So macht man besser keine Schule ...
Versäumnisse der Bildungspolitik sind Ursache für aktuelle Misere

2Bilder

MEINUNG VON STEPHAN LEIFELD

Heute ist eine Studie veröffentlicht worden. Die Schüler arbeiten und lernen demnach zu Hause viel zu wenig. Deutschlands obere Schuljahrgänge arbeiten in der Corona-Krise nach einer neuen Studie zu Hause eher wenig bis garnicht: Mehr als ein Drittel gaben offenbar an, täglich weniger als zwei Stunden für schulbezogene Tätigkeiten zu nutzen. Ich denke, die Kinder waren einfach nur ehrlich. Was sie deutlich von den Menschen unterscheidet, die nun hierüber meinen urteilen zu dürfen. 

Jahrelang war ich mit diesem Thema schon unterwegs, als ich noch in der SPD aktiv gewesen bin. Als Verfechter für Digitale Bildung habe ich bundesweit gestritten, aber war auch zu diesem Thema auf dem ein oder anderen Vortragsabend als Referent. Zuletzt habe ich noch in Hannover im Mai 2016, auf der Bundeskonferenz vom Arbeitskreis für Bildung, meine Standpunkte zur Diskussion gestellt.

Ohne Druck wegen Klimawandel und Corona, hatten die meisten (als Beamte tätigen) Kollegen aber die Ruhe weg... Ebenso wie die Politiker, die lieber Geld für Rüstung und innere Sicherheit ausgeben, statt für die Zukunft unserer Kinder. Es hat mich geärgert...

Dabei habe ich es beinahe täglich nicht nur besser gewusst, sondern auch erleben können:
Parallel zu meiner politischen Tätigkeit bin ich eine gute Zeit als angestellter Lehrer am Bergischen Internat in Erkrath mit Herzblut dabei gewesen.
Dieses privat geführte Internat ist eine der wenigen Schulen, mit einem wirklich zeitgemäßen Bildungskonzept. Dieses Konzept bleibt nie stehen, sondern wird immer weiter entwickelt. Dank gebührt dabei in besonderer Weise dem Gründer und Schulleiter Bernd Kesseler.

Kesseler hatte bereits vor über 40 Jahren die Idee einer "anderen Schule". Mit einer wirklich bunt gemischten "Truppe" von besonderen Lehrkräften, die mir seinerzeit wirklich als Menschen ans Herz gewachsen sind, hat Kesseler echt was besonderes erschaffen. Die Kinder "brennen" an dieser Schule - vor begeistertem Eifer, lernen zu dürfen. Das habe ich selber so erlebt.

Den Spagat zwischen "alten" Werten einerseits - und modernen Medieneinsatz auf der anderen Seite, hat man dort geschafft

Die aktuelle Studie heute behauptet hingegen, viele Schüler der Sekundarstufe II an öffentlichen Schulen, würden "trotz der Bereitstellung von Lehrmaterialien" derzeit nur wenig Zeit für schulische Aufgaben aufwenden. Etwa 37 Prozent der Schüler der gymnasialen Oberstufen gab demnach, in einer Befragung des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) an, täglich weniger als zwei Stunden mit der Bearbeitung von Aufgaben oder digitalem Unterricht zu verbringen.

Das kann ich gut nachvollziehen. Zum einen Teil bin ich ja selbst seit über 17 Jahren Lehrer. Zum anderen Teil bin ich Vater von Kindern im Alter von 10 bis 23 Jahren. Noch heute habe ich mit meinen jüngsten Kindern, zehn und dreizehn Jahre, an ihren Schulsachen gesessen. Ich kann es nicht glauben, was an öffentlichen Schulen unter "der Bereitstellung von Lehrmaterialien" gesehen wird. Das hätte man zu einer anderen Zeit als das berühmte "Springen ins eiskalte Wasser" bezeichnet. Eltern und Kinder dürften in den meisten Fällen zuhause echt überfordert sein. So wie die Lehrer der öffentlichen Schulen auf der anderen Seite auch, wirklich redlich bemüht, dennoch scheitern an der einsamen Aufgabe. 

Unter der Woche verbringt der Untersuchung zufolge mit 27 Prozent nur etwa jeder vierte Jugendliche täglich vier oder mehr Stunden mit schulischen Aktivitäten, wie beispielsweise Hausaufgaben oder digitalem Unterricht. 35 Prozent wenden dafür zwei bis unter vier Stunden täglich auf.
Die Studie verrät dabei nicht, dass der digitale Unterricht sich darauf beschränken könnte, einmal bis zweimal pro Woche einen online-Chat mit dem Lehrer zu haben. Dieser Chat muss auch noch vorinstalliert werden. Alle Familien brauchen plötzlich Webcam und Google-Software, wie Meet und Chrome. Die Google GSuite entpuppt sich dabei von Anbieterseite - also Schule, im Nachhinein Steuerzahler - als Kostenfalle. Pro Monat dürfen Schulen so pro Kind etwas mehr als 9€ zahlen, wenn es nicht einen außerordentlichen Mengenrabatt geben wird...

