Bauprojekt in Oer-Erkenschwick
Ein Stadtpark und FAKTische Investitionen

Eine Petition in Oer-Erkenschwick sorgt für rege Diskussionen im Netz. Es geht um den Investor FAKT AG, der im Mai 2019 Herrn Bürgermeister Carsten Wewers persönlich anschrieb. FAKT AG bietet an, Wohnraum auf dem Gelände des Stadtparkes zu schaffen, den verrohrten Westerbach zu renaturieren und öffentliche Kinderspielplätze einzubinden.

Das klingt auf dem ersten Blick hervorragend, wenn man bedenkt, dass Wohnraum mittlerweile ein Luxusgut wird und nicht mehr selbstverständlich ist. Nun sollte man jedoch bei einem kapitalorientierten Unternehmen mal genauer hinschauen, wo ggf. Risiken entstehen könnten oder Inhalte ganz konsequent vertraglich festgehalten werden müssen.

Die Petition: 

Am 23. Juni 2019 startete Armin Ziesmann eine Petition zum Erhalt des Oer-Erkenschwicker Stadtparks. Als Fraktionsvorsitzende von B ´90/Die Grünen ist es ein Selbstverständnis, dass gerade hier der Fokus auf den Erhalt von Grünanlagen, Bäumen und sozialen Begegnungsräumen gelegt wird. Aber das Thema geht noch viel tiefer, wie bisherige Recherchen ergeben.

Für die Petition werden 580 Unterschriften benötigt und sie findet bereits großen Anklang. Was diese Petition aber noch bewirkt ist, dass die BürgerInnen in Oer-Erkenschwick beginnen, sich über das Thema auszutauschen.

Dabei geht hervor, dass einige Bürger bemängeln, dass im Stadtpark Probleme mit Drogenabhängigen bestehen würden, auch an Attraktivität scheint er verloren zu haben. Dazu muss man aber auch sagen, dass dies dem Engagement der BürgerInnen geschuldet ist, wenn sie es so weit kommen lassen und nicht selbst tätig werden, diese Problematiken zu lösen.
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass diese Kritiker lieber ihren Park an private Investoren verkaufen wollen, der dann auch über Wegerechte verfügt und nicht dauerhaft unbedingt der Öffentlichkeit Zutritt gewähren müsste. Mit dieser Argumentation würde ein Ausverkauf von öffentlichem Eigentum befürwortet. Ob das diesen Menschen bewusst ist?

Bezahlbarer Wohnraum

Es liegt in der Natur der Sache, will man etwas verkaufen, dass das Produkt bestmöglich beworben wird. Gerne taucht dann schon mal die Rhetorik „bezahlbarer Wohnraum“ auf. Aber was ist heute noch bezahlbar? Wir haben Einkommensstrukturen, die nicht mehr grundsätzlich über eine klare Definition von „bezahlbar“ verfügen.

Es müssen Fragen gestellt werden, ob ALG-II-Bezieher, Grundsicherungsempfänger, Geringverdiener und Aufstocker langfristig den Wohnraum bezahlen können.

Herr Wewers äußerte sich auf seiner Facebook-Seite am 24. Juni: 

„Diese (Anm.: Die Wohnungen) wären auch bezahlbar, da die Mieten teilweise durch die öffentliche Förderung vorgegeben wären.“

Nach Rückfrage an Herrn Bürgermeister Carsten Wewers folgte die Antwort:

„öffentlich gefördert bedeutet, dass man einen WBS braucht und die Miete 5,25 Euro beträgt.“

Diese Antwort brachte jedoch noch mehr Fragen auf den Tisch. In Oer-Erkenschwick betragen z. B. die Kosten der Unterkunft im ALG II (KdU) bei einem Alleinstehenden 392 Euro Bruttokaltmiete. Der angemessene Wohnraum beläuft sich auf ca. 50 qm. Somit wäre eine Wohnung mit WBS für einen ALG-II-Bezieher bezahlbar.

Nun kommt das große ABER:

Wenn die Mietpreisbindung aufgehoben wird und die öffentliche Förderung ausläuft, kann der Vermieter die Miete an den ortsüblichen Mietspiegel anheben. Auch hier gibt es Gesetze zu beachten, die der Mieterschutzbund Dortmund darlegt. 

