Zwangspause im Recklinghäuser Cineworld
So schlimm war die Lage noch nie - Interview mit Kinoleiter Kai Theveßen
Es gibt Menschen, die seit Jahren nicht mehr im Kino waren. Sie schalten die "Glotze" ein und innerlich ab. Für Cineasten ist das TV-Programm aber auch in Pandemie-Zeiten keine Alternative. Aber es tut nicht weh. Für Kino-Mitarbeiter und Kinobetreiber sind die Corona-geprägten Wochen jedoch eine echte Tragödie. Der Stadtspiegel sprach darüber mit Cineworld-Leiter Kai Theveßen.
Stadtspiegel: Seit dem 16. März ist das Recklinghäuser Cineworld geschlossen. Was bedeutet das für die fest angestellten Mitarbeiter und Aushilfskräfte?
Kai Theveßen: Die meisten fest angestellten Mitarbeiter sind in 100 Prozent Kurzarbeit, was heißt, dass sie leider nur noch 60 Prozent ihres Nettolohns - wird von der Agentur für Arbeit bezahlt - bekommen, aber sie behalten so ihren Arbeitsplatz. Die studentischen Aushilfen und geringfügig Beschäftigten haben keinen Anspruch auf Kurzarbeit, sie werden jedoch bei gekürzter Arbeitszeit weiter beschäftigt und vom Kino bezahlt, damit auch Sie ihren Job nicht verlieren.
Würde der Kinobetrieb nach Ihrer Einschätzung weitere vier Wochen Zwangspause wirtschaftlich verkraften?
Man muss sich ja mal überlegen, dass wir seit dem 16. März komplett ohne jegliche Einnahmen da stehen, bei allen weiterlaufenden Kosten wie Miete, die Löhne für die Aushilfen, Versicherungen und so weiter. Die letzten Wochen vor der behördlichen Schließung waren schon sehr schlecht besucht.
Laut unserer Firmenleitung (wir sind ja ein mittelständischer Familienbetrieb) würden wir so bis Ende Mai über die Runden kommen, dann wird die wirtschaftliche Lage ohne Unterstützungen von öffentlicher Seite her sehr ernst.Unterstützung gibt es von dieser Seite zur Zeit nur in Form des Kurzarbeitergeldes und eventuell in einer Einmalzahlung von 25.000 Euro (was gerade mal ein Drittel der monatlichen Miete wäre). Unsere Firma hat zwar Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet, aber da ging man von der Überbrückung von schlechten Geschäften aus und nicht davon, dass man mehrere Wochen oder Monate gänzlich ohne Einnahmen da steht, das überfordert jedes Geschäftsmodell.
Ihre Lieferanten, beispielsweise für Snacks und Getränke, und auch Entsorgungsunternehmen sind mit betroffen?
Ja, natürlich. Ohne Spielbetrieb brauchen wir auch keine Getränke, Mais oder andere Waren. Es leiden unter der Schließung auch unsere Reinigungsfirma, der Flyerverteiler und vieles mehr. Da sind schon einige Betriebe direkt mit betroffen. Von den Investitionen ins Kino, die nun nicht getätigt werden können, mal ganz zu schweigen.
Würde es helfen, wenn Filmfans aktuell - damit das Kino erhalten wird - online Gutscheine bestellen?
Online Gutscheine würden helfen (bekommt man auf unserer Homepage) oder auch die Aktion #hilfdeinemkino (https://hilfdeinemkino.de), wo man sich sein Kino, also in unserem Fall das Cineworld, aussuchen kann, etwas Werbung anschaut und damit das jeweilige Kino direkt finanziell unterstützt.
1999 wurde das Cineworld glanzvoll eröffnet und gilt als eines der Vorzeigekinos in Deutschland, beispielsweise als Standort des einzigen kirchlichen Filmfestivals. Auch gehört das Cineworld zu den ausgewählten Lichtspielhäusern, die Opernpremieren live aus der New Yorker Met zeigen dürfen. Aber es gab schon mal eine problematische Situation: 2003 musste der frühere Betreiber Insolvenz anmelden. Wenn Sie beide schwierigen Zeiten miteinander vergleichen: Was empfinden Sie als schlimmer?
Die jetzige Situation ist schlimmer, denn während der Insolvenz liefen die Geschäfte ja weiter. Die Besucher haben davon direkt nichts mitbekommen. Jetzt steht aber alles still, es ist alles sehr ungewiss, keiner weiß, wann es in normalen Bahnen wieder weiter gehen wird. Dass die Gesundheit aller Bürger Vorrang vor allem hat, kann ich ja nur unterstützen, aber die Politik muss sich dann schon fragen lassen, wie sie glaubt, wer die Lasten ihre Entscheidungen trägt. Da sehe ich leider nicht, dass da genügend Hilfe auf den Weg gebracht wird.
Cineasten fiebern der Wiedereröffnung entgegen. Auf welche neuen Filme - nicht nur auf den neuen „Bond“ - können sie sich bis Ende des Jahres freuen?
Auch da kann ich nichts Genaues sagen, zur Zeit schieben alle Verleiher ihre Filme wild hin und her, es wird aber wie immer im Cineworld für alle etwas Passendes dabei sein. Viele Filme, die ja jetzt im Kino laufen sollten, werden dann zur Verfügung stehen wie zum Beispiel „Mulan“ und andere tolle Filme.
Infos zum Kino und zur Person
Das Cineworld Recklinghausen wurden 1999 eingeweiht.
Es hat sieben Säle mit 1498 Sitzen.
Standort: Kemnastraße 3-3a, 45657 Recklinghausen
Gutscheine online: https://www.cineworld-recklinghausen.de/cineworld/kinogutscheine.html
Kai Theveßen (54) arbeitet seit 1989 in den Recklinghäuser Kinos.
Das Cineworld Recklinghausen leitet er seit dessen Gründung 1999.
Autor:Kerstin Halstenbach aus Recklinghausen |
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