" Medizinische Kompetenz - technischer Fortschritt - menschliche Atmosphäre " Klinik - Dialyse im Prosper-Hospital Recklinghausen
Zwei Pflegekräfte geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag und berichten von der Schwierigkeit,ein von der Maschine bestimmtes Leben zu führen und sich trotzdem ein gewisses Maß an Lebensqualität zu erhalten.
Über 60.000 Menschen sind in Deutschland zur Zeit auf die Dialyse angewiesen.
Dreizehn davon werden dreimal wöchentlich morgens ab 6.30 Uhr in der ersten Schicht der Dialyse-Abteilung des Prosper-Hospitals Recklinghausen von der Gesundheits- und Krankenpflegerin Birgit S. (49) und dem 39-jährigen Dialysefachpfleger Andreas Sch. betreut.
Eine Betreuung,die neben der fachlichen Kompetenz geprägt ist von menschlicher Wärme,Verständnis für die kleinen und großen Probleme der Patienten und gegenseitigem Vertrauen.
"Der erste Weg führt unsere Patienten morgens zur Waage",erzählt Schwester Birgit,"damit festgestellt werden kann,wie viel Flüssigkeit sich seit der letzten Dialyse im Körper angesammelt hat."
Ein Dialysepatient darf höchstens einen Liter Flüssigkeit pro Tag aufnehmen,was einer Gewichtszunahme von einem Kilogramm pro Tag entspricht.
Was dann folgt,ist eine erschöpfende Prozedur von vier,fünf oder gar sechs Stunden Dauer.
Bei einer schweren Nierenschwäche oder dem vollständigen Funktionsverlust der Nieren muss das Blut mithilfe von künstlichen Filtermembranen von Giftstoffen befreit werden.
"In den meisten Fällen wird das Blut bei der Hämodialyse über einen Gefäßzu-
gang am Unter- oder Oberarm aus dem Körper geleitet",erklärt Schwester Birgit."Damit ausreichend Blut für die Hämodialyse zur Verfügung steht,wird durch einen chirurgischen Eingriff ein 'Shunt' angelegt,eine Verbindung zwischen Arterie und Vene,die das häufige Anschließen an die Dialyse-Maschine ermöglicht(siehe Fotogalerie).Durch ein Schlauchsystem gelangt das Blut in das Dialysegerät,wo ihm Giftstoffe und das überschüssige Körperwasser entzogen werden.Anschließend gelangt das Blut über den 'Shunt' wieder in den Körper."
Das Dialyseverfahren ist im Laufe der Jahre vor allem technisch anspruchsvoller geworden.Die Betroffenen können mit den heutigen,hochmodernen Maschinen wesentlich schonender dialysiert werden,da die Schadstoffe viel effizienter aus dem Blut entfernt werden und Nebenwirkungen weitaus seltener auftreten.
Der Berufswunsch stand für Andreas Sch. und Birgit S. von Anfang an fest.
"Ich wollte immer mit Menschen arbeiten,anderen helfen und natürlich haben mich auch die technischen Aspekte der Dialyse fasziniert",berichtet der junge Mann,der nun seit mittlerweile 10 Jahren in der Dialyse tätig ist.
Auf eine bereits 20-jährige Berufserfahrung kann Birgit S. zurückblicken,die den stetigen Fortschritt der medizinischen Entwicklung hautnah miterlebt hat.
Gegründet wurde die Dialyse-Station des Prosper-Hospitals bereits im April 1983 von Prof.Dr.Carl Peter Sodomann und war eine der ersten in Recklinghausen und Umgebung.Heute gibt es in fast jeder Stadt Dialyse-Zentren und auch die Klinik-Dialyse im Prosper-Hospital,die seit 2005 unter der Leitung von Chefarzt Dr.Joachim Kühne steht,arbeitet mittlerweile in drei Schichten,um dem hohen Patientenaufkommen gerecht zu werden.Das Pflegeteam besteht aus insgesamt 20 Mitarbeitern und mehreren Fachärzten,die eine 24-stündige Dialysebereitschaft an sieben Tagen in der Woche garantieren und über 5000 Dialysen pro Jahr durchführen.
Einen Grund für die stetig steigende Zahl der Menschen,die einen Dialyseplatz benötigen,sehen die beiden Pflegekräfte darin,dass durch gezielte Vorsorge und Früherkennung heute viel früher mit der Therapie begonnen wird,als noch vor 10,15 Jahren.
