Überraschungsbesuch via Internet - Satire- Mail

Ich wollte, dass du dich heute so richtig freust, als wäre Weihnachten.
Ich habe mein Sparschwein geleert, um mir eine Fahrt zu den Schmetterlingen zu kaufen.
Ich bin früh mit dem Auto los gedüst, bis das Navi ankündigte:
"Sie haben Ihr Ziel erreicht!"

Man, was war ich in dem Moment glücklich, dich endlich zu treffen, die Person, mit der ich seit einiger Zeit eine lustige und niveauvolle Mail-Korrespondenz führe. Jeden Moment sehe ich dich.., hämmerte es in meinem Kopf.
Mein Glücksgefühl war so unbeschreiblich...

Aber, wo war das Ziel? Ich hatte es plötzlich aus den Augen verloren.
Du warst nicht da.
Ich ließ sogar meine Schlüssel auf der Treppe vor deiner Tür fallen, wie in unser Mail verabredet, aber keine Reaktion.
Und ein Herr Lux, den ich unter deiner Mobil-Nr. anrief, die du mir gabst, meinte "Beyers", ne, da sind Sie falsch verbunden, den gibt es hier nicht.“

Und ich wollte dich so herzlich umarmen.
Und was war das? Dein Büro war schon um 12.00 Uhr geschlossen. Alle grauen Rollläden im Erdgeschoss waren herunter. Nur ein Maler strich drei Häuser weiter an der Fassade. - Der einzige fleißige Mensch in der Straße mit den verrückten Hausnummern, mal kleiner als, mal größer als.

Mein Gott, ich war imaginär bei dir und habe in deine schwarze Seele gesehen. War das real oder fiktiv?
Anschließend bin ich ziemlich wütend vom Parkplatz Richtung Autobahnkreuz gefahren. Vor lauter Unaufmerksamkeit verpasste ich sogar die Auffahrt. So musste ich noch eine Schleife drehen und stand dann lange im Stau.

Deine Homepage ist völlig veraltet, und das soll ein innovatives Geschäftsmodell sein mit Selbstständigkeit von Homepage-Gestaltungen? Deine sämtlichen Telefon-Nummern existieren nicht mehr. Und die der Telefon-Auskunft passen nur zu Herrn Lux. In deinem Büro geht schon seit Tagen keiner ans Telefon.
Hast du das Büro schon dicht gemacht aufgrund Insolvenz, oder ist das nur ein Steuerabschreibungsmodell?
Du hast nie gesagt, wann du im Büro bist und mir hierfür auch keine aktuelle Telefon-Nr. gegeben. Ich dachte, deine Homepage im Internet wäre brandaktuell, aber immer tönt es: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“. 
Der heutige Tag war so enttäuschend für mich.

Yee! Jetzt ist für dich richtig Knast angesagt.

Ich werde dich nun anzeigen wegen Vernachlässigen deiner Homepage und Schließens deines Büros vor der Mittagszeit und Weitergabe falscher Telefonnummern.
Du meinst, es sei ein Spiel? Da muss ich dich enttäuschen, mein Lieber.

Wenn du mir natürlich lieber über Wochen nur Storys schreiben möchtest, ich leider nicht. Es war wie immer lustig und spritzig, was da so aus deiner Feder floss.
Und weil du das Drama „Macbeth" in deiner letzten Mail ansprachst, will ich dir auch gleich verraten, was bei mir noch so geläufig ist von diesem fulminanten Szenario zweier machtbesessener Menschen - Königin und König. Die Rede ist vom Alkohol im Zusammenhang mit Sex, und Shakespeare lässt eine seiner Figuren tonieren: „It provokes and unprovokes".

Und kurz vor dem nicht mehr aufzuhaltenden Untergang des „Regimes" ruft die Königin die Götter an und postuliert „ Unsex me here".
Über die Bedeutung dieser drei Worte hat unser wirklich guter Englischlehrer mit uns eine halbe Stunde diskutiert und versucht, uns die Abgründe einer Seele zu offenbaren, die hemmungslos der Macht verfallen ist.

Damals war ich jugendlich. Ich muss das Buch mal wieder zur Hand nehmen und nachlesen, ob ich das Orakel von Shakespeare heute besser verstehe.
Das wird was Psychologisches mit einem spöttischen Unterton. Und vielleicht liegst du auch ganz richtig, ohne den guten alten Sigmund Freund zitieren zu müssen. Und vielleicht wird es mich sogar sehr amüsieren.., aber nur vielleicht.

Und bist du nun wieder in deinem EDV-Veteranenbüro, ach, du meinst EDV-Veteranenkontor und glaubst, ich komme nochmals, um meinen Schlüssel fallen zu lassen?

Ha, es wird eine Fata Morgana bleiben.

Denn gut ist bös', und bös' ist gut..., in diesem Fall.