Für Oer-Erkenschwick würde der qm-Preis in einer guten Wohnlage, so vermittelt die FAKT AG dieses Bauprojekt, von 5,25 Euro auf 7,80 - 8,42 Euro steigen können.  Man kann keinem ALG-II-Bezieher, Grundsicherungsempfänger, Rentner mit Minirente, Geringverdienern, Aufstockern zumuten, sich mit ihrem Wohnrecht individuell auseinandersetzen zu müssen. Hier ist es erforderlich, entsprechende Bedingungen vertraglich festzuhalten. Und das ist die Aufgabe der Stadtverwaltung und eben auch der Politik.

Herr Bürgermeister Casten Wewers

Es ist außerordentlich begrüßenswert, dass Herr Wewers bei Facebook Bürger und Bürgerinnen in manchem Punkten informiert und/oder auch mal Dinge richtigstellt, wenn eine Diskussion droht, aus dem Ruder zu laufen. Das ist nicht selbstverständlich aber oftmals erforderlich.

Leider neigt Herr Wewers bei dieser Situation dazu die Diskussion auf schwarz oder weiß herunter zu brechen. Frei nach dem Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Aber so funktioniert Politik nicht. Wer kritisch mit dem Thema umgeht, wie dieser Wohnungsbau stattfinden und umgesetzt werden soll, ist nicht gleich gegen den Wohnungsbau. Es geht um Modalitäten, die festgehalten gehören. Dazu gehören auch diverse Rückfragen und Positionen, die bei einer Vertragsgestaltung zwingend festgehalten werden müssen.

Ebenso sind seine nebulösen Äußerungen, wie 

„Eine Partei sammelt, bevor die Pläne für dringend benötigte moderne und bezahlbare Wohnungen überhaupt vorgestellt werden können, bereits Unterschriften um es zu verhindern“

nicht gerade zuträglich für einen respektvollen Umgang aller politischen Kräfte bei der Ausarbeitung dieser Sachlage. 

Ferner heißt es:

„Wenn jemand Geld in unsere Stadt investieren möchte, muss ich ihm zumindest die Möglichkeit geben, seine Pläne vorzustellen. Danach kann man sich nach intensiver Beratung positionieren. Das ist Demokratie! Aus rein politischen Gründen mit Emotionen zu spielen ist völlig kontraproduktiv! Wenn dieses Verhalten mehrheitsfähig würde, kann ich die Arbeit für Investitionen und Fortschritt zu werben einstellen.“

Natürlich ist es wichtig und richtig, alle Seiten zu hören, das Konzept der FAKT AG zu sichten, sich zu beraten. Eine Petition zum Erhalt eines öffentlichen Grundstücks als Spielen mit Emotionen zu verurteilen, hat mit demokratischem Verständnis wenig zu tun. Es ist das gute Recht eines Jeden, eine Petition zu schalten, Menschen in einen Diskurs zu bringen und kritisch zu bleiben. Das ist Demokratie. Und die Resonanz ist bei Facebook und auch in dieser Petition zu erkennen: Die Menschen sind interessiert.

Es geht nicht darum, alleine erst das Konzept der FAKT AG abzuwarten. Es geht auch darum, sich über mögliche Szenarien Gedanken zu machen. Denn ist ein Status geschaffen worden, gibt es oftmals kein Zurück mehr. Und es kann Herrn Wewers doch auch nur recht sein, wenn die BürgerInnen mitdenken, Zweifel äußern. Entsprechende Informationen könnten ihm bei der Gestaltung des Willensprozesses doch nur zuträglich sein.

Denn im Grunde sind es die BürgerInnen, die in einem Ort Willensprozesse gestalten sollten und die Verwaltung und Politik beauftragen, die Belange nach bestmöglichen Modalitäten zu gestalten. Herr Wewers ist im Auftrag der BürgerInnen Bürgermeister. Er ist nicht deren Vorgesetzter. Da gilt es ein wenig die Stellschrauben im demokratischen Miteinander neu zu justieren. Aber auf allen Seiten. Denn eine Kommune ist nur so gut, wie auch die Bürger, die sich in ihr engagieren.

