Überlegungen zur sogenannten Corona-Krise
Sehen wir der Wahrheit ins Gesicht
Als die sogenannte Corona-Pandemie über uns alle global gekommen ist, dachte auch ich an eine veränderte Welt. Ich hatte weniger Angst als Hoffnung, dass die Menschen insgesamt zu einer neuen, besseren Welt finden könnten. Dann kam der sogenannte Shutdown oder Lockdown. Diese neudeutschen Begriffe für eine Art Schutz- und Atempause, nicht in der normalen Öffentlichkeit mit dem Erreger infiziert zu werden. Schließlich zeigt mir unsere Gesellschaft ein großes Maß an Ungeduld und Dummheit, wenn scheinbar so viele Menschen in die "Normalität" der Vor-Corona-Zeit zurückdrängen... als wenn unsere gesamte Spezies eine Psychotherapie brauchen könnte, sieht es für mich aus.
Ich sehe Bilder von englischen Hafenstädten, Stränden an der deutschen Ostsee, Parties in Kalifornien, Demonstrationen von Menschen gegen Corona, Wahlveranstaltungen von Donald Trump ohne Schutzmaßnahmen, Fussballspiele. Offenbar drängt es derzeit viele Menschen regelrecht "raus in die Menschenmassen". Als wären die Couch-Kartoffeln, Online-Game-Zocker und Stubenhocker, nur eine Erfindung derselben Menschen, die einem jahrelang erzählt haben, dass man vom Onanieren blind wird. Plötzlich wird die Freiheit definiert, als würde sie nur ohne Maske und Abstandsregel funktionieren. Rosa Luxemburg einhundert Jahre später quasi ad absurdum geführt. "Die Freiheit ist die Freiheit des ohne Maske atmenden..."
Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL berichtet davon, dass der Hamburger Innensenator mit Freunden in einer Bar gefeiert hat. Weiterhin wird etwa 200m davon entfernt, an einem der größten Shoppingcenter gebaut. Als würde es Corona nur flüssig geben, 0,33l in Glasflaschen. Keine Sorgen, keine Seuche. Keine Nachhaltigkeit mehr, kein Friday-for-future mehr, der Mindestlohn wird nun an den Ausbau des Berliner Flughafens gekoppelt. Nein, im Ernst, letzteres stimmt nicht. Die Steigerung beim Mindestlohn muss moderater ausfallen, ebenso wie die Zahlungen an Pfleger und Rentner, weil Lufthansa und andere Firmen, wegen Corona gerettet werden müssen. Corona, ein unsichtbares Phänomen, mit wirtschaftlichen Folgen - und möglicherweise zu wenig Betroffenen, um massenhaft wahrgenommen zu werden.
Die globale Gesellschaft rutscht wieder zurück, in die Gesellschaft 2019 - passend zum Namen des Erregers, der ebenfalls mit einer 19 benannt worden ist. Covid19. Kein Ovid19 - keine Metamorphose zu einer bewussten, demütigen, nachhaltigen und toleranten Gesellschaft, die aus der gesamten Krise etwas gelernt hat.
Es scheint mir, als würde den meisten Menschen leichter fallen, wie die Lemminge "weiter so" zu machen, als wäre nichts geschehen. Besonders konservative Parteien konnten weltweit punkten, in Sachen Wählerumfragen. Nicht nur in Deutschland.
Donald Trump setzt auf seinen Corona-for-free-Wahlveranstaltungen sogar auf das alte "linke Schreckgespenst", als wäre die McCarthy-Ära wieder da. Das war eine Zeit, benannt nach dem US-amerikanischen Senator Joseph McCarthy, in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten zur Anfangsphase des Kalten Krieges. Sie ist damals durch einen lautstarken Antikommunismus und Verschwörungstheorien geprägt und ist auch als „Second Red Scare“ (deutsch „Zweite Rote Angst“ in Anlehnung an die erste Rote Angst in Bezug auf die Indianer) bekannt. Während Trump im letzten Wahlkampf noch Hillary Clinton links überholt hat, um mit Kritik am Establishment enttäuschte Sanders-Anhänger in "sein Boot" zu locken, schürt er nun den Hass gegen Links. Der neue Sündenbock ist links oder schwarz. Womit damit auch wieder der Sündenbock der McCarthy-Zeit zurück ist. Damals brannten viele Kreuze vor allem in den ländlichen US-Staaten. Es war eine Art Aufstand der weißen Christen. In diesen Tagen schreckt der US-Präsident auch davor nicht zurück, einen Aufstand weißer Christen heraufbeschwören zu wollen.
Es fällt offenbar den Menschen leicht, Ideologien und Konventionen zu behalten, statt sich zu verändern. Das ist nicht nur beim Abnehmen der Fall. Die scheinbar beste Diät ist die, in den Augen vieler Menschen mit Übergewicht, die nichts grundsätzlich ändert, sondern verspricht, lecker zu sein und einfach.
