Chrom, Glas und kitschige Beleuchtung: Petra und Jupp-Willi Reutter sammeln seit 30 Jahren Musikboxen

Die Sammler Jupp-Willi und Petra Reutter leben inmitten von Musikboxen.
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„Wir leben zwischen den Boxen“, sagt Jupp-Willi Reutter. Seit rund 30 Jahren sammeln der 67-jährige Recklinghäuser und seine Frau Petra (63) Musikboxen. Rund 100 besitzen sie mittlerweile; gut die Hälfte davon befindet sich in ihrem Haus und ersetzt im Erdgeschoss die meisten Möbel.

Musikboxen stammen „aus der Zeit, als es nicht selbstverständlich war, dass die Musik, die man hören wollte, im Radio zu hören war“, erklärt Jupp-Willi Reutter. 1973 kaufte er seine erste Musikbox, einen Tomomat, die amerikanischste unter den deutschen Boxen. Einige Jahre später fing das Ehepaar dann an, die Automaten intensiv zu sammeln. Primär US-Boxen haben es den beiden angetan, vor allem aus den 1950er Jahren – Geräte von AMi, Rock-Ola, Seeburg und Wurlitzer. „Das sind die maßgeblichen Hersteller von sammlungswürdigen Boxen“, so Jupp-Willi Reutter.
Dabei war es gar nicht die Musik, die die Reutters an den Geräten faszinierte, sondern die Optik. Das ausgefallene, verrückte Design der 50er Jahre sei ein Ausdruck von Jugend und Freiheit, erklärt Jupp-Willi Reutter. „Chrom, Glas und kitschige Beleuchtung – das macht fröhlich“, ergänzt Petra Reutter. „Viel wurde beim Design vom Auto abgeguckt“, so ihr Mann.
Andere Sammler, mit denen sie sich über die verschiedenen Modelle austauschen konnten, fanden sie über Zeitungsanzeigen. „Wir haben Papierbilder hin- und hergeschickt“, erinnert sich Petra Reutter. „Daraus sind wunderbare Freundschaften entstanden.“

1997 wurde der Musikboxenverein gegründet

Heute funktioniert der Austausch ganz anders – nicht zuletzt wegen des Internets. Aber auch wegen des Musikboxenvereins, der 1997 in Herne gegründet wurde und dessen Vorsitzender Werner Mersch zwar aus Steinfurt stammt, der aber ansonsten fast nur in Recklinghäuser Hand ist. Petra Reutter ist Schatzmeisterin, Jupp-Willi Reutter fungiert als Sprecher, und ihr Sohn Paul ist zweiter Vorsitzender.
354 Mitglieder hat der Musikboxenverein mittlerweile. Sie leben in Deutschland und acht weiteren Ländern. Regelmäßige Treffen gibt es daher nicht, aber einmal im Jahr findet in Herne im Veranstaltungszentrum Gysenbergpark eine öffentliche zweitägige Ausstellung statt. Die nächste wird am 3. und 4. November sein.
1999 besuchte der ehemalige WDR-Hörfunkmoderator Roger Handt die Ausstellung, um in seiner Sendung „Yesterday“ erstmals außerhalb des Studios zu berichten. „Das war natürlich ein Highlight für uns als Verein“, erzählt Petra Reutter.
Der Verein berichtet aber auch selbst, nämlich mithilfe der zweimal jährlich erscheinenden Mitgliederzeitschrift „Die Musikbox“. Jupp-Willi Reutter sowie weitere Jukebox-Fans schrieben zum Beispiel Reportagen über Besuche auf Börsen, im größten Musikboxenmuseum in Tschechien und bei Herstellern in den USA.
Außerdem finden sich immer wieder Tipps zum Restaurieren der Boxen in dem Heft. Denn wenn man eine Musikbox kauft, die rund 60 Jahre alt ist, „muss alles überarbeitet werden“, erklärt Jupp-Willi Reutter. Die Boxen, die er und seine Frau kaufen, müssen nicht funktionieren – „Das ist kein Kriterium“ –, aber in einem guten Zustand müssen sie schon sein. „Dann kann man sie perfekt wieder hinkriegen“, so Petra Reutter.

Reinigung per Ultraschall

Dabei wird die Box komplett auseinandergenommen, per Ultraschall gereinigt, Kabel ausgetauscht, Lautsprecher und Verstärker ersetzt. Und wenn die Musikbox dann wieder wie neu chromsilbern blitzt und bunt blinkt, wird sie mit der Musik ausgestattet. „Die Auswahl ist gigantisch“, verdeutlicht Jupp-Willi Reutter, dass kein Mangel an Singles besteht.
Dabei denken sich die Reutters ihr eigenes Musikprogramm aus. So ist eine Box nur mit Liedern von Connie Francis bestückt; eine weitere wird eine reine Elton-John-Box; und ein anderes Modell, das Continental heißt, enthält nur Songs, in deren Text ein Ort oder ein Land vorkommen. Für das Modell Chantal dagegen hat Petra Reutter ausschließlich Lieder ausgewählt, die einen Vornamen im Titel haben. „Zum Beispiel ,Martin' von Mireille Mathieu und ,Michelle' von den Beatles.“
Bei dem Sound, der aus den Musikboxen kommt, kann jede Stereoanlage nur vor Neid erblassen. Der Klang ist wesentlich satter und füllt mühelos das Haus der Reutters. „Daraus erklärt sich die Faszination und die Beliebtheit der Musikboxen“, erläutert Jupp-Willi Reutter, dass es den Sammlern doch nicht nur auf die Optik ankommt.

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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