10. Dezember: Tag der Menschenrechte
Erschreckende Defizite und Doppelmoral: DIE ZUNEHMENDEN MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN IN DEUTSCHLAND – kein Wahlkampfthema?
Grafik: LIW e.V.
Europarat mahnt: Deutschland muss mehr tun für Menschenrechte und gegen soziale Ungerechtigkeit
Am heutigen 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, wähnen wir uns in Deutschland und Europa – auf dem Kontinent der Menschenrechte – auf der Seite der Guten und können deshalb andere Länder mit Menschenrechtsdefiziten moralisch ermahnen. Indem wir mit einem Finger auf andere zeigen, richten sich jedoch alle anderen Finger auf uns selber. Wie sieht es in Wirklichkeit um die Verletzung der Menschenwürde und Menschenrechte in unserem eigenen Land mit seiner Doppelmoral aus? In Wirklichkeit war 2024 ein schreckliches Jahr für die Menschenrechte auch in Deutschland, nicht zuletzt durch zunehmende Armut, Rassismus, Diskriminierung und inhumane Flüchtlingspolitik mit Einschränkung des Asylrechtes.
Die offiziellen Menschenrechts-Berichte sind ebenso ernüchternd wie die wiederholten Mahnungen der UNO, des Europarates und der Menschenrechts-Organisationen an die Bundesrepublik mit ihren zunehmende Menschenrechtsverstößen. Ein Vorwurf des Europarates: Zu wenig Engagement gegen Armut und Ungleichheit sowie Wohnungslosigkeit in Deutschland. Vor allem bei Kindern und Behinderten sowie Frauen und Flüchtlingen gebe es Handlungsbedarf, denn die sozialen Menschenrechte in Deutschland sind nur unzureichend verwirklicht, bis hinein in die Arbeitswelt. Laut UN-Menschenrechtsrat wird insbesondere Armut in Deutschland von der Bundesregierung nicht als menschenrechtliches Problem wahrgenommen. Und auch der Klimaschutz ist Menschenrechtsschutz.
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sind in 30 Artikeln bürgerliche und politische Rechte festgelegt, wie zum Beispiel das Recht auf Freizügigkeit, auf Gedankenfreiheit, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit. Auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind erfasst, darunter das Recht auf Nahrung und Wohnung, das Recht auf Arbeit und auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit sowie das Recht auf Bildung. Menschenrechte sind fundamentale Rechte, die jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder sozialem Status zustehen. Jedem Menschen soll ein Leben in Würde und Respekt gewährleistet werden.
Menschenrechte hier und jetzt verwirklichen
Den diesjährigen Menschenrechtstag hat die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR unter das Motto gestellt: „Unsere Rechte, unsere Zukunft, jetzt“. Damit wird die Dringlichkeit unterstrichen, Menschenrechte nicht nur als zukünftiges Ziel zu betrachten, sondern sie im Hier und Jetzt zu verwirklichen als Daueraufgabe und Herausforderung zum Handeln. Denn der hier im Folgenden aufgeführte Katalog der Menschenrechtsverletzungen in Deutschland ist lang und teils verstörend und ruft geradezu nach entschlossenem Handeln. Er erinnert uns daran, dass die Achtung und Förderung der Menschenrechte heute die Grundlage für eine bessere Zukunft legen kann.
Blinde Flecken in Deutschland beim Schutz der Menschenrechte
Insgesamt steht Deutschland bei den Menschenrechten nur auf dem 9. Platz im Ranking der Länder und hat besonders in den letzten Jahren erschreckende menschenrechtliche Defizite mit zunehmender Tendenz zu verzeichnen, auch wenn die Bundesregierung sich dazu nicht als kritikfähig zeigt. Der UN-Menschenrechtsrat nahm Deutschland deshalb in die Mangel, denn in Deutschland gebe es viele blinde Flecken: Polizeigewalt, Rassismus, häusliche Gewalt – aber auch das Verbot von Versammlungen, die Vernachlässigung der sozialen Menschenrechte und vieles mehr.
