Die Heimat im Herzen: Von Beuthen nach Recklinghausen
„Wenn ich beim Einkaufen mal jemanden schlesisch sprechen höre, dann wird mir ganz warm ums Herz“, sagt Peter Laschzok (76). Denn es weckt Erinnerungen an seine Heimat Beuthen in Polen.
Verlassen hat er Beuthen im Jahr 1976, ebenso wie sein Freund Norbert Jurazek (77), mit dem er zusammen auf der Zeche gearbeitet hat.
Bereits 1944 haben Millionen Menschen die ehemaligen deutschen Gebiete Schlesien, Ostpreußen oder Pommern in Richtung Westen verlassen - manche freiwillig, andere wurden vertrieben. „Die 40er Jahre waren schwierige Zeiten für Deutsche in Beuthen, aber wir wollten bleiben. Es konnten doch nicht alle einfach die Stadt verlassen“, so die beiden Männer einhellig.
Ihre Arbeitskraft war auf der Zeche gefragt, nicht gerne gehört hingegen war die deutsche oder schlesische Sprache. „Wenn wir uns morgens mit einem ‚Glück-auf‘ begrüßten, dann gab es teilweise abschätzige Blicke“, erzählt Jurazek. „Man fühlte sich deutsch, durfte es aber nicht sagen.“ Gelebt wurde die eigene Kultur dann mit Freunden und Familie in den eigenen vier Wänden. „Unter Tage, wenn wir in der Überzahl waren, haben wir aber auch schon mal das eine oder andere deutsche Lied geschmettert, da mussten die Polen einfach mitmachen“, lacht Peter Laschzock.
1976 folgten die beiden Männer dann doch ihren Familien, die schon früher nach Recklinghausen gegangen waren. Eingelebt hatte man sich schnell. „Nach fünf Tagen in Recklinghausen haben wir direkt auf der Zeche hier angefangen.“ Schnell wurde die Stadt im Vest zur zweiten Heimat. „Unsere erste Heimat bleibt trotzdem Beuthen. Damit verbinden uns so viele Erinnerungen und Erlebnisse, die einfach bleiben. Wie die erste Liebe, Hochzeit...“
Ähnlich geht es der 45-jährigen Anna Friederich. „Beuthen ist meine Heimat, aber Recklinghausen mein Zuhause.“ Im Alter von 19 Jahren kam sie mit ihren Eltern nach Recklignhausen. „Somit habe ich meine prägenden Jahre nun einmal in Beuthen verbracht. Aber in Recklinghausen fühle ich mich wohl, hier sind meine Familie und meine Freunde.“
Ihr Start in der neuen Stadt war etwas schwieriger als der der beiden Männer. „In der Schule war Deutsch immer noch verboten. Mein Vater sprach noch gut Deutsch, meine Mutter und ich mussten erst einmal einen Sprachkurs besuchen.“ Dieser wurde für die Spätaussiedler prompt organisiert. „Ich denke aber auch, Integration hängt vor allem von der eigenen Motivation ab, ob ich wirklich dauerhaft irgendwo bleiben will“, so Friederich. Und das wollte die Familie. Jahrelang stellte man vergeblich Ausreiseanträge. Die Genehmigung verhieß dann endlich den Schritt in ein besseres Leben - auch wegen der politischen Situation.
Neben all den Erinnerungen an die Heimat ist den Aussiedlern aus Beuthen auch ein großes Gemeinschaftsgefühl geblieben. „Die Schlesier an sich sind schon sehr traditionell“, so Friederich. In Recklinghausen hat man sich im Heimatkreis Beuthen organisiert, der auch regelmäßig sein großes Heimattreffen in der Vestlandhalle organisiert.
Autor:Melanie Giese aus Recklinghausen |
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