Dr. Anneliese Schröder führt ein Leben für die Kunst
„Wenn mir etwas gegen den Strich geht, dann kann ich meinen Mund nicht halten“, sagt Dr. Anneliese Schröder. Die 88-Jährige ist immer im Bilde, was sich in Sachen Kunst in Recklinghausen und dem Kreis regt. Das ist nicht verwunderlich. Schließlich bestimmt die Kunst schon ihr ganze Leben.
Unter Umständen sei sie sogar streitbar, sagt Anneliese Schröder mit einem Lächeln. Die Recklinghäuserin weiß, wo von sie spricht. Sie war ab 1953 stellvertretende Leiterin und später Direktorin aller drei städtischen Museen und der Kunsthalle in Recklinghausen.
Die Kunst bestimmte schon seit Kindertagen ihr Leben. Ihr Pflegevater war Kunstfreund und, wie sie sagt, wenn die Mittel reichten, auch ein begeisterter Sammler. So wurde ihr Weg schon in frühen Jahren geprägt.
Doch dieser Weg war beschwerlich und mit vielen Tränen verwunden. „Ich habe nach der Schule zunächst Geopolitik studiert. Doch das war nicht so das Wahre für mich“, sagt die gebürtige Ulmenerin. Also studierte sie fortan Kunstgeschichte in München.
Aus politischen Gründen musste sie doch die bayrische Landeshauptstadt verlassen. „Ich wurde damals in die Ereignisse um die Geschwister Scholl reingezogen.“ Wegen eines unbedacht eingesteckten Stapels Papier, der sich später als regimekritische Flugblätter herausstellte, wurde Anneliese Schröder von der Gestapo verhaftet und verhört.
Auf Grund dieses Vorfalls und weil ihre Münchener Wohnung bei den Luftangriffen der Alliierten komplett ausgebombt wurde, zog es sie nach Freiburg, wo sie nun Archäologie studierte. Doch auch im Breisgau stellten sich ihr immer wieder Schicksalsschläge in den Weg. „Die Not ums tägliche Brot“ zwangen sie immer wieder ihre Studien zu unterbrechen. „Doch ich bin bei der Kunst geblieben“, so Anneliese Schröder stolz. Ihre mündlichen Prüfungen zur Promotion fanden in einem Luftschutzkeller „unter elenden Umständen“ statt, während oben die ersten Bomben auf die Stadt fielen.
Der Liebe wegen zog sie 1948 nach Recklinghausen und heiratete ihren Mann, der aus einer alten Suderwicher Familie stammte. „Ich empfand Recklinghausen damals als sehr kühl im Vergleich zu meiner Heimat der Pfalz. Dort waren die Menschen eher freundlicher, wie an allen Orten, wo es Wein gibt“, sagt Anneliese Schröder und lacht laut.
1954 ergab sich ein trauriger, wenn auch für die Kunsthistorikerin ebenfalls glücklicher Umstand. Der damalige Leiter der städtischen Mussen, Franz Große-Pferdekamp, verstarb plötzlich. „Die Stadt stand hilflos da und wusste nicht, was mit den Mussen passieren soll.“ Kurz nachdem man sie ansprach wurde Anneliese Schröder zunächst für zwei Jahre kommisarische Leiterin. Erst später übernahm sie komplett die Leitung.
Ihr Ziel war es damals die Kunst in Recklinghausen neu auszurichten. So wagte sie mit der Ausstellung „Synagoga“ (1960/61) einen Schritt, der in ihren Augen zu dieser Zeit „eigentlich Wahnsinn“ war. Zum ersten Mal nach dem nationalsozialistischen Pogrom 1938 stellte man in Recklinghausen jüdische Kunst aus. Doch bis diese Ausstellung eröffnet werden konnte, musste Anneliese Schröder viel Kraft aufwenden. „Wir hatten damals keine diplomatischen Verbindungen nach Israel.“
Also reiste Anneliese Schröder in den Nahen Osten und stieß dort auf viele Menschen, die Aversionen gegen Deutsche hatten. „Ich bin viele Abende unter Tränen ins Bett gegangen. Doch zum Glück habe ich auch Menschen getroffen, die mir sehr geholfen haben.“ Als die Ausstellung nach langem Kampf eröffnet werden könnte, wurde Anneliese Schröder von den Reaktion der Recklinghäuser überrascht: „Wir haben keinerlei Bösartiges in der Zeit erfahren. Die Menschen strömten in die Ausstellung und waren erleichtert, dass ein Schritt zwischen Deutschland und Israel getan wurde.“
Anneliese Schröder hatte großen Anteil an der Gründung des Recklinghäuser Ikonen-Museums. Ehre wurde ihr kürzlich bei der Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens zuteil. Sie wurde für ihre Verdienste für die Kunst in Recklinghausen geehrt. Dies sei aber nicht alleine ihr Verdienst gewesen. Viele Menschen haben mit ihr in Recklinghausen in Sachen Kunst hervorragende Arbeit geleistet. Sie sei nur die „Stellvertreterin für ihre Kollegen“, sagt Anneliese Schröder bescheiden mit ruhiger Stimme.
Autor:Martin Meyer aus Datteln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.