Gegenseitige Toleranz und Empathie ...
Shutdown ist nicht weitgehend genug
Aus meiner Sicht offenbart sich aktuell einmal mehr das hässliche Gesicht des Kapitalismus. Ich sehe seit Tagen, wie infolge dem Druck der Börsen und Börsianer, sogar Medien den Schwerpunkt ihrer "Berichterstattung" auf die Wirtschaft legen - und Zahlen von Corona-Infizierten und -Toten geradezu relativiert werden. Von wegen 15% der Bevölkerung ist bereits immun gegen den Virus. Und die wirtschaftlichen Folgen wären schlimmer. In meinen Ohren klingt das dann, als sei das "Opfern" von 30 Millionen Alten in unserer Gesellschaft opportun und - auf das Kapital gerechnet, völlig in Ordnung. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Auch wenn der sogenannte Shutdown für meine Familie finanziell echt negative Auswirkungen hat, bin ich doch froh, dass meine Eltern meinem Broterwerb nicht geopfert werden. Ich begrüße nach wie vor die gewählten Schritte, die zum Stillstand von Teilen unserer wirtschaftlichen Ordnung geführt haben. Das Leben ist doch weiter gegangen. Man kann zum Beispiel telefonieren. Man bleibt gesund. Das zählt in meinen Augen. Insoweit danke ich entscheidungsfähigen Politikern, selbst wenn sie meiner Partei nicht nahestehen.
Es ist gut, wenn die Kinder aktuell nicht zur Schule gehen, sich nicht gegenseitig mit dem Virus wiederum zurück zu Hause, dort ältere Angehörige anstecken können. Es ist gut, wenn man im Ladenlokal zwei Meter Abstand halten soll, um sich nicht gegenseitig anhusten oder anniesen zu können. Es wäre besser gewesen, auch gleichzeitig die Werte an den Börsen dieser Welt "einzufrieren", um dort Spekulationsgewinne - die ich grundsätzlich für bedenklich halte - erst Recht in so einer Krise aus dem Fokus nehmen zu können. Die Börsen würden dann mit einem Shutdown weder Gewinn noch Verlust machen, um dann als Teil des Ganzen, auch keinen Druck auf die Politiker aktuell weitergeben zu können - weil sie auch keinen Druck hätten.
Seriöse Virologen meinen - und auch Zahlen aus China zeigen - dass der Virus noch nicht einmal den Gipfel der Durchseuchung unserer Art erreicht hat.
Ich würde es daher als scheinheilig, voreilig und unvernünftig erachten, in den nächsten Tagen und Wochen, sämtliche Schutzmaßnahmen wieder zurückzunehmen (nur weil ein paar Börsianer aktuell keine Geschäfte machen können). Wir sollten die Zeit nutzen, um grundsätzlich über ein paar Fragen unserer Gesellschaft nachzudenken...
Das bedingungslose Grundeinkommen beispielsweise, wäre so eine Frage. Eben die Lohngruppen, die schlecht bezahlt werden, retten augenblicklich unser "Hamsterrad", dass sich alles noch dreht. Es sind eben nicht die vollmundigen Spekulanten, die sogar auf Staatspleiten wetten dürfen, ohne Rücksicht auf Verluste (weil der Steuerzahler später solche Fehlspekulationen mit einem Rettungsschirm decken soll).
Eine weitere Frage ist die Toleranz und Akzeptanz in unserer Gesellschaft. Ich kann zum Beispiel nicht nachvollziehen, warum so viele Städter aktuell in meinem Landkreis ihre Pferde beinahe täglich besuchen dürfen - teilweise komplette Familien, mit "Maus" und Hund scharenweise anreisen - während beim Einkaufen des täglichen Bedarfs, in manche Geschäfte nur drei Leute auf einmal gehen dürfen. Beim Metzger stehen sie Schlange vor der Tür, manche Geschäfte verkaufen nur noch am Schalter - oder sind ganz geschlossen. Hingegen Pferdehalter und andere Naherholungs-Touristen (auch mit Fahrrad) kommen scharenweise aus den Großstädten - machen sich offenbar dabei keine Gedanken darüber, eventuell bei dieser Gelegenheit den Virus im Gepäck zu haben. Als wenn es normale Ferien wären.
Wenn diese Leute dann, z.B. mit ihren Hunden aus der Stadt, an den ländlichen Gärten vorbeigehen, nehmen die auch nicht einmal Notiz, wenn der nicht angeleinte Hund überall markiert (man ist ja auf dem Land und muss schließlich in der heimischen Stadt schon Leinenzwang einhalten). Spricht man diese kleinen "Reisegruppen" an, reagieren diese Leute teilweise obszön - zumindest aber gereizt und frech. Leider bekommt man wenig Verständnis, auf das Argument, dass umgekehrt man auch nicht wünschen würde, wenn der große Landhund bei einem Gegenbesuch, sein entsprechendes "Geschäft" vor dem Stadthaus verrichten würde. Es ist in solchen Fällen auch nicht der Hund, dem ich gram bin - sondern der Mensch, der wieder einmal hier versagt. Der besagte Städter hat dabei sogar den Abstand zu mir so weit unterschritten, dass ich fast eine Iris-Diagnose hätte durchführen können. Es war meine Ruhe, warum es nicht weiter eskalierte... (ich habe die Frage nicht beantwortet, ob ich hier der Sheriff wäre)
Und so ähnlich ist es auch heute in einem Supermarkt in meinem Dorf gewesen, was die gegenseitige Toleranz und Akzeptanz angeht.
Da brüllt ein Mann wutschäumend durch den Laden, dass die Pommes nicht am angestammten Platz in der Tiefkühltruhe liegen. Der Kassierer weist freundlich darauf hin, dass man einen Teil der großen Stromverbraucher abgeschaltet hat, da nicht immer genug Ware da ist, und ergänzt freundlich: "Pommes sind an einer anderen Stelle - etwa einen halben Meter entfernt". Der Mann ist immer noch grantig und verlässt schimpfend das Geschäft. Den halben Meter hat er wohl nicht geschafft.
Auch solche Leute werde ich nicht mehr verstehen lernen. Schließlich bin ich froh, dass die Verkäufer allesamt noch da sind, die mir vom Sehen bekannt sind. Auch der immer freundliche Ford-Händler aus dem Dorf ist gerade einkaufen. Wenn ich solchen Menschen "bleib gesund!" wünsche, wenn ich den Laden verlasse, meine ich das ernst. Meinetwegen kann der Shutdown noch andauern - vielleicht sogar mit dem Schließen der Börsen verschärft werden - wenn es dem Klima der Welt und unserer Gesellschaft nachhaltig helfen würde, wäre das in meinem Sinne. Draußen auf dem Weg zum Auto, sehe ich dann überall Menschen, mit Masken und Handschuhen, sehen sie aus, wie bei Michael Jackson. Nur niemand singt, "wanna be starting something..."
In diesem Sinne wünsche ich dennoch allen Leserinnen und Lesern, die mit meinem Kommentar so weit gekommen sind, ein schönes Osterwochenende. Bleibt gesund!
Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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