Mangelnder Schutz von Frauen gegen Gewalt
Der UN-Menschenrechtsrat hat die humanitäre Lage in Deutschland geprüft und der Bundesregierung dringende Empfehlungen mit auf den Weg gegeben. Darunter auch mehr Schutz vor Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Opfer und zur Bestrafung der Täter. Deutschland sei diesen Verpflichtungen wie z. B. flächendeckende Bereitstellung von Frauenhäusern bislang noch nicht vollumfänglich nachgekommen.
„Rassismus ist in Deutschland Realität“
Die Bundesbeauftragte vom Deutschen Institut für Menschenrechte sieht Deutschland vor großen menschenrechtlichen Herausforderungen denn zur Realität im Land gehörten Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus. Deutschland hat bei einer Untersuchung der EU-Grundrechteagentur als schlechtestes von 13 EU-Ländern bei der Diskriminierung von Menschen afrikanischer Herkunft abgeschlossen, da grundlegende Gleichstellungs- und Nichtdiskriminierungsstandards in Deutschland nach wie vor sehr wenig bekannt seien. "Besondere Aufmerksamkeit sollte der wachsenden Fremdenfeindlichkeit und dem Rassismus gewidmet werden, die das Potenzial haben, den sozialen Zusammenhalt zu untergraben und demokratische Institutionen zu destabilisieren", so der Europarat.
„Mangelnder Schutz von Migranten“
Deutschland wird im Bericht von Amnesty International auch dafür kritisiert, Migranten nicht ausreichend vor Gewalttaten zu schützen: "Deutschland erkennt strukturellen Rassismus nicht ausreichend an und tut zu wenig, um Menschen vor Hasskriminalität zu schützen". Übergriffe und politisch motivierte Straftaten, darunter Beleidigungen und Angriffe auf Schutzsuchende und Flüchtlingsunterkünfte, hätten 2023 im Vergleich zum Vorjahr weiter zugenommen. Außerdem prangert die Organisation an, dass das humanitäre Aufnahmeprogramm für Gefährdete aus Afghanistan bisher insgesamt erst 94 Menschen nach Deutschland gebracht hat.
Besorgniserregenden Ausmaß an Armut, sozialer Ungleichheit und Obdachlosigkeit
Auch vom Europarat bekommt Deutschland zum wiederholten Male sein Fett weg. Der Vorwurf der Menschenrechtskommissarin: In der Bundesrepublik führten „anhaltende Probleme beim Zugang zu sozialen Rechten zu einem besorgniserregenden Ausmaß an Armut, sozialer Ungleichheit und Obdachlosigkeit“. Es brauche insbesondere Maßnahmen zugunsten von Alleinerziehenden, Kindern, Menschen mit Behinderungen und älteren Menschen.
Wenn jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut betroffen ist und Millionen Armutsrentner in Schlangen vor Suppenküchen und überfüllten Tafeln stehen oder sogar in Mülltonnen nach Pfandflaschen und Brauchbarem suchen und Obdachlose das Straßenbild prägen, ist das eine sichtbare Schande für das reiche Deutschland bei der Nichteinhaltung der Menschenrechte.
„Fehlende Gesamtstrategien für Armutsbekämpfung“
Das „Forum Menschenrechte“ beklagt außerdem, dass die durch Pandemie und Inflation rasant gestiegene Armut in Deutschland von der Bundesregierung nicht als menschenrechtliches Problem wahrgenommen werde: "Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung teilen zwei Drittel des gesamten Vermögens unter sich auf, während über 16 Prozent der Menschen in Deutschland in Armut leben. Es fehlt eine Gesamtstrategie, die Menschen langfristig aus der Armut holt. Es braucht Regelsätze, die nicht länger Armutssätze bleiben und eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient", fordert der Paritätischen Gesamtverband.
Sozialkürzungen im aktuellen Haushaltsplan wären bedenklich
Der Europarat vertraut darauf, dass die aktuellen Haushaltsdiskussionen der Bundesregierung keine Auswirkungen auf die sozialen Unterstützungsmaßnahmen haben werden, hieß es. Schließlich seien diese „für viele eine Lebensader und auch zur Sicherung des vom Bundesverfassungsgericht verordneten Existenzminimums notwendig.“
Konkret fordert die Menschenrechtskommissarin Deutschland auf, die Höhe der Sozialleistungen an das aktuelle Preisniveau und die tatsächlichen Bedarfe anzupassen; die Antragsverfahren müssten vereinfacht und Antragsberechtigte umfassender informiert werden. Sie zeigt sich insbesondere alarmiert ob der großen Zahl an Kindern in Deutschland, die in Armut leben.
