht wurde, um in heimischen Gefilden "mal was anderes vor die Flinte zu bekommen". Mit fatalen Auswirkungen auf Natur- und Kulturlandschaften.

Während der Deutsche Jagdverband seine Mitglieder als Naturschützer lobt, sehen das die Umweltverbände oft ganz anders. Zudem hat sich ein Ökologischer Jagdverband gegründet. 

Umweltverbände wie BUND und NABU bezweifeln offiziell, dass Jäger sich tatsächlich wirksam für die Natur engagieren. Demzufolge kümmern sich viele Jäger praktisch nur um das Wohl der Arten, die sie auch bejagen. Die anderen Arten werden vernachlässigt und nicht geschützt.

Einzelne Experten des BUND halten die private Jagd sogar für überflüssig und sprechen sich für deren Abschaffung aus. Die offizielle Position der Umweltverbände ist, sich bei der Jagd auf wenige Arten zu konzentrieren: Die Jagd solle dem Wildtiermanagement dienen; also dem Schutz des Waldes und dem Schutz bedrohter Arten. Zum Beispiel lassen sich bedrohte Bodenbrüter schützen, wenn man Füchse intensiver bejagt. Und Amphibien und Schildkröten lassen sich mit der Jagd auf den Waschbär schützen. Das Abschießen von männlichen Dam- und Rotwild wird als falsch angesehen, da die Quoten und Sozialverbände dieser Tiere besser über die Weibchen kontrolliert werden können. Es könnte aber sein, dass mancher Jäger nur deshalb die Männchen abschießt, um später in Hausflur oder Wohnzimmer mit den ausgelösten und dekorativ aufgehängten Geweihen quasi besser "angeben" zu können. Vielleicht ist das vergleichbar mit den früher ausgestellten Löwenköpfen, Elfenbein und Tigerfellen...

Betrachten wir nun die Situation des Waldes allgemein, bevor ich wieder auf den Wolf eingehen möchte. 

In Deutschland gibt es nicht wirklich eine nennenswerte Anzahl von Raubtieren, die nachhaltig Einfluss auf die Bestände von Reh und Hirsch haben. Wolf und Luchs kehren langsam zurück in frühere und geeignete Reviere, aber sie erbeuten vergleichsweise wenig. Nach Angaben des BUND wurde in dem 350 Quadratkilometer großen Jagdrevier eines Wolfsrudels in Ostdeutschland erfasst, wie Rehe wirklich zu Tode kamen: Wölfe töteten 400 Tiere, 1500 wurden überfahren und 4000 wurden von Jägern erlegt. Im einem Wettstreit der Prädatoren hat also der Mensch mehr als 10:1 gewonnen. Mich persönlich wundert es dann nicht, wenn Wölfe nach alternativen Beutetieren suchen. Dabei steigen die Quoten der Jagdabschüsse jährlich sehr deutlich - wohingegen die Unfälle durch Wildzäune langsam eingedämmt werden, weil man dafür in der Politik inzwischen entsprechende Mittel bereitstellt.

Der deutsche Wald wird größtenteils forstwirtschaftlich genutzt. Einige der ländlichen Kommunen sind auf die Einnahmen aus dieser Forstwirtschaft angewiesen, um öffentliche Aufgaben erfüllen zu können, beispielsweise Kindergärten oder Schwimmbäder. Der Wildbestand verhindert unter Umständen die natürliche Verjüngung des Waldes und hat so auch Einfluss auf die Qualität des Holzes. Das bedeutet Einkommensverluste für die kommunalen Waldbesitzer. Wenn die Menschen also weniger jagen würden, dem Wolf das Revier überlassen, könnte das einerseits zwar - vergleichbar wie bei ähnlichen Renaturierungserfolgen in den USA, z.B. Yosemite-Nationalpark, - den Wald gesunden lassen; andererseits aber die Erträge der Holzwirtschaft mindern. Diese falsche Politik bei uns hingegen, bringen in unseren Breiten noch nicht genug Menschen mit den verheerenden Folgen von Kyrill und Co. in Verbindung. Von Wand bis Tapete schauen ist eben einfacher. Zumal die meisten Politiker doch so eine freundliche Ausstrahlung haben. Sogar, wenn sie passionierte Jäger sind.

Immer wieder höre ich die Aussage in den Telefonaten zu diesem Beitrag: Es gibt nicht genug Berufsjäger und sie wären auch viel zu teuer.

