Alltags-Sexismus
Sexistischer Shitstorm mal näher betrachtet (Teil 2)

Zum Teil 1 bitte hier klicken.

Wer ist Sexist und Profiling der Shitstorm-Teilnehmer

Zunächst sei erwähnt, dass jeder sich mal verbal vergreifen kann. Wir sind Menschen und keine perfekten Wesen. Wenn Herabwürdigungen und Beleidigungen zu einer entsprechenden Haltung führen, dann ist man auf dem besten Wege ein Sexist zu sein. Was mich an diesem Shitstorm so interessierte: Wer steckt hinter diesem Verhalten? Also nahm ich mir die Zeit und schaute die Profile der Akteure bei Facebook an.

Es überraschte mich, dass über 71% der Männer der Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren angehören. Überwiegend sind sie Akademiker. In diesem Falle haben sie ihren Schwerpunkt in der Kultur. Das liegt jedoch auch an Klaus, der in der Kulturbranche sein zu Hause findet. Als Facebooknutzer bindet man überwiegend die Menschen an sich, von denen man Schnittstellen erwartet.

Bei dem Ergebnis des Profilings erinnerte ich mich an einen Artikel, den ich über „alte-weiße-Männer“ gelesen habe. Denn darin heißt es:

„Alte weiße Männer“ meint im Allgemeinen wirklich alte Männer mit weißer Haut, die über 45 Jahre alt sind. Jedoch sind das angeborene Merkmal der Hautfarbe und das Alter nicht genug. „Alte weiße Männer“ meint Männer aus der westlichen Welt mit einer bestimmten Weltanschauung und die auf bestimmte Arten privilegiert sind. Sie haben z.B. einen höheren sozialen Status, bessere Bildung genossen und wurden im Berufsleben bevorzugt behandelt. Diese alten weißen Männer besitzen Wohlstand und sind konservativ eingestellt.“

Aber was ist mit den Frauen? Auch Frauen können Sexistinnen sein. Immerhin haben sich auch zwölf Frauen an diesen Shitstorm beteiligt. Gegen eine Frau! Wäre es vorstellbar zwölf Frauen verfassen einen mehr DIN A 4-seitigen Shitstorm gegen einen Mann? Auch diese Entwicklung würde ich sehr gerne analysieren, sollte sie denn irgendwo existieren. Zum Thema Frauen im Sexismus werde ich mich an anderer Stelle noch mal äußern.

Was treibt nun diese Männer an, sich dermaßen in eine Dynamik einzubringen? Klaus schreibt:

„Herrgottnochmal, das sollte höherer Blödsinn sein!“

Höherer Blödsinn, indem man eine Situation beschreibt, in der eine Frau von einem Mann genommen wird. Klaus will gebildet wirken und gibt seine Studiengänge bei Facebook preis. Das ist auch in Ordnung. Sein höherer Blödsinn jedoch findet zu Lasten des weiblichen Geschlechts statt und soll intellektuell wirken. Wenn dies der Maßstab ist, erklärt sich auch, wieso weitere Männer dieses Niveau aufgreifen und dynamisieren.

Ein Mann kommentiert mit französischem Können:

„Ertappt! Die Explizit erwähnten 69 (als Lebensalter kaschiert), früher swasontnöff genannt – ist natürlich hochgradig sexistisch. Einem Buch, „Glück zu zweit“ oder so entnommen `an jedem Bahnhof kann man es bekommen.“

Viele Männer solidarisieren sich. In diesem Fall wird der Sexismus noch mal verstärkt. Sexisten definieren sich über ihre Stellung in der Gesellschaft. Und als selbstbenannte Intellektuelle glauben sie, das auch zu sein. Überheblichkeit ist ihnen nicht fremd. Leistung, Macht, Status und Ansehen ist ihnen wichtig. Und wenn ihnen das genommen wird, sind die Reaktionen heftig. Genau wie in dieser Szene bei Klaus. Gerne wird hierbei auch die Grenze des guten Geschmacks überschritten. Man ist ja unter sich, den Akademikern. Altherrenwitze sind doch üblich. Da lacht man auch zusammen.

Bei Facebook kommt auch die Filterblase zusammen, welche die Bestätigungsmeinung bedient. Somit wird man von Eindringlingen geschützt, die diese Bestätigungsmeinung stören könnte. Dennoch wagte ich mich, dieser Meinung zu widersprechen. Ich lachte nicht mit und zeigte auf. Das mögen sie nicht. Diese alten Herren.

