35 Jahre Chirurgie
Prof. Dr. Martin Büsing blickt auf bewegte Zeiten zurück

Prof. Dr. Martin Büsing mit einer Schere seines ehemaligen Chefs aus Bochum – heute ein Talisman für ihn. | Foto: Klinikum Vest
  • Prof. Dr. Martin Büsing mit einer Schere seines ehemaligen Chefs aus Bochum – heute ein Talisman für ihn.
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„Ein guter Chirurg weiß, wie man operiert. Ein besserer Chirurg weiß, wann man operiert. Ein exzellenter Chirurg weiß, wie man eine Operation verhindert.“ Genau das hat Prof. Dr. Martin Büsing in all den Jahren als Chirurg gelernt – jetzt im November blickt er auf sein 35-jähriges Jubiläum und auf bewegte Zeiten zurück.
An die ersten Tage direkt nach seiner Approbation erinnert er sich noch genau. Damals musste er an Nikolaus sofort einen Notarztwagen fahren. Einen Monat nach der Approbation wäre das heute undenkbar. Damals jedoch seien die Qualifikationen für den Rettungsdienst gerade erst etabliert worden.

Seit 23 Jahren Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Vest

Überhaupt musste Prof. Büsing, der seit 23 Jahren Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Vest mit Standort Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen ist und davon die ersten beiden Jahre parallel am Bochumer Uniklinikum tätig war, in seiner langen Laufbahn mehrfach stahlharte Nerven beweisen.
In seinen Anfangszeiten in Tübingen etwa, um 1985 herum, als Gallenblasenpatienten mit einer offenen OP – aus heutiger Sicht – die falsche Behandlung erhielten. Die Betroffenen bekamen damals eine Magensonde, die mindestens fünf Tage liegen blieb. „Es gab zwar keine Evidenz dafür, aber die ganze Welt hat das damals so gemacht“, sagt Prof. Büsing rückblickend. Auch die Heparin-Präparate von einst hätten nicht die Wirkung wie heutige Produkte gehabt. Die Folge: Lange Liegezeiten, Thrombosegefahr. Der Patient hat sich krank gefühlt. Und er hatte ja auch Schmerzen.“ Das Schlimme: Vor Jahren meinte man, man habe schon alles gesehen, wisse schon alles. Bis dann die minimal-invasive Chirurgie ihre Sternstunde feierte. Heute gehe man noch einen Schritt weiter:

„Fast Track-Chirurgie“

Bei der sogenannten „Fast Track-Chirurgie“, ein Konzept mit dem Patienten nach dem Eingriff eine schnelle Genesung erlangen, setze man nicht nur auf schnelle Mobilisation, sondern auch auf zügige Flüssigkeitszufuhr nach der OP. Zudem ist inzwischen, bevor das Messer bei einer OP angesetzt werde, ein sogenanntes Team-Timeout verpflichtend. Dabei werde laut Prof. Büsing eine Checkliste wie bei der Flugzeugwartung abgearbeitet, in die alle Mitwirkenden, auch die Anästhesisten, mit einbezogen würden. Interdisziplinarität sei ohnehin immer mehr gefragt.

Nachwuchsprobleme in der Chirurgie

Doch nicht immer sei alles nur besser geworden: So kämpfe die Chirurgie heute mit Nachwuchsproblemen, die es früher so nicht gab. Und auch das Arbeitszeitgesetz sei ein zweischneidiges Schwert, sagt der gestandene Mediziner. Früher etwa wurde nonstop von morgens an und die Nacht durchgearbeitet. Man verdiente sein Geld über die Dienste und die Präsenzzeit. Das ist heute anders. „Die Patienten wünschen sich einen ausgeschlafenen Arzt, aber eben möglichst auch immer denselben. In dieser Hinsicht stehen wir vor einer unlösbaren Aufgabe“, so Prof. Büsing.
Er sagt das recht nüchtern, doch genau das ist sein Beruf – oder vielmehr seine Berufung – gerade nicht. Emotional mitgenommen etwa habe ihn vor Jahren ein Fall, bei dem er eine Anfang 20-jährige Schwangere im vierten Monat mit einer Milzruptur behandelte, die drohte, in einen Blutungsschock zu gehen.

Not-OP beim eigenen Sohn

Und natürlich die Not-OP, die er bei seinem eigenen Sohn, wegen eines plötzlichen lebensbedrohlichen Spontanpneumothorax stemmen musste. „Auf der Fahrt hierher habe ich überlegt, was ich denn jetzt im Auto nehmen kann, wenn nicht schnell genug eine Drainage gelegt werden kann. Einen Schraubenzieher vielleicht, oder einen Kuli.“ Gebrauch musste er davon zum Glück nicht machen, aber seinem Sohn das Leben zu retten, hat schon dafür gesorgt, dass er die Frage „Hat sich in 35 Jahren Chirurgie wirklich alles verändert oder ist auch etwas geblieben?“ mit einem Ja beantworten kann: Der Enthusiasmus, Menschen bestmöglich helfen zu können und junge Ärzte auszubilden, das hat bis heute Bestand. Selbst wenn das bedeutet zu wissen, wie man eine OP am besten verhindert.

Autor:

Lokalkompass Recklinghausen aus Recklinghausen

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