Die FAKT AG:

Mit wem hat es Oer-Erkenschwick überhaupt zu tun? Bevor man Geschäfte macht, ist es natürlich auch wichtig zu wissen, ob der Geschäftspartner solvent ist, wie er aufgestellt ist, welche Ergebnisse er vorzuweisen hat. Ist der Geschäftspartner erfolgreich, hat er Sicherheiten? Ist ein Vertrag nicht abgesichert, können die Folgekosten unter Umständen sehr hoch sein.

Die FAKT AG ist ein Unternehmen, welches sich zum Konzept gemacht hat, durch viele Tochterunternehmen und Partner ein stabiles Konstrukt vorweisen zu können. Aber ist das wirklich so? Es gilt die gängige Praxis, dass Konzerne Tochtergesellschaften gründen, um ihre Gewinne und Verluste miteinander zu verrechnen, um weniger Steuern zu zahlen. Ob das bei der FAKT AG auch so ist, bleibt erst mal spekulativ und ist nicht bewiesen.

Im Projektbericht der FAKT AG aus dem Jahr 2016/2017 ist zu lesen

„Da in den vergangenen Jahren der Schwerpunkt der Unternehmensgruppe ausschließlich auf der Entwicklung und der Revitalisierung von Gewerbeimmobilien lag, bedeutet dies, dass die Unternehmensgruppe zunächst noch keine Gewinne erwirtschaften konnte. Unser Erfolg zeigt sich deshalb in der Neubewertungsreserve auf der konsolidierten Ebene. Wir können schon heute sagen, dass sich dieser Wert mit dem geplanten Zukauf weiterer Immobilienprojekte erheblich steigern wird.“

Für jedes Geschäft und jede Investition ist es erforderlich, dass Sicherheiten geboten sind. Die FAKT AG hat im Geschäftsjahr 2016/2017 noch keine Gewinne erzielt, die einzigen derzeit erkennbaren Sicherheiten sollen Immobilienprojekte sein?
 
Stellen wir uns mal vor, die FAKT AG würde während des Baus im Stadtpark insolvent werden. Als erstes müssten die Immobilen veräußert werden, um Kapital zur Zahlung der Verbindlichkeiten zu erlangen. Wie schnell würden sich die Immobilien verkaufen lassen? Kann die Kommune in diesem Fall das Bauprojekt zu Ende bringen? Oder müsste der allgemeine Steuerzahler diesen offenen Zustand bezahlen? Wir kennen den Spruch: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Es muss sich VOR den Verhandlungen ein Bild gemacht werden, wie die Sicherheiten der FAKT AG aufgestellt sind. Und schaut man in die Projektgeschichte dieses Konzerns, so scheint auf dem ersten Blick noch kein Projekt zu ende gebracht worden zu sein. Aber die Recherchen laufen noch.

Bei näherem analysieren ihrer Projekte bekommt man den Eindruck, dass hier mit vielen Bauprojekten gleichzeitig jongliert wird. Der Kapitalfluss und auch die Finanzierungsstabilität scheint nicht wirklich im Vordergrund zu stehen. Handelt es sich hier nur um ein Kartenhaus?

Zwar stellt sich die FAKT-AG auf viele Füße ihrer Tochtergesellschaften. Aber auch hier gilt es, die Kapitalkraft zu analysieren. Wieso machen sie es den Interessierten so schwer, sich durch ca. 20 Gesellschaften durchzuarbeiten, um eine Finanzstruktur erkennen zu können? Oder ist es gar nicht gewollt, transparent zu sein?

Darüber hinaus muss auch die Frage gestellt werden, wieso ein kapitalorientiertes Unternehmen öffentliche Gelder benötigt? Im Grunde sind diese Gelder nur leicht zu erhaltene Kredite. Das Forderungsmanagement im öffentlichen Dienst in Bezug auf diese Projekte dürfte nicht so hart und entschlossen sein, wie ein Forderungsmanagement einer Kreditanstalt. Die Causa Nokia in Bochum hat es uns dahingehend gezeigt.

Sollte die