Ängste werden mit anderen Ängsten geschürt oder verdrängt - gleichzeitig mit schuldigen Dritten geistig abgehakt. Nicht das eigene Fleisch ist dann schwach, wenn es billig von Tönnies gekauft hat - sondern der Kaufmann selbst ist der Schuldige, der einem "so etwas" veräußert hat. Man ist quasi von der Werbung verführt worden, trägt keine Verantwortung an Schlachthäusern und bestialischen Zuständen. Sondern nur die Anderen. Angesichts der Schlange mit dem Apfel, eine sehr religiöse Einstellung. Ohne Nachhaltigkeit und Bewusstsein, aus dieser Perspektive.
Es folgen dann Verhaltensmuster, bestehende Wahrheit zu leugnen - und sogar die Überbringer von schlechten Nachrichten zu bestrafen (oder zu bedrohen, siehe Christian Drosten). Konvention und Konservative Haltung begünstigen daher Autoritäre Strukturen. Die scheinbaren Freiheitskämpfer Hildmann und Schiffmann, nebst ihrer Anhänger, suchen ihr Heil deshalb auch in öffentlichem Leugnen einer sich ändernden Wahrheit. Wissenschaftliche Aussagen werden daher zuerst negiert und ins Lächerliche gezogen. Die Welt bleibt für solche Menschen schwarz und weiß, flach und simpel.
Obgleich ein Weg in die Sackgasse, den man zehn Mal geht, immer wieder in dieselbe Sackgasse führt, bleibt es der Lieblingsweg von Konservativen und Lemmingen. Zurück in die Normalität, ohne Maske, ohne Klimaschutz, ohne Mindestlohn. Etcetera.
Es vermittelt diesen Menschen mehr Sicherheit, als eine neue Gesellschaft oder etwas Fremdes. Und hier offenbart sich auch der strukturelle Konservatismus ALLER in den Parlamenten sitzenden Parteien, ausnahmslos. Niemand von diesen Politikern geht täglich in die Öffentlichkeit, um hier ein Plädoyer zu halten, für einen Schritt nach vorne...
Die sogenannte PARTEI zieht alles ins Lächerliche, satirische... die sogenannte AfD entpuppt sich als keine Alternative, weil sie mit allen Mitteln immer wieder in die o.a. Sackgasse rennen will... die anderen Parteien SPD, CDU, CSU, die GRÜNEN, die LINKE, haben längst Kopf und Visionen verloren, was man auch strukturell erkennen kann, wie sie momentan mit eigener Nabelschau mehr Zeit verbringen, als mit ihrer angetrauten Aufgabe. Bodenhaftung und Offenheit sehen anders aus, als deren Politik. Deshalb fühlen sich auch viele Menschen weder vertreten, noch verstanden. Die Kommunalwahl zuletzt in Frankreich hat das auch gezeigt, als die Wähler wieder einmal die Regierung abgestraft haben, statt schlüssig zu entscheiden, überhaupt noch Wählen zu gehen.
Bindungspsychologisch haben wir es also momentan mit vielen unreifen Menschen zu tun, sogar weltweit, die wenig Bindungen untereinander zulassen können, weshalb sie sich hinter tradierten Mustern verstecken suchen. Ein Attila - ungelernter Selfmade-Koch - taugt mir hier als ein Paradebeispiel eines bindungsängstlichen Menschen, ohne Vater aufgewachsen, in einer fremden Familie und Kultur, der für mich gesehen, krampfhaft versucht, sich mit einer - einem scheinbar für ihn "Vorzeige-Deutschen" (mit gleichen Initialen) - geliehenen Rhetorik, den Massen anzubiedern, um daraus seinen Selbstwert zu gewinnen. Das ging glücklicherweise schon einmal schief, zeigt aber, dass eine große Anzahl von Deutschen und anderen... möglicherweise einer Therapie bedürfen könnten.
Eine Therapie braucht Zeit, die wir alle gehabt haben, wochenlang - wenn wir nicht in systemrelevanten Berufen gearbeitet haben. Zu denken, die Probleme unserer Gesellschaft wären nur weg, sobald es einen Impfstoff gegen Covid19 geben sollte, würde ich für trügerisch halten. Das wäre, wie wenn der Alkoholiker meint, dass eine Flasche Wodka nicht wirklich schädlich wäre. Und überhaupt, der Entzug von Alkohol nur die Freiheit rauben würde (an einer Leberzirrhose sterben zu dürfen).
Diese obigen Gedanken teile ich bewusst nicht im Bereich Politik, sondern im Bereich Kultur. Wir brauchen aus meiner Sicht, alle Menschen auf der gesamten Welt, wieder eine Kultur zu Streiten, zu lernen, zu begreifen, zu hören, zu lesen und zu verstehen... dann begreifen auch alle, dass nicht der Virus die Krise ist, sondern die Gesellschaft selbst.
Einen schönen Sonntag noch.
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Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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