Kinder Unerwünscht!!!

Was stimmt nicht mit unserer Gesellschaft? Es häufen sich Meldungen, dass Restaurants keinen Kindern unter zwölf Jahren Einlass gewähren. Ja sie gewähren. Denn anders als beim Hausrecht, die Maskenpflicht durchzusetzen, trauen sich Gewerbetreibende es sich mit Kindern zu verscherzen.

Im April machte ein entsprechender Fall an der Ostsee Schlagzeilen. Heute liest man vom Kinderverbot in einem Lokal auf Langeoog. 

Kinder sind zuweilen nervig, laut und machen Dinge, die wir nicht schön finden. Aber sie haben es ja irgendwo gelernt. Oder ihre Eltern haben ihnen keine Grenzen gesetzt. Ein klares Wort, eine Erklärung und einfach mal ein NEIN gehört zu einer Erziehung dazu. Kinder entwickeln sich unterschiedlich und manchmal tanzen sie einem auf dem Kopf herum. Das ist normal. Das war immer so. So ist der Mensch. Kinder wollen lernen, sind neugierig, testen Grenzen, schauen, womit sie durchkommen. Somit entwickeln sie ihre Persönlichkeit.

Und da sind wir an einem wichtigen Punkt in unserer Gesellschaft. Wir mögen keine Persönlichkeiten. Wer eine hat, fällt auf. Wer eine Persönlichkeit entwickelt hat, reflektiert, bewertet, denkt nach, hat Bildung. Und das ist in unserer Meinungsgesellschaft nicht gewünscht. Wir leben den Geist der Konformität. Die Männer im blauen Anzug, Krawatte, Seitenscheitel und Brille von der CDU machen es uns vor. Konservatismus heißt die neue Unfreiheit. Und das wirkt sich auch auf die Kinder aus.

Eltern haben schon oft Negatives erleben müssen, wenn es heißt, aufzufallen. Das Kind soll leise sein. Es lässt sich aber nicht kontrollieren. Das Kind soll perfekt in der Schule sein. Es ist aber erst mal nur ein Kind. Das Kind darf sich nicht mal mehr rangeln und vielleicht auch mal raufen. Dann müssen gleich die Eltern zu Schule kommen. Kinder dürfen nicht mehr Kinder sein. Sie werden in Ganztagsschulen unter Kontrolle gehalten. Und seit der Pandemie haben Kinder noch mit zusätzlichen psychischen Belastungen zu kämpfen.

Diesen Druck spüren sie. Sie haben noch keine Worte dafür, dass sie gesellschaftlich in Formen gepresst werden, wo ihre kleine Pflanze ihrer Persönlichkeit welk wird. So schafft man sich gleichgeformte Kinder, die still sind, Angst haben, nicht schlafen können und Bauchschmerzen haben.

Und nun werden sie ausgegrenzt. Die einen bejubeln, die anderen sind so empört wie ich. Das Ausgrenzen hat einen Namen: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Diese gehört in die Kategorie des Rassismus`. Das mag man nicht hören oder lesen. „Ich bin doch kein Rassist“, würde der eine sagen. Wer Menschengruppen ausschließt hat ein Problem mit Differenzierung. Aber was es im Eigentlichen ist – Angst vor Kontrollverlust.

„Wenn Menschen aufgrund ihrer zugewiesenen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe als irgendwie ‘anders’, ‘fremd’ oder ‘unnormal’ markiert werden, dann wird aus ‘ungleich’ sehr leicht auch ein ‚ungleichwertig‘. Damit ist die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit auch ein Kernelement rechtsextremer Einstellungen, die sich dort u.a. in Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus, aber auch in Sexismus und Homophobie ausdrücken.“

Die Spontanität von Kindern ist so manch einem ein Graus. Da kommt so ein Wesen im Restaurant vielleicht an den Tisch und man muss mit ihm reden. Ja wie macht man das? Wie redet man mit einem Kind? Da hat man Angst zu versagen. Oder ein Kind beginnt beim Essen zu meckern und jammern, weil es den Rosenkohl nicht mag. Haben wir alle niemals gemacht. Nieeee. Wir haben immer brav und still gegessen. Laut sind nur die anderen.

Wenn sich jemand wirklich komplett danebenbenimmt, sind es im Extremfall die Eltern. Wir reden vom Extremfall. Dann hat auch die Erziehung Lücken. Die Kinder spiegeln nur, was die Eltern vorleben. Und mit Verlaub, es gibt sehr viele Erwachsene, die ein „Danke“, „Bitte“ und andere höfliche Floskeln nicht mehr kennen. Eher wird gleich gebrüllt, gemeckert und sich beschwert.

Wenn wir an unsere Kindheit zurückdenken, haben wir doch schöne Erinnerungen an Restaurants. Ich kann mich erinnern, wie ich dort mein erstes Erfolgserlebnis hatte, eine Schleife zu binden. Mir war wohl langweilig und dann macht man sowas. Ich kann mich an Lollis und Eis erinnern, was man von einem netten Kellner bekam.

Was sollen die Kinder heute als Erinnerung in ihr Erwachsenwerden mitnehmen? Die Ausgrenzung? Die Ablehnung? Das Gefühl, falsch und nicht in Ordnung zu sein?

Eine Gesellschaft muss Kinder aushalten. Kinder müssen ja auch doofe Erwachsene aushalten. Und im Extremfall kann ein Gastwirt auch von seinem Hausrecht gebrauch machen und die Gäste hinausbitten. Aber es sind doch nicht alle Kinder ein Extremfall. Kinder sind toll. Sie bringen uns mit ihren Fragen weiter. Sie stimulieren unseren Charakter. Manchmal ist uns auch was peinlich. Aber wieso? Kinder sind dem Leben mehr zugewandt als manch ein Erwachsener. Wir sollten mehr von ihnen lernen. Und wenn Gastwirte keinen Lolli oder Eis mehr für die Kinder haben, sondern nur einen Rauswurf, dann ist unsere Gesellschaft wirklich am Boden.

Diese Kinder helfen uns im Alter über die Straße oder säubern uns im Pflegeheim. Wir werden irgendwann mal von ihnen abhängig sein. Und dann können wir auf ihre Empathie hoffen, die wir ihnen als Gesellschaft vor Jahren verwehrt haben.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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