UN-Kinderrechtskonvention nicht umgesetzt
Die Bundesregierung solle ihrer Verpflichtung zur Stärkung der Kinderrechte gerecht werden, „indem sie diese in der Verfassung verankert und eine zentrale Behörde ernennt, die die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention auf allen Ebenen koordiniert“, forderte die Menschenrechtskommissarin. Zudem sei es ein Fehler, die Mehrheit der Kinder mit Behinderung in Sonderschulen zu schicken, da sie dort „hinsichtlich ihrer akademischen und beruflichen Karrieremöglichkeiten weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben.“
Die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz stehe weiterhin aus, nur wenige Bundesländer hätten das Amt einer*eines Kinderbeauftragten eingerichtet und es fehle weiterhin an einer entsprechenden Stelle auf Bundesebene. Die Menschenrechtskommissarin zeigt sich zudem besorgt über fehlende effektive Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten. (siehe hierzu auch Lokalkompass-Artikel vom 19. November 2024: https://www.lokalkompass.de/haltern/c-politik/kein-wahlkampfthema-kinderrechte-weder-im-grundgesetz-noch-im-alltag-verwirklicht_a2002764 )
Auch Wohnen und Bildung sind soziale Grundrechte
Soziale Rechte werden in Deutschland oft nicht als Grund- und Menschenrechte angesehen, die der Staat verwirklichen muss. Das betrifft unter anderem das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das Recht auf Bildung oder das Recht auf Wohnen. Hier besteht noch sehr viel Handlungsbedarf. Der Bericht der Menschenrechtskommissarin mit dem Schwerpunkt Armut und Wohnen sowie Rechte von Kindern und Behinderten ist eine wichtige Grundlage für die Politik, soziale Ungleichheit in Deutschland zu vermindern.
Die Menschenrechtskommissarin zeigt sich in ihrem Bericht sehr besorgt über die hohe Zahl der Menschen in Deutschland, die in Armut leben und von sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Diese Zahl stünde in keinem Verhältnis zum Wohlstand des Landes.
Nationaler Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit erforderlich
Besonders besorgt zeigt sich die Menschenrechtskommissarin über die hohe Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland, vor allem über die hohe Zahl der Familien und jungen Menschen. Sie fordert die Bundesregierung dazu auf, den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit zügig zu verabschieden und ruft Deutschland außerdem nachdrücklich dazu auf, dringend mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, auch mit Eingriffen in den Wohnungsmarkt.
Der Standard in Notunterkünften für Wohnungs- und Obdachlose sowie vor allem für Flüchtlinge ist nach Auffassung des Deutschen Instituts für Menschenrechte katastrophal. Die notdürftige Unterbringung von insgesamt einer halben Mio. Menschen sei teilweise unzumutbar und biete keine Privatsphäre.
Kaum Fortschritte bei Inklusion von Menschen mit Behinderung
Bei der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in Deutschland sieht die Menschenrechtskommissarin nur sehr begrenzte Fortschritte. Ein unabhängiges Leben in der Gemeinschaft sei für viele Menschen mit Behinderungen weit entfernt. Sie müssten nach wie vor in Sonderstrukturen lernen, arbeiten und leben – „sei dies in Sonderschulen, Werkstätten oder Wohnreinrichtungen.“
Rechte von Geflüchteten wahren und Diskriminierungen beenden
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und „Pro Asyl“ oder „Human Rights Watch“ halten die Asylrechtsreform und Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa für menschenrechtswidrig. Politische Absichten zur Zurückweisung von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen würden gegen europäisches Recht und menschenrechtliche Grundprinzipien verstoßen.