Selbst Ranga Yogeshwar schreibt in seinem Manuskript zur angeführten Sendung, dass die "Gesellschaft auf die ehrenamtlichen Freizeitjäger angewiesen ist". Der Deutsche Jagdverband schätzt demnach, dass private Jäger pro Jahr etwa Leistungen im Wert von 2,7 Milliarden Euro erbringen. So zahlen die Jäger viel Geld für Pacht an Kommunen oder das Land und sorgen so für weitere öffentliche Einnahmen. Der Wolf, der Luchs, der Fuchs und die anderen Tiere stehen nicht auf solchen Listen, fiskalischen Nutzens. Darüber hinaus ist unsere Kulturlandschaft noch stark von Landwirtschaft geprägt. Großeigentümer von Flächen für Verpachtung und Ackerfläche ist nach wie vor die Kirche. Auch die Kirche ist der Meinung, dass die Jagd dabei hilft, Wildschäden zu vermeiden. Vergessen ist dabei, wieviele Kirchenfürsten so gerne auch der Jagdleidenschaft nachgegangen sind. 

Es wird ferner häufig argumentiert, die Jagd schützt vor Krankheit und Seuchen. Fuchsbandwurm und Schweinepest sollen so besser kontrollierbar sein: Weniger Füchse bedeutet beispielsweise, dass der Fuchsbandwurm seltener übertragen wird. Eine geringere Dichte an Wildschweinen würde dazu führen, dass sich die Schweinepest nicht so schnell verbreiten könnte. 

In jungen Jahren bin ich leidenschaftlich gerne zum Tauchen "gegangen". Wo auch immer ich gewesen bin, begegneten mir vergleichbare Argumente und Ressentiments gegenüber dem Hai. Der Hai ist böse, habe ich noch gut in Erinnerung. Viele Legenden über menschenfressende Monster wurden auch im Kino zu Ereignissen. In der Realität habe ich nie einen großen und bösen Hai gesehen, wobei ich nicht negieren will, dass es Haiangriffe tatsächlich gibt. Allerdings teile ich die Auffassung, dass Haie, Raubkatzen oder Wölfe in der Natur eine echte Aufgabe haben, was z.B. die Funktion der Gesundheitspolizei angeht. Die absichtslosen Raubtiere töten aus meiner Sicht aus Hunger und nicht selten, sozial aussortierte, kranke Tiere. Wenn sie kein Geweih tragen, keinen Zobel, oder so, sind sie für den menschlichen Jäger nicht attraktiv. Selbst Trump jun. hat sich nicht fotografieren lassen, mit einer erlegten Löwin. Nein, es musste ein Männchen sein, mit kapitaler Mähne. Dann habe ich bisher außerdem nur lesen können, wie leicht sich die Schweinepest vom Hausschwein überträgt - und wie selten umgekehrt vom Schwarzwild kommend. Der Fuchsbandwurm geht auch gerne über den normalen Hund...

Viele Unfälle mit Schwarzwild

Bevor ich also nun zum Wolf kommen möchte, halte ich für erwähnenswert, dass Tiere wie Wildschwein, Fuchs und Waschbär sich unter jagdlichem Druck besonders stark vermehren. Das gehört zu dem Erhaltungstrieb dieser Arten. Eine Jagd auf sie ist also nicht wirklich sinnvoll, wenn an den Argumenten der Jäger alles richtig ist. Jäger bejagen zudem auch zuweilen bedrohte Arten, wie den Feldhasen, den sie durch die Bejagung des Fuchses eigentlich schützen wollen. Für mich als Nichtjäger wirken die Zahlen hier ziemlich ambivalent. Last not least zum Thema Wald und Revier fördert das sogenannte Kirren, das Anfüttern für die Jagd, die wachsenden Wildschweinbestände besonders schnell. Signifikant ist hier, dass unterschiedliche Quellen mehr Autounfälle mit Wildschweinen als mit Rehen auflisten. Ich habe diese Zahlen aber noch nicht verifizieren können, was ich zum dritten Teil nachholen will. 

Gemeinsam mit zehn anderen Organisationen aus der Landwirtschaft und Nutztierhaltung, des Natur- und Tierschutzes sowie der ökologischen Jagd hat der NABU eine Empfehlung für einen bundeseinheitlichen Herdenschutz und Kriterien zur Tötung von Wölfen, die wiederholt Nutztiere gerissen haben, vorgelegt.