Die Kosten einer Dialysebehandlung liegen bei etwa 300.-- €.Diese Summe kann natürlich variieren und ist von den Medikamenten abhängig,die dem Patienten individuell während der Behandlung verabreicht werden.Aber pro Jahr liegen die Kosten bei 40 bis 45 Tausend Euro pro Patient,was inzwischen rund zwei Prozent der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen ausmacht.
"Das Durchschnittsalter unserer Patienten ist relativ hoch,sie sind daher oft kränker und benötigen eine besonders intensive Betreuung",sagt Birgit S.
"Unsere älteste Patientin ist 88 Jahre und wird bereits seit 13 Jahren von uns betreut.Der jüngste Patient ist 43 Jahre alt."
Neben der medizinischen Therapie ist für die Betroffenen eine individuelle Behandlung,die sich an den Bedürfnissen des einzelnen Patienten orientiert von immenser Wichtigkeit.
Und beide sind überzeugt davon,dass auch das lockere und freundliche Arbeitsklima,das in unserer Abteilung herrscht,und nicht zuletzt die gute Beziehung zwischen Patient und Personal der Verbesserung der Lebensqualität dienlich sind.
Die allgemeine Leistungsfähigkeit eines Dialysepatienten ist aufgrund seiner Erkrankung um bis zu 60 Prozent eingeschränkt.
Viele Patienten leiden durch die Dialyse unter starken Erschöpfungszuständen,was dazu führt,dass körperliche Aktivitäten reduziert werden,Bewegungsabläufe schwerer fallen und letztendlich sogar zum Verlust sozialer Kontakte führen kann.
Eine Dialyse kann selbst beim heutigen Stand der Technik natürlich die Funktion der Nieren nicht vollständig ersetzen und bei langfristiger Behandlung kann es zu einer Reihe medizinischer Probleme kommen,wie z.B.zu Herzerkrankungen,Knochen- und Gelenkschäden,Muskelschwäche,depressiven Verstimmungen und Gefäßverkalkungen.Durch eine optimale Dialysebehandlung und eine zusätzliche Therapie von Bluthochdruck,Fettstoffwechselstörung und Blutarmut,lassen sich diese Spätschäden jedoch deutlich vermindern,bzw. ihr Auftreten verzögern.
"Jeder Dialysepatient kommt einerseits durch seine chronische Erkrankung und andererseits auch durch ihre Therapie in eine völlig neue Lebenssituation". meint Andreas Sch.
Er und seine Kollegin sowie das gesamte Pflegeteam betreuen die Patienten oftmals über mehrere Jahre hinweg.Daraus ergibt sich zwangsläufig der Aufbau einer intensiveren Beziehung,als dies in anderen medizinischen Bereichen der Fall ist.
"Auf den meisten anderen Stationen herrscht heute nur noch 'Durchgangsverkehr',der keinen engeren Kontakt zum Patienten zulässt.Wir hier in der Dialyse wissen dagegen viel mehr über unsere Patienten,ihr privates Umfeld und können so viel gezielter auf Sorgen und Probleme eingehen."
"Ein Leben mit der Dialyse bedeutet für viele Betroffene ein stark eingeschränktes Leben oft bis zum Tod führen zu müssen.Diese Endgültigkeit,die Abhängigkeit von einer Maschine und nicht mehr frei über sein Leben bestimmen zu können,das ist es,was den Menschen oft die größten Probleme bereitet",sagt Birgit S.
Und auf die Frage,ob die Patienten denn gelegentlich ihre Verzweiflung,ihren Unmut und ihre Unzufriedenheit auch am Personal auslassen,meint sie mit einem Lächeln:"Das kommt eigentlich sehr selten vor,aber wenn,dann nehmen wir das auch nicht übel.Es ist viel besser mal seinen Frust herauszulassen,um die Situation besser verarbeiten zu können.Runterschlucken schadet nur.
Aber letztendlich reagiert natürlich jeder Patient anders,geht anders mit seiner Krankheit und der sich daraus ergebenden Problemsituationen um.Wir versuchen uns anzupassen und uns auf jeden einzelnen einzustellen,um ihm die größtmögliche Hilfestellung und Unterstützung zu geben."
Dazu gehört natürlich auch ein bisschen Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen,das sich Schwester Birgit durch ihre lange Berufserfahrung und ihr persönliches sensibles Gespür für Menschen schon lange angeeignet hat.