Sie pochen auf menschenrechtliche Verbesserungen in Deutschland zur Wahrung der Rechte von Geflüchteten, aber auch beim Schutz der Versammlungsfreiheit, im Kampf gegen rassistische Diskriminierung sowie beim Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit. Die Menschenrechtsorganisationen fordern außerdem die Abschaffung anlassloser Polizeikontrollen, die als Einfallstor für „Racial-Profiling“ verstanden werden. Außerdem müssten Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden.
"Leistungskürzungen für Asylsuchende nicht umsetzen"
Beim UN-Menschenrechtscheck stand auch Deutschlands Umgang mit Asylsuchenden im Fokus. Das Recht auf Einheit der Familie sei für Schutzberechtigte in Deutschland nur unzureichend gewährleistet, hatten Menschenrechtsorganisationen im Vorfeld kritisiert. Der Familiennachzug dauere oft mehrere Jahre, für subsidiär Schutzberechtigte sei der Familiennachzug zudem seit 2018 kontingentiert.
Geflüchtete Kinder und ihre Familien gehören zusammen. Ehe und Familie stehen unter einem besonderen menschenrechtlichen Schutz. Deutschland muss endlich gesetzliche Erleichterungen auf den Weg bringen und das Verfahren durch eine Aufstockung der Ressourcen und eine Digitalisierung des Verfahrens erheblich beschleunigen", so dass „Forum Menschenrechte“. Amnesty International fordert zudem, dass die jüngst auf einem Bund-Länder-Gipfel beschlossene Leistungskürzungen für Asylsuchende nicht umgesetzt werden.
„Keine Waffenlieferungen in Länder mit Kriegsverbrechen“
Amnesty International attestiert Deutschland im Jahresbericht 2023/24 gleich mehrere Negativentwicklungen in Sachen Menschenrechte. Zunächst einmal fordert die Organisation von der Bundesregierung den Stopp von Waffenlieferungen nach Israel. "Sie darf keine Waffen an Israel und andere Konfliktländer liefern, wenn die Gefahr besteht, dass damit Kriegsverbrechen oder Menschenrechtsverletzungen begangen werden", sagte die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty bei der Vorstellung des Jahresberichts der Menschenrechtsorganisation. Rüstungsexporte zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen seien davon nicht betroffen, fügte sie mit Blick auf die Ukraine hinzu.
Mit Blick auf den Krieg im Gazastreifen wirft Human Rights Watch der israelischen Regierung Kriegsverbrechen vor. Diese habe auf den Großangriff der Hamas reagiert, "indem sie die Wasser- und Stromversorgung der 2,3 Millionen Zivilisten im Gazastreifen unterbrach und die Einfuhr von allem bis auf einen Bruchteil an Treibstoff, Lebensmitteln und humanitärer Hilfe blockierte", heißt es in dem Bericht. Das sei eine Form der kollektiven Bestrafung, die ein Kriegsverbrechen darstelle.
„Doppelmoral angesichts von Kriegsverbrechen“
Die Bundesregierung weigere sich laut Amnesty International jedoch, "die Kriegsverbrechen der israelischen Armee beim Namen zu nennen". Stattdessen lieferte sie vermehrt Waffen. Amnesty wirft der Bundesregierung mit Blick auf den Nahostkonflikt vor, "mit zweierlei Maß zu messen". Dies schade auch den internationalen Menschenrechtsstandards.
Auch der über 700 Seiten lange „World Report 2024“ wirft Regierungen wie Deutschland Doppelmoral vor – etwa in der Verurteilung Israels wegen des Vorgehens gegen palästinensische Zivilisten bei gleichzeitigem Schweigen gegenüber der gewaltsamen Unterdrückung von Minderheiten durch China. Als weiteres Beispiel nennt der Bericht, einerseits die Strafverfolgung russischer Kriegsverbrechen zu verlangen, andererseits die Verantwortung für US-amerikanische Vergehen in Afghanistan infrage zu stellen.
Demonstrations- und Versammlungsverbote
Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt auch Eingriffe in die Versammlungsfreiheit. So seien zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen zugunsten der Palästinenser vorbeugend verboten worden. Es gab Medienberichte über unnötige und übermäßige Gewaltanwendung durch die Polizei, Hunderte von Verhaftungen und verstärktes Racial Profiling von Menschen, die als Araber oder Muslime wahrgenommen wurden, so lautet die Kritik.
