Frauen in der Arbeitswelt
Wieso bin ich wie Petra Pau?
Es wird Zeit, dass wir Frauen mal erzählen, was uns so im Arbeitsalltag mit Männern passiert, die uns blockieren oder unsere berufliche Zukunft verhindern. Vielleicht erfahre ich auch so Geschichten von anderen Frauen. Wir müssen reden!
Im Jahr 2004 wurde ich entlassen, weil ich eine selbst finanzierte Weiterbildung bestanden habe und somit nun überqualifiziert sei. So passiert in einem mittelständischen patriarchisch geführten Familienunternehmen. Aber daraus resultierend hatte ich nun mehr Zeit. Zeitgleich entwickelte sich das Thema „Hartz IV“ und somit mein Interesse dafür.
Recht schnell konnte ich erkennen, dass dieses Gesetz Unruhe in unsere Gesellschaft bringen wird und dass die gesellschaftliche Entwicklung nach rechts zu erwarten sei. Leider sollte ich Recht behalten. Man las in den Medien von einer Bewegung, die sich WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) nannte. Diese Gruppe wollte sich gegen dieses geplante Hartz IV stellen. In Essen trafen sie sich im April 2004 zum ersten Mal und ich fuhr hin.
Politisch war ich bis dahin überhaupt nicht aktiv. Aber an diesem Abend traf ich noch drei weitere Personen aus Gelsenkirchen und wir verabredeten uns, eine Ortsgruppe zu gründen. Und es kam, wie es geahnt war: Hartz IV wurde verabschiedet und sollte 2005 scharf geschaltet werden.
Mein Gerechtigkeitsempfinden lässt mich auch noch bis heute gegen dieses unsägliche Gesetz kämpfen. Nun hatte ich ein wenig Zeit, meine politischen Fähigkeiten zu erlernen, Pressearbeit zu machen, Treffen zu organisieren und mit anderen Ortsgruppen zu korrespondieren. Blöd, wenn man mich in eine Erwerbslosigkeit schickt. Dann mache ich solche Sachen.
Meine Bewerbungen liefen natürlich parallel weiter, waren jedoch keine tagesfüllenden Aufgaben. Aber im November 2004 bekam ich dann eine Stelle bei einer kommunalen Tochter im Ruhrgebiet.
Im Bewerbungsgespräch wurde mir eine Frage gestellt, die mich hat aufhorchen lassen. Mein zukünftiger Vorgesetze fragte mich: „Wollen Sie Karriere machen?“ Nun war es so, dass ich Controllerin bin und dort saß, eine Stelle als Sekretärin haben zu dürfen. Man muss ja erst mal den Fuß in die Tür bekommen. Dann weitersehen. Unwahrheitsgemäß antwortete ich: „Nein.“ Was dachte sich dieser Mann nur? Wollte er eine ausgebildete Fachkraft billig einkaufen? Meine Vermutung dahingehend war richtig, wie ich später erfahren musste.
Ich nahm also meine Tätigkeit auf und das Thema WASG war mittlerweile medial in aller Munde. Eine neue politische Konkurrenz zur SPD sollte sich da bilden. Ich war so naiv. So glaubte ich, Betriebsrats MitarbeiterInnen stünden für gute Arbeit. Und ich dachte mir nichts dabei, mich mit ihnen zu unterhalten und mitzuteilen, dass ich mit der WASG eine Möglichkeit sehe, gegen dieses unsägliche Hartz IV vorzugehen. Ich wusste nicht, dass Menschen andere Menschen vernichten wollen, obwohl sie in die gleiche Richtung schauen. Was wusste ich schon von politisch organisierten Personen? Nichts!
Erst wenige Monate bei den Stadtwerken, ereignete sich Folgendes:
Ein Vertrauensmann von Ver.di wünschte einen Termin mit meinem Vorgesetzten. Da ich die Sekretärin war, gab ich ihm auch noch den Termin und schaufelte damit mein eigenes Grab in diesem Unternehmen. Ohne zu wissen, was hinter dieser Tür, im Büro meines Vorgesetzten passierte, machte ich einfach weiter mit meiner Arbeit. Als dieser Vertrauensmann von Ver.di verschwand, zitierte mich mein Vorgesetzter in sein Büro. Um ihn etwas näher zu beschreiben kann man nur sagen, dass er sich köstlich amüsierte, dass seine Untergebenen ja so dumm sind. Ein Mitarbeiter wurde als „ach, der ist doch nicht intellektuell“, bezeichnet. Sein Menschenbild war unter allem Niveau.
Ich saß nun in seinem Büro, wusste gar nicht wieso. Da sprach er Folgendes an: „Sie sind bei der WASG?“ Ich bejahte das, wieso auch nicht. Immerhin befinden wir uns in einer Demokratie, in der man eine freie Meinungsäußerung haben darf. Dazu befand ich mich auch noch im öffentlichen Dienst. „Herr Jansen (der Vertrauensmann) hat Angst, dass Sie eine zweite Petra Pau werden.“ Ich war wie vor dem Kopf gestoßen. Was ging hier nur ab? Keine Ahnung, was mein Vorgesetzter mit diesem Gespräch bewirken wollte. Von diesem Zeitpunkt an war jedoch zu erkennen, dass sich sein Verhalten mir gegenüber schlagartig veränderte.
Der Arbeitsalltag wurde nach und nach unerträglicher. Mein Vorgesetzter gab mir keine Informationen und Arbeit mehr, ich konnte am Telefon keine Auskunft geben und schlichtweg nicht mehr richtig meinen Job machen. Ich geriet immer mehr in Konfliktsituationen, weil die Menschen, die den Weg zu meinem Chef wünschten, natürlich über mich einen Termin oder auch Unterlagen bekamen. Aber ich bekam nichts mehr mit und wurde komplett ignoriert.
Meine Kollegin, eine Teilzeitkraft, wurde mit Arbeit zugeschüttet. Hat sie sich gewehrt? Nein! Schön die Klappe gehalten hat sie. Sie fand das alles nicht schön, aber gesagt hat sie nichts. Bedauert hat sie mich, dass ich so behandelt werde, gesagt hat sie nichts. Dann wurde ich auch aus Teambesprechungen ausgeschlossen. Die Tür hinter mir war zu und meine Kollegen im Büro meines Chefs.
Hat jemand was gesagt? Nein! Schön fanden sie es nicht, aber gesagt hat niemand was. Diese dadurch entstehende Multikonfliktsituation hält man nicht aus. Ich fragte Kollegen, wer mir denn helfen könnte. Ich wurde gemobbt.
Rückblickend und mit ein wenig Abstand sind Indikatoren erkennbar, die zeigen, dass mein Vorgesetzter absolut falsch eingesetzt wurde.
Seine Frage, ob ich Karriere machen möchte, war seine Angst, unterlegen zu sein. Als dann noch mein politisches Engagement zur Sprache kam, war ihm sehr unwohl, weil mir Arbeitnehmerrechte wohl nicht unbekannt sind. Ich war nicht die Unwissende, die er sich für diese Stelle gewünscht hatte. Ich war eine selbständig denkende Person, die in eine direkte Kommunikation gehen kann.
Als ich nach einiger Zeit Bildungsurlaub beanspruchte, unterstellte er mir: „Dann tragen Sie sich nur in die Liste ein und machen sich eine schöne Woche.“ Bildung und Frau ist nicht in seinem Interesse. Ich entsprach als Frau nicht seinem Wertesystem und lieferte keine Stereotypen. Ein Kollege sagte ganz zu Beginn zu mir: „Das wird nicht lange gutgehen zwischen Euch. Dafür ist er viel zu schwach.“
Und meine Kollegin? Sie muckte nicht. Sie erzählte, dass sie für ihre Nachbarn zum Geburtstag kränzte, bastelte und von Hartz IV hätte sie noch nie was gehört. Da müsse sie mal ihren Mann fragen. Ich war verloren! Wir brauchen Feminismus! Aufklärung!
Wäre mir das Mobbing passiert, welches noch fünf Jahre andauern wird, wäre ich ein Mann? Nach heutigem Wissen darüber, wie Männer oft in Führungspositionen kommen, würde ich wohl eher sagen: Nein!
Unternehmen sind heute noch überwiegend patriarchisch geführt. Woran liegt das?
„Das Bürgerliche Gesetzbuch schrieb es vor: Wollte eine Frau arbeiten, musste das ihr Ehemann erlauben. Erst 1977 wurde das Gesetz geändert.“
Erst 1977! Da war ich schon ein paar Jahre auf der Welt. Dieser Vorgesetzte war zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt und hat schon eine Erziehungskultur erfahren die entsprechend gewesen sein muss. Auch die anderen Führungskräfte, die an diesem Mobbing mitwirkten, lebten schon in einer Zeit, in der Frauen den Ehemann bitten mussten, arbeiten gehen zu dürfen.
Und auch seit 1977 hat sich die Welt nicht schlagartig verändert. Die Position der Frau im Berufsleben ist überdurchschnittlich untergeordnet. Und das erklärt, wieso mein Chef nicht damit zurechtkam, dass ich einen eigenen Kopf zum Denken habe. Und ob ich eine Karriere machen möchte oder nicht, geht ihn mal gar nichts an. Aber recht schnell hat er mit dem Mobbing bewirkt, dass ich nicht in der Lage war, meine Arbeit erledigen zu können. Somit hat er aktiv gegen eine Karrieremöglichkeit gearbeitet.
Im Businessinsider ist zu lesen:
„In einem Artikel für die Harvard Business Review beschreibt der Forscher, dass wir als Gesellschaft unfähig sind, zwischen Selbstüberzeugung und tatsächlichem Können zu unterscheiden. Die meisten Manager sind durch ein starkes Selbstbewusstsein gekennzeichnet. Ein Attribut, das deutlich öfter bei Männern auftritt als bei Frauen. Den einzigen Vorteil, den Männer in Bezug auf Führungspositionen gegenüber Frauen haben, ist also, laut Chamorro-Premuzic, der Hang zur Überheblichkeit Während Frauen oft zurückhaltender und selbstkritischer sind, behaupten Männer viel überzeugter etwas zu beherrschen. Ganz nach dem Motto: „Fake it till you make it”. Dieses herausfordernde Selbstbewusstsein wird in unserer Gesellschaft oft mir wahrhaftem Können verwechselt. Und genau da liegt das Problem, findet der Sozialwissenschaftler.“
Und ich habe seine Wertevorstellung von einer Frau irritiert. Nein, das wäre nicht passiert, wäre ich ein Mann. Einige der Männer in der Führungsebene haben ein Parteibuch. Das kommt einer männlichen Karriere in einem kommunalen Unternehmen entgegen. Und was hat mein Vorgesetzter gegen Petra Pau?
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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