Vielleicht braucht es in Deutschland die Anerkennung für ein bundesweites Wolfsrevier

Wenn ich mir die letzten Tage Recherche zu diesem Themenfeld Revue passieren lasse, sehe ich nicht die alleinige Verantwortung bei Jäger, Hirte, Bauer oder Wolf. Tatsächlich könnte der unübersichtliche Flickenteppich aus Empfehlungen zur Umsetzung und Förderung von Herdenschutz in Deutschland eine Ursache sein. Widersprüchliche Zahlen und Tatsachenbehauptungen, wenig Sachlichkeit, viel Wut und Hetze. Selbst bei Profis. Zudem fehlen klare Regelungen für die rechtlich bereits mögliche Tötung von einzelnen Wölfen, die empfohlenen Herdenschutz überwinden und Nutztiere angreifen.

Dieses „föderale Wirrwarr“ geht sowohl zulasten des Artenschutzes als auch der Tierhalter, erkennt sogar der NABU auf der öffentlichen Webseite.

Politik und Gesellschaft dürfen, so die einhellige Forderung beteiligter Verbände, die ökologisch wertvolle Weidetierhaltung und die ebenfalls ökologisch wertvolle Rückkehr des Wolfes nicht gegeneinander ausspielen und die Lasten allein den Tierhaltern zumuten.

Eben diese Frage hatte ich bereits in meinem ersten Teil aufgeworfen - und zwar mehr Lob geerntet als Schmähungen - um wirklich alle beteiligten mitzunehmen in dieser Frage - will ich auch die sogenannten Wolfshasser versuchen, auszusöhnen mit der Natur.

Nicht nur der NABU fordert Rahmenregelungen des Bundes, für eine tragfähige Koexistenz zwischen Wölfen und Weidetierhaltung.

Anders als die geplante Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes fokussiert das Eckpunktepapier der Verbände inhaltliche und praktikable Lösungsansätze und liefert konkrete Empfehlungen für die flächendeckende Umsetzung von geeignetem Herdenschutz in tatsächlichen und möglichen Wolfsgebieten. Gefordert wird eine kostendeckende staatliche Förderung, die auch laufende Unterhaltskosten, etwa für Herdenschutzhunde, umfasst. Tötungen von auffälligen Wölfen betrachten die Verbände stets als das letzte Mittel im Einzelfall. Sie sind sich einig: An gutem Herdenschutz führt kein Weg vorbei. Hierfür müssen sich das Umwelt- und vor allem auch das Landwirtschaftsministerium gemeinsam einsetzen.

Da ich in einigen Gesprächen mit Landwirten und Nutztierhaltern in den letzten Tagen immer wieder bei der Kostenfrage in einer Art argumentativen Sackgasse gelandet bin, sehe ich hier ernsthaft einen der wichtigen Lösungspunkte, einen weiteren Weg beschreiten zu können. 

Wenn darüber hinaus, Naturgebiete vermehrt als Nationalparks anerkannt werden, in denen eine Art staatlicher "Ranger" als Förster und Jäger beruflich für nachhaltigen Schutz sorgen, mit flächendeckenden Zaunkonzepten, die - analog den Systemen im Gelsenkirchener ZOOM oder dem Wolfspark von Werner Freund in Merzig, sicher konstruiert sind, werden vermutlich andere Märchen verstärkt die Gemüter erhitzen. Dann kann man den Wolf sehen, wie er ist: ein sozial begabtes Wesen.

Wenn wir flächendeckend Hobby-Jägern die Wälder überlassen, halte ich das für eine ebenso falsche Entscheidung, wie wenn wir private Sicherheitsdienste der ordentlichen Polizei den Vorzug geben - und hinnehmen, dass die gesellschaftliche Einrichtung schlechter ausgerüstet ist, als von Superreichen finanzierte Privatarmeen. Mir ist bekannt, dass es solche Bestrebungen gibt. Ich halte derartige Schritte aber für falsch und bin hier absoluter Befürworter von Recht und Ordnung, Demokratie und gesellschaftlicher Struktur.

Der Schutz von Wolf und Wald ist also eine Frage von Sein oder Nichtsein unserer Zivilisation. Das kostet Geld - darf aber nicht den falschen Leuten aufgebürdet werden...  um endlich zur Sachlichkeit zurückzukehren, in Sachen Natur- und Klimaschutz. Eine Jack-Wolfskin-Jacke und eine Sonnenblume als Emblem ist da nicht genug.

Der Freitag ist nicht genug! Aber morgen folgt der Dritte Teil. ;-)

Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

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