„Kriminalisierung der Klima-Aktivisten“
Aber auch im Zusammenhang mit Klimaaktivisten gab es bedenkliche Einschränkungen der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit in Deutschland, so lautet die Kritik aus der Klimabewegung. Amnesty spricht sogar von einer „Kriminalisierung der Klima-Aktivisten“. Denen gegenüber habe Deutschland "ganz schweres Geschütz" aufgefahren, wie mehrwöchigen Präventivgewahrsam und Ermittlungen wegen krimineller Vereinigung als Beispiele. Das sei ein Angriff auf das Recht auf friedlichen Protest.
„Klimawandel verschlimmert die Menschenrechtslage“
Im Bericht des unabhängigen Deutschen Instituts für Menschenrechte wird ausgesagt: Die versäumte Klimaschutzpolitik der vergangenen Jahre gefährde in Deutschland einige Regionen und bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark.. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 mache deutlich: Der Staat muss die Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen. Es sei gut, dass sich die Bundesregierung klar zum Klimaschutz bekenne. Doch es brauche mehr und vor allem menschenrechtlich angemessene Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen sowie ein bundesweites Klimaanpassungsgesetz.
Das Umweltbundesamt prognostizierte hingegen, dass Deutschland die selbstauferlegten Ziele verfehlen wird, seine Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent und bis 2040 um mindestens 88 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Die Bundesregierung beschleunigte die inländischen Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere den Ausbau der erneuerbaren Energien, genehmigte jedoch gleichzeitig Investitionen in die Infrastruktur für den Import von Flüssigerdgas sowie eine vorübergehende Steuersenkung auf Benzin und Diesel.
Lieferketten: Deutsche Unternehmen verletzten Menschenrechte
Die Organisation OXFAM kritisiert: „Brandkatastrophen, Umweltzerstörung, Verfolgung von Gewerkschafter*innen: In den Lieferketten deutscher Unternehmen werden die Menschenrechte von Arbeiter*innen verletzt und die Umwelt der lokalen Bevölkerung zerstört“. Viele deutsche Konzerne würden in Kauf nehmen, dass Menschenrechte in ihren Lieferketten verletzt werden und Menschen sterben, wenn Fabriken einstürzen oder in Flammen aufgehen, Dämme bersten oder streikende Arbeiter*innen getötet werden.
Die Liste von OXFAM über Menschenrechtsverletzungen für Profite deutscher Konzerne zeigt, wie wichtig ein gesetzlicher Rahmen für den Schutz von Menschenrechten ist. Das neue Lieferkettengesetz sei deshalb ein erster Schritt in die richtige Richtung. Doch an vielen Stellen greife es zu kurz.
Menschenrechtsverletzungen in der Arbeitswelt
Mit Blick auf die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland mit Niedriglöhnern, Leiharbeitern, Saisonabeitern, Mini- und Midijobs, "Clickworkern", Solo- oder Scheinselbständigen kann teilweise von ausbeuterischen oder sklavenähnlichen Arbeitsverhältnissen in Deutschland gesprochen werden, die sich als Menschenrechtsverletzungen auswirken, wie die Gewerkschaften beklagen. Dies gilt insbesondere im Bereich der Logistik für LKW-Fahrer, Paket- und Botendienste, Versandhandel, Landwirtschaft Fleischindustrie, Pflegedienstleistungen oder "Klickarbeit" als Heimarbeit am PC.
Durch Rückgang der Tariflöhne und des gewerkschaftlichen Organisationsgrades in manchen Branchen versuchen viele Arbeitgeber, auch bei regulärer Beschäftigung Überstundenbezahlung und Arbeitszeiterfassung zu umgehen, Sozialleistungen oder Urlaubsansprüche zu kürzen und Arbeitssicherheit zu vernachlässigen sowie die Gründung von Betriebsräten und den Zugang von Gewerkschaften zu verhindern. Dadurch werden als Folge Menschenrechte ausgehebelt, so dass Menschenrechtsverletzungen in der Arbeitswelt oft an der Tagesordnung sind.
Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen, Psychiatrien, Altenheimen und Polizeidienststellen
Kurz vor Veröffentlichung des aktuellen Menschenrechtsberichtes gelangten die Foltervorwürfe in einem deutschen Gefängnis in Augsburg an die Öffentlichkeit. Strafgefangene sollen tagelang in fensterlosen Kellerräumen, nackt auf dem blanken Boden schlafend, misshandelt worden sein, so dass sich die Anti-Folterstelle einschaltete. (Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter ist Deutschlands Einrichtung für die Wahrung menschenwürdiger Unterbringung und Behandlung im Freiheitsentzug). In 2022 wurde in Dortmund ein 16-jähriger Migrant aus nächster Nähe von Polizisten mit der Maschinenpistole erschossen. Unvergessen ist der zurückliegende Fall, wo ein Asylsuchender aus Sierra Leone im Keller des Dessauer Polizeireviers ums Leben gekommen war. Die taz hat 24 Fälle untersucht, bei denen Menschen, die von Rassismus betroffen waren, im Gewahrsam ums Leben kamen.
Seit langem werden auch Zwangsmaßnahmen in den Psychiatrien und in der Schulpsychiatrie als Menschenrechtsverletzungen auch vom UN-Fachausschuss angeprangert. So seien Personen in Einrichtungen der Forensischen Psychiatrie in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen über mehrere Monate hinweg in isolierten und in der Nacht abgeschlossenen „Kriseninterventionsräumen“ untergebracht worden, in denen es keine Toilette gegeben habe. Auch in manchen Seniorenheimen werden die Rechte der Bewohner nicht respektiert oder sie werden sogar menschenunwürdig behandelt oder vernachlässigt. Und aus Kinderheimen werden immer mal wieder Misshandlungen oder Kindeswohlgefährdungen bekannt.
Wer überwacht in Deutschland die Einhaltung der Menschenrechte?
Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Es setzt sich dafür ein, dass Deutschland die Menschenrechte im In- und Ausland einhält und fördert. Das Institut begleitet und überwacht zudem die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention. Hierfür hat es entsprechende Monitoring-Stellen eingerichtet. Das Institut wurde im März 2001 auf Empfehlung des Deutschen Bundestages gegründet. Es ist nur den Menschenrechten verpflichtet und politisch unabhängig. Das Institut veröffentlicht jedes Jahr kurz vor dem Tag der Menschenrechte am 10. Dezember einen Bericht über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland.
Zudem gibt es seit 1998 im Deutschen Bundestag einen Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Mit der Einrichtung dieses Gremiums hat das Parlament den Stellenwert deutlich gemacht, den es der Menschenrechtspolitik einräumt. Bis dahin gab es lediglich einen „Unterausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe“, der ausschließlich gutachtlich zu menschenrechtsrelevanten Themen gegenüber dem Auswärtigen Ausschuss Stellung nahm. Die Kompetenzen des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe wurden bis hin zu innenpolitischen Themen erweitert.
Die Grundlagen der Menschenrechte
Zu den wichtigsten Konventionen und Erklärungen, die den Schutz einzelner Menschenrechte regeln, gehören:
• die Genfer Flüchtlingskonvention
• die UN-Kinderrechtskonvention
• die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau
• die UN-Anti-Folter-Konvention
• die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung
• die Intenationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen
• die UN-Behindertenrechtskonvention
• die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker
Bindendes Recht für alle Mitgliedstaaten, die sie ratifiziert haben, sind der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (Zivilpakt) und der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (Sozialpakt). Darüber hinaus gibt es mehr als 100 Verträge, Erklärungen, Richtlinien, Empfehlungen und Prinzipien, in denen internationale Menschenrechtsstandards festgeschrieben sind. Sie beziehen sich zum Beispiel auf spezifische Rechte oder auf bestimmte Gruppen.
Die transformative Kraft der Menschenrechte
Menschenrechte sind Motoren des sozialen Wandels. Sie bieten Werkzeuge, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen und marginalisierte Gruppen zu stärken. Durch die Förderung der Menschenrechte können wir Gesellschaften transformieren und eine gerechtere Welt für kommende Generationen schaffen.
Wilhelm Neurohr, 10. Dezember 2024
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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