Das digitale Lehrmaterial ist zumeist eine Kopiervorlage mit einer Arbeitsanweisung, die zuhause auch einen Drucker voraussetzt. Mir ist schleierhaft, wo die ganzen Haushalte den Drucker plötzlich herzaubern. In Zeiten, in denen Saturn und MediaMarkt geschlossen sind. 

Die Befragten des Abiturjahrgangs geben mit 46 Prozent sogar noch häufiger an, weniger als zwei Stunden täglich für die Schule aufzuwenden. Dies könne allerdings daran liegen, dass durch Abitur-Verschiebung eine Unterbrechung der Vorbereitungen erfolgte, hieß es.

Die eingangs erwähnte Schule im Bergischen läuft privat. Dort kommen seit Jahren im täglichen Unterricht iPads zum Einsatz. Die Kinder beherrschen diese Lerninstrumente, weil sie von den entsprechend ausgebildeten Apple-Teachern, hier ordentlich unterwiesen wurden. Als ich das in den Jahren an der politischen "Front" berichtete, gab es nicht selten rhetorisch Haue für mich. Ich würde Produktwerbung machen. Dabei sind die allermeisten iTunes-U-Kurse kostenlos. Dieses Argument hat man seinerzeit geflissentlich überhört. Auch, dass man dort auf normale Schulabschlüsse hingeführt wird, wie an anderen Schulen auch. 

Nun sind seit Jahren immer wieder weniger aktuelle Klassensätze von Personal Computern im Einsatz, die mit dem Betriebssystem von Bill Gates - namens Windows - ausgestattet sind. Die Lizenzen für diese Betriebssysteme, die Netzwerklizenzen, aber auch die Lizenzen für Textverarbeitung, etcetera, summieren sich aus meiner Sicht horrend. Den Bund der Steuerzahler hat das noch nicht in Wallung gebracht, scheint es. Vielleicht weil "Greti und Pleti" am PC sitzen... oder waren es "Hinz und Kunz"?

Im Vergleich zu den Apple-Produkten, die derartige Software immer im Preis mitgeliefert hat, geht mir persönlich die Windows-Welt auf den bekannten Keks. Apple bietet Software mit jahrelangen aktuellen Updates. Dazu kommt das intuitive Bedienen der iPads - die wie die Tafeln aus der Zeit der Schulpioniere abgemessen sind - so etwas macht den Kindern Freude. Das habe ich in meinen eigenen Kursen oft erlebt. Aber auch daheim mit meinen Kids, wenn die freiwillig mit mir am iPad lernen. Es ist auch nicht zwingend, dass Kinder durch die Benutzung von iPads und Tablet-Computern Grundkompetenzen verlernen, wie das Lesen und Schreiben. Im Gegenteil, war meine Erfahrung. Das sind einfach banale Vorurteile.

Jedenfalls wollte ich auch nicht mit Vorurteilen an diesen Bericht hier gehen. Deshalb habe ich auch ganz brav heute noch einen PC neben meinen iMac gestellt, um dort Windows mit Google Chrome zu installieren. DAS ist nämlich für die meisten sogenannten Lösungen der öffentlichen Schulen ein MUSS. Anschließend verlangte das System eine Google-Mail-Adresse. Ich habe noch Meet von Google installieren müssen, mit dem "Hangout System" ... und weil ich das als Kursanbieter sehen wollte, um so vielleicht eine Alternative zu meinen iPad-Kursen zu haben, also zweigleisig fahren zu können... sollte es noch GSuite sein, wie es die Schulen aktuell brauchen. Die Kostenangebote haben mich geschockt. Solche Preise kenne ich von Apple nicht. Steve Jobs war es immer wichtig, digitale Angebote für alle zu bieten. Sein früherer Freund Bill Gates, der uns aktuell auch in Sachen Impfungen gegen Corona thematisch unterkommt, scheint sich auch für etwas von allen zu interessieren. Nicht umsonst wurde er zu einem der reichsten Menschen der Welt: es ist unser Geld. 

Was ich mit diesem Text - der eine Mischung aus Kommentar und Bericht geworden ist - eigentlich sagen wollte... ist, dass die Politiker und auch die Lehrenden im öffentlichen Bereich jahrelang sträflich versagt haben, was ein zeitgemäßes Bildungskonzept angeht. Man hat sich in der Nabelschau ergangen, ein Jahr mehr oder weniger zum Abitur, würde uns in Sachen PISA nach vorne bringen. Absolut lächerlich sind sie gescheitert. Und nun scheitert unser Bildungssystem erneut. Es ruft in dieser Krise die Kinder zur Schule zurück, weil die Erwachsenen es nicht geregelt bekommen, diese mit Freude zum Lernen zu bringen, dafür aber nun - dank unfähiger Politiker  -  ersatzweise nun mit Viruserregern jeden Tag in Gefahr bringen. Und das andere Argument ist ebenso dämlich: Als wenn man das Schulessen bei Familien mit weniger Geld, nicht auch zu denen nach Hause liefern könnte... 

Unfassbar. 

copyrightfrei: Foto von Patricia Prudence by unsplash

Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

Webseite von Stephan Leifeld
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

17 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.