Ihnen blieb nur die Flucht: Gewalt gegen Frauen ist ein internationales Problem
Gewalt gegen Frauen ist international. In Deutschland bieten soziale Einrichtungen, zum Beispiel Frauenhäuser, Schutz vor Gewalt. In anderen Ländern bleibt Frauen oftmals nur die Flucht ins Ausland.
Layla ist 31 Jahre alt. Sie stammt aus Aleppo in Syrien. Noch heute fließen ihr die Tränen, wenn sie mit Hilfe von Dolmetscherin Darin Musa erzählt: „Vor Beginn des Krieges ging es mir in Syrien gut. Nach meiner Friseurinnen-Ausbildung arbeitete ich mit sehr viel Freude in einem Modegeschäft.“ Als der Krieg Aleppo zerstört, drängen sie ihre Eltern, die Stadt zu verlassen.
Sie flieht in ein Nachbardorf, hat keine Arbeit und geht darauf ein, dass ihr ein Ehemann vermittelt wird. Das ist auch heute noch üblich in Syrien. „Mein zukünftiger Ehemann lebte in Istanbul und versprach mir drei Monate lang am Telefon den Himmel auf Erden. Zwei Tage nachdem ich ihn in Istanbul eintraf, fand die Hochzeit am 13. Juni 2013 statt“, berichtet Layla. „Kurz darauf erfuhr ich, dass er noch mit drei weiteren Frauen verheiratet war. Er behandelte mich schlecht. Als ich ihm drohte, alles meinen Eltern zu erzählen, durfte ich das Haus nicht mehr verlassen und wurde immer wieder geschlagen.“
Am 14. Dezember 2014 gelingt ihr die Flucht zu ihrem Bruder und seiner Familie, die ebenfalls in Istanbul leben. Sie arbeitet fast drei Monate in einer Schneiderei. Als sie erkrankt, wird ihr gekündigt und sie bekommt für die ganze Zeit keinen Lohn. Sie sagt: „Wer in der Türkei keine Arbeit hat, kann nicht leben.“
Ähnlich ergeht es der Familie ihres Bruders. Sie entschließen sich gemeinsam zur Flucht nach Deutschland, um sich ein besseres Leben aufzubauen. „Meine Eltern haben ein Grundstück in Syrien verkauft, damit wir die Schlepper bezahlen konnten“, berichtet die Kurdin und schildert minutiös ihre gefährliche Flucht, die in einem Kühllaster, eingezwängt mit 50 anderen Flüchtlingen, beginnt. „Anschließend mussten wir zu Fuß einen steilen Berg überwinden. Dann wurden wir in einem Boot mit 200 Menschen übers Meer zu einer unbewohnten griechischen Insel gebracht.
Den Schleppern war jedes Menschenleben egal. Wir irrten ohne Verpflegung circa zehn Stunden umher, bis uns ein Bauer nach Kos brachte. Nach drei Nächten auf der Straße brachte uns ein Schiff nach Athen. Mit dem Zug fuhren wir nach Saloniki, dann mit dem Bus nach Mazedonien. Hier wurden viele Flüchtlinge von der Polizei geschlagen. Nach langem Fußmarsch in der Kälte ohne Verpflegung erreichten wir Serbien. Nach zwei Wochen und vielen weiteren Stationen gelangten wir in einem Kühltransporter nach Deutschland.“ Über die Erstaufnahme in Dortmund kommen sie in eine Flüchtlingsunterkunft im Kreis Recklinghausen. „Hier in Deutschland wurden wir erstmals gut behandelt“, bedankt sich die Kurdin. +
Die Flucht von Medina B. und ihren vier Kindern hört sich zunächst einfacher an. Eine Freundin, die in Frankreich lebt, bezahlt die Schlepper, die die fünf Personen am 8. März in einem Transporter direkt zur Erstaufnahme Dortmund bringen. Ihre Vorgeschichte verläuft umso dramatischer.
Das Unglück der heute 36-jährigen Albanerin beginnt, als ihr Ehemann vor vier einhalb Jahren bei der Arbeit tödlich verunglückt. Damals hat sie bereits sechsjährige Zwillingsmädchen, einen vierjährigen Sohn und ist schwanger. Sie lebt in einem einfachen von ihrem Mann und ihr selbst erbauten Haus in einem kleinen albanischen Dorf und verdient mit Putzarbeiten sieben Euro am Tag.
Nach dem Tod ihres Mannes ziehen Schwiegereltern und Schwager ein und wollen sie zu einer Abtreibung zwingen. Als sie diese verweigert, wird sie von Schwiegervater und Schwager massiv geschlagen und bedroht. Sie soll aus dem Haus, die Kinder aber dort lassen. Nachdem ihre Freundin einen Schlepper beauftragt, gelingt ihr heimlich nachts die Flucht mit ihren Kindern. Sie haben nur, was sie am Körper tragen.
Medina B. ist dankbar, dass hier ihre traumatisierten Kinder in Sicherheit sind und sie der Gewalt entkommen ist. Sie weiß, hier in Deutschland gilt sie als Wirtschaftsflüchtling. Auf die Frage, was sie macht, wenn sie zurückgeschickt wird, übersetzt Dolmetscherin Nazmie Berisa die schüchterne aber bestimmte Antwort: „Ich gehe nicht und wenn ich gehen muss, lasse ich meine Kinder hier. Hier haben sie ein besseres Leben.“
Große Hilfsbereitschaft
Die Hilfsbereitschaft im Kreis Recklinghausen ist groß. Auch W. Spitzer berührt Situation notleidender Menschen. Die 79-Jährige arbeitet ehrenamtlich beim Mittagstisch des Sozialdienstes katholischer Frauen. Hier lernt sie Melina B. kennen. Die junge Mutter möchte als Dank für ihre Aufnahme anderen helfen. Als ihre Flüchtlingsunterkunft durch einen Wasserschaden unbewohnbar wird, bietet W. Spitzer der Flüchtlingsfamilie spontan eine vorrübergehende Unterkunft in ihrer eigenen Wohnung an.
Auf die Frage, ob sie keine Angst gehabt habe, fremde Leute bei sich wohnen zu lassen, erklärt sie: „Nein, überhaupt nicht, Ich kannte Melina und ihre vier Kinder ja bereits vom Mittagstisch. Sie ist nett und hilfsbereit und ihre Kinder wohlerzogen. Mittlerweile sind mir die Kleinen schon fast wie Enkelkinder ans Herz gewachsen. Auch wenn die albanische Familie jetzt wieder in die Flüchtlingsunterkunft zurückkehren konnte, den guten Kontakt und gegenseitige Besuche wird es auch in Zukunft geben, da sind sich alle Beteiligten sicher.
Autor:Petra Pospiech aus Recklinghausen |
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