Vom Leben und Arbeiten in einem Hospiz

Ulrike Steinberg arbeitet als ehrenamtliche Mitarbeiterin im Hospiz zum Heiligen Franziskus. 
Foto: Wiegboldt
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Das lichtdurchflutete, charmant verwinkelte Hospiz in Recklinghausen ähnelt einem Krankenhaus nicht im Geringsten. Die Orchideen auf den Fensterbänken brauchen hier die wenigste Pflege und weiße Kittel findet man nicht. „Hier wird gelacht, hier wird gesungen, hier werden Witze erzählt. Das ist Leben“, sagt Ulrike Steinberg.
Von einer steril wirkenden Umgebung kann im Hospiz zum Heiligen Franziskus, Röntgenstraße 39, kaum die Rede sein. Jeder Patient hat sein eigenes Zimmer, das er nach seinem Geschmack dekoriert. Fotos von Angehörigen machen die schwere Zeit erträglicher. Auf jeder der drei Etagen gibt es eine Sitzecke. Ein Aufenthaltsraum, ausgestattet mit einem Fernseher, steht allen Patienten zur Verfügung.
Seit 14 Jahren arbeitet Ulrike Steinberg als ehrenamtliche Mitarbeiterin in dieser Einrichtung und hat es bis heute nicht bereut. Der entspannte und glückliche Eindruck, den die 63-jährige Recklinghäuserin vermittelt, spricht Bände.
Ihrer Kollegin Hildegard Pelz geht es ähnlich. Nachdem sie einst als Studiendirektorin an einem Gymnasium gearbeitet hat, musste sie ihren Dienst nach 26 Jahren aufgeben. Auf der Suche nach einer sinnvollen Aufgabe entschied sie sich schließlich für die Hospizarbeit.
Die Dankbarkeit und Anerkennung der Menschen erfüllt sie. „Das Besondere ist, dass wir hier nichts erreichen müssen. Wir sind in erster Linie nur da, haben keinen Leistungsdruck.“ Die 55-Jährige aus Haltern ist seit zwei Jahren als „Mädchen für alles“ mit dabei: hört zu, spendet Trost, hilft, wo sie nur kann.
In ihrem harten Job erfahren sie oft „pure Glücksmomente“, die sich schon in kleinen Dingen äußern. Ulrike Steinberg erinnert sich an einer Patientin, die sich zum Zeitpunkt ihres Eintritts nicht einmal rühren konnte, monatelang im Bett saß und nur starr geradeaus sah. Nach einer Weile der Betreuung im Hospiz ist sie jedoch wieder in der Lage, einen elektrischen Rollstuhl alleine zu führen. Solche Erfolgsgeschichten bezeichnet Hildegard Pelz als „pure Geschenke“. „Daran dürfen wir teilnehmen. Das ist das Beglückende.“
Neben all den ergreifenden Momenten gibt es natürlich auch schmerzhafte Erfahrungen, wie Hildegard Pelz zugibt. Bei Menschen, zu denen sie eine intensivere Beziehung aufgebaut hat, oder solchen, die erst Anfang 30 sind und kleine Kinder zurücklassen müssen, trifft sie der „Heimgang“, wie hier das Sterben würdevoll bezeichnet wird, besonders hart.
Zum Arbeitsalltag gehört hier jedoch nicht nur das Trost spenden. Die Konfrontation mit dem Erleben schwerster Krankheitssymptome beschreibt das Tagesgeschehen. Hildegard Pelz machen sie nur wenig aus. Schlimmer seien für die ehrenamtliche Mitarbeiterin die Gerüche. Sie möchte keine Missverständnisse aufkommen lassen und stellt sofort klar: „Ich empfinde nicht Ekel. Es ist Schrecken.“ Hildegard Pelz geht mit solchen Situationen offensiv um. Ganz wichtig sei es, ehrlich zu sein, wenn man in ein Zimmer kommt, in dem etwa der Geruch von Exkrementen in der Luft liegt.
Die leidvollen Erfahrungen haben aber auch einen Lerneffekt bei beiden Frauen hinterlassen. „Es rückt andere Probleme ins rechte Licht. Ich habe an mir festgestellt, dass nicht immer alles sofort eine ungeheure Dramatik entwickeln muss, “ gibt die temperamentvoll erscheinende Hildegard Pelz zu. „Aber die Welt geht nicht unter. Die Welt geht hier unter, “ sagt sie und fügt nach wenigen Sekunden hinzu: „Fürs Irdische erstmal.“
Religiös, das sei Ulrike Steinberg, aber nicht stark konfessionsgebunden: „Gott, Vater und die Wolke kann ich mir schlecht vorstellen.“ Sie glaubt, dass die Energie eines Menschen nicht verloren geht und er in irgendeiner Form weiterlebt. Ihre Kollegin Hildegard Pelz fügt hinzu: „Ich glaube, dass wir nicht verloren gehen.“
Die Einstellung zum Sterben habe sich bei den Ehrenamtlerinnen durch ihre Arbeit grundlegend verändert. Hildegard Pelz drückt es so aus: „Man verliert die Angst.“ Ulrike Steinberg stimmt dem zu: „Wahrscheinlich, weil es kein Tabuthema mehr ist. Man hat es öfter erlebt und kann sich etwas darunter vorstellen. Dass ich mich innerlich darauf eingestellt habe, was plötzlich auf uns zukommen kann, empfinde ich als Bereicherung.“

von Jasmin Wiegboldt

Autor:

Lokalkompass Recklinghausen aus Recklinghausen

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