Was immer wieder in solchen Auseinandersetzungen auftaucht sind Sätze wie dieser von Klaus:

„Muss ich denn bei allem, was ich hier bringe überlegen, ob ich jemanden verletzt haben könnte?“

Die Verunsicherung ist perfekt. Wie ich eingangs schon schrieb, kann es jedem mal passieren, dass was Sexistisches herausrutscht. Aber wenn sich eine Haltung daraus entwickelt, kann man zum Sexisten werden. Ich kann nicht sagen, ob Klaus ein Sexist ist, dazu kenne ich ihn zu wenig. Aber sein Verhalten und sein Umfeld zeigt, dass er stets damit zu tun haben muss. Und da seine Bestätigungsmeinung nicht durchbrochen werden darf, ist er nun verunsichert, ob ihm das noch mal passieren könnte. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er gar nicht weiß, was Sexismus ist.

Viele Sexisten sehen sich nicht so. Auch dazu ein Beispiel aus dem Shitstorm:

„Jetzt wird Ihr Geschreibsel echt peinlich. Sie wünschen eine Debatte über Sexismus, aber ohne Männer. Die sollen still sein, in sich gehen und Sie loben. Mit Verlaub, das ist sowas von lächerlich…. Und ganz nebenbei, ich persönlich bin absolut für Gleichberechtigung in allen Bereichen, das ist mehr als überfällig. Und ich bin gegen Sexismus. Und für gendern. Aber ich bin auch dagegen, dass verbitterte Frauen Debatten, was sexistisch ist gegen Männer und ohne Männer führen wollen. Wir leben gemeinsam, normale Menschen reden gemeinsam und das, was Sie hier aufbieten wirkt ehrlich gesagt extrem arrogant und daher nur peinlich.“

Hier findet als perfektes Beispiel der Androzentrismus statt, den ich schon unter „Was ist Sexismus“ beschrieben habe. Zunächst sei erwähnt, dass ich mit keinem Wort irgendeinen Mann aus der Diskussion ausgeschlossen habe. Diese heftige Reaktion, und das ist nicht die einzige von diesem Kommentator, mag andere Gründe haben. Er ist gegen Sexismus aber nur, wenn Frau sich den Stereotypen entsprechend benimmt.

Auch hier ist seine Verunsicherung erkennbar. Er nennt mich verbittert, arrogant und peinlich. Seine Strategie ist es, zu erniedrigen. Er möchte wieder aus seinem Schleuderkurs heraus, hat den Halt verloren. Meine Argumente bringen ihn aus seiner Bestätigungsmeinung und damit kann er nicht umgehen. Daher muss diese Verunsicherung erniedrigt werden, damit er sich wieder sicher und erhöht fühlt. Benimmt sich so jemand, der gegen Sexismus und für Gleichberechtigung ist?
Davon sollte Frau sich nicht verunsichern lassen. Denn das passiert schon auf der anderen Seite beim Dialogpartner. Es ist schade, dass in so einer Situation kein Boden der Sachlichkeit mehr zu erreichen ist.

Ein kleines Schmankerl am Ende dieses Abschnittes gibt es noch. Ein Kommentator schrieb:

„Von einem Österreichischen Arzt habe ich den Begriff „senile Witzelsucht“ gelernt. Warum kann man solche Limericks nicht einfach unter diesen Begriff subsumieren – und gut ist?“

Als Definition zur Witzelsucht findet man im Netz:

„Als Witzelsucht wird in der Medizin ein expansiv-joviales Verhalten beschrieben, das mehrheitlich bei einer organischen Schädigung des Gehirns – insbesondere des Frontalhirns – auftritt (Frontalhirnsyndrom). Der Betroffene ist dazu verleitet, ständig unangebrachte Witze oder Geschichten zu erzählen."

Wieso Sexismus?

Eine Frage im Shitstorm wiederholt sich immer und immer wieder:

„Wieso Sexismus? Wird hier wer auf Grund seiner/ihrer Geschlechtszugehörigkeit reduziert?“

Ja das passiert. Ein bekanntes Model wird in diesem Limerick als eine Frau herabgewürdigt, mit der Mann Sex haben kann. Wie ich schon beschrieb, nennt man dies „Slutshaming“. Verstärkt wird diese Herabwürdigung tatsächlich noch von einer Frau. Sie kommentiert:

„Frau X (Anm.: Das Model), die für und durch und wegen ihres Körpers berühmt ist, darf nicht auf ihren Körper reduziert werden?“

Nein, darf sie nicht. Dieser Kommentar verhält sich ähnlich wie ein Zuspruch zu einer Vergewaltigung, weil Frau einen Minirock trug. Es wird also eklatant erkennbar, dass Sexismus in unserer Gesellschaft noch immer zu wenig erkannt wird. Besonders Frauen sollten hier eine Sensibilität entwickeln.

Weiter heißt es in ihrem Kommentar:

„Das Erwähnen von Frauen oder sogar das Witzemachen über Sexualität ist kein Sexismus, dieser ist die Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes. Wo das hier in diesem Beispiel der Fall ist, täte mich ja schon interessieren.“

Immerhin wird erkannt, dass Sexismus Diskriminierung ist. Leider wird dies hier in dem konkreten Beispiel nicht in Zusammenhang gebracht.

Ein weiterer männlicher Kommentator äußert sich:

„Vor allem ist die in dem Werk geschilderte Frau sehr selbstbewusst und autonom in der Wahl ihrer Sexualpartner (…).“

Hier finden wir uns im Bereich des Mansplaning wieder. In der Definition heißt es:

„Mansplaining bezeichnet herablassende Erklärungen eines Mannes, der davon ausgeht, er wisse mehr über den Gesprächsgegenstand als die – meist weibliche – Person, mit der er spricht.“

Es wird also nicht besser. Nicht nur, dass der erwähnte Limerick sexistisch ist, so folgen weitere entsprechende Kommentare. Es wird nachvollziehbar, wieso so viele Personen auf den Hinweis, dass es sich hierbei um Sexismus handelt, reagieren. In ihrem Leben verhalten sie sich ähnlich und erkennen diese Form von Diskriminierung gar nicht. Ihnen scheint nicht bewusst zu sein, dass ihr Frauenbild recht schräg an ihrer Lebenswand hängt. Und niemals hat es ihnen jemand gesagt.

Schauen wir jedoch zurück auf das Profiling, so haben wir es überwiegend mit Akademikern zu tun, die in entsprechenden Führungsebenen zu arbeiten scheinen oder in Gremien sitzen, die Entscheidungen treffen, Abhängigkeiten schaffen, Beziehungen haben, die sich auf andere Menschen auswirken können. Sie scheinen Macht zu haben. Und da wundert es nicht, dass ihnen keiner sagt, dass sie unanständig sind.

Im Netz oder auch in der Realität versuche ich stets das Thema ein wenig zu vertiefen und dafür zu sensibilisieren. Zumeist funktioniert das ganz gut. Mann fühlt sich ertappt und lässt das Thema erst mal ruhen oder stellt direkte Fragen. In diesem Fall verlief der ganze Vorgang nur schräg. Binnen kürzester Zeit waren bereits sechs Männer in den Kommentaren unterwegs, die signalisierten, keine Inhalte erfahren zu wollen. Zuweilen versuchte einer der Teilnehmer den Spieß in meine Richtung umzudrehen und mir Sexismus zu unterstellen. Er schrieb:

„Für mich ist es eine Form von Sexismus, wenn eine Frau für andere Frauen entscheidet, warum diese lachen oder nicht. Das für andere zu beurteilen ist zusätzlich auch ganz schön arrogant.“

Ein weiterer Kommentar zeigt mir, dass keine rationale Ebene mehr zu erreichen ist, will man auf das Thema in diesem Fall genauer eingehen.

So wurde geschrieben:

„Klaus, wenn Du ein Schlüsselwort verwendet hast (egal, in welchem Kontext), bist Du halt dran. Künftig wird man überall lesen „…der Sexist Klaus…“.
Außerdem bist Du aufgrund deiner Identität (Hautfarbe, Alter und Geschlecht) sowieso ein Rassist und Sexist, auch wenn Du es gar nicht weißt. Jedes Argumentieren macht Dich noch verdächtiger. Und wenn Du etwas nicht-sexistisches sagst, dann tarnst Du Deine wahre Haltung umso perfider. Du hast nur die Möglichkeit, Dich selbstbezichtigend in den Staub zu werfen und um Abbitte zu winseln. Dann wird man die Folter vielleicht etwas verkürzen. Aber Vergebung ist für Deine Erbsünde nicht möglich.“

Auf diesem Niveau ist eine erkenntnis- und lösungsorientierte Debatte hinfällig.

Fortsetzung folgt mit den Themen:

Methoden des Sexismus‘ und Mobbing
Die Rolle der Frauen
Wie mit Sexismus umgehen?

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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