"Auch ich merke sofort,wenn ein Patient an einem Morgen mal besonders schlecht 'drauf' ist,dann mache ich mir schon Gedanken,wie ich ihm helfen,ihn aufmuntern kann",erzählt Andreas Sch. "Oft reichen schon kleine Aufmerksamkeiten,ein nettes Wort oder ein freundliches Lächeln,um ihm seine Situation erträglicher zu machen."
Und so tragen der jungenhafte Charme und die offene und sympathische Art des 39-jährigen dazu bei,dass sich die Patienten in der Klinik-Dialyse des Prosper-Hospitals nicht nur kompetent versorgt,sondern sich 'gut aufgehoben',sich verstanden,akzeptiert und mit ihren Sorgen und Ängsten nicht alleingelassen fühlen.
"Und dann ist es natürlich auch ein tolles Gefühl,wenn man für seinen Einsatz etwas von den Patienten zurückbekommt,die positive Resonanz und Dankbarkeit spürt.Es muss gar nicht immer ein laut ausgesprochenes Lob sein,auch eine stumme Geste,ein anerkennender Blick sind für uns und das ganze Pflegeteam eine ungeheure Motivation und Ansporn zum weitermachen",sind sich Birgit S. und Andreas Sch. einig.
"Allerdings ist es auch für uns manchmal eine Belastung täglich,kranke,schwerstkranke und sterbende Menschen zu sehen und mit ihnen umzugehen", berichtet Schwester Birgit.
"Es ist wichtig,aber nicht immer einfach,die nötige Distanz zu wahren und nicht alles an sich heranzulassen.Gelingt einem das nicht,läuft man Gefahr,früher oder später psychischen Schaden zu nehmen."
Auf meine Frage,ob sich die beiden denn für ihren verantwortungsvollen Job gerecht bezahlt fühlen?,sehen sich beide an und meinen dann lachend,dass dies an sich schon der Fall sei,fügen aber mit einem Augenzwinkern hinzu,dass es ruhig auch etwas mehr sein dürfe.
Einen Ausgleich zu ihrer verantwortungsvollen Arbeit im Krankenhaus finden die beiden in ihren Hobbys,bzw.bei ihrer Familie.
Während sich Schwester Birgit in ihrer Freizeit gerne mit kulturellen Dingen beschäftigt,Theater und Oper besucht und gerne spannende Romane liest,widmet Andreas Sch. seine freie Zeit vornehmlich seiner jungen Familie - gerade stolzer Vater einer Tochter geworden,bleibt ihm für seine andere Leidenschaft,den Motorrad-Sport allerdings kaum noch Zeit.
Ist die Uhr dann schließlich gegen Mittag vorgerückt,haben es die ersten Patienten fast geschafft.Nach vielen Stunden in denen sie zur Untätigkeit und zum stille liegen gezwungen ans Bett 'gefesselt' waren,damit sich die Punktionsnadeln nicht herausziehen,nach Arztvisite,Medikamentengabe,kontinuierlichen Blutdruckkontrollen und hoffentlich ohne Zwischenfälle,wie Übelkeit,Blutdruckabsturz oder Muskelkrämpfen,sehen sie ungeduldig dem Ende der Behandlung entgegen.
Die letzten Minuten werden zur Ewigkeit,bis die Bildschirmanzeige der Maschine endlich 'Behandlungsziel erreicht' verkündet und auch der letzte Tropfen des gereinigten Blutes in den Körper zurückgeflossen ist.
GESCHAFFT... Nachdem die Punktionsnadeln gezogen und der Arm verbunden ist,dürfen die Patienten aufstehen.
Etwas wackelig auf den Beinen und mit dem Gefühl,die Maschine habe ihnen auch den letzten Funken Energie aus dem Körper gesaugt,werden sie von der Schwester erneut zur Waage geführt.
"Passt genau",sagt Birgit und meint damit,dass das Sollgewicht wieder erreicht ist,die Maschine also das angesammelte Wasser korrekt abgenommen hat.Wie man sich fühlt,wenn einem zwei,drei oder mehr Kilos in ein paar Stunden entzogen werden,kann wohl nur der wirklich ermessen,der es selbst erlebt hat.
Mit einem müden Lächeln,einem Winken oder nur einem stummen Gruß verlassen die Patienten die Station.
DANKE Birgit und Andreas,dass ihr uns die vielen Stunden mit eurem Einsatz erträglich gemacht habt.
Übermorgen sehen wir uns wieder.........
Autor:Klaus Gerlach aus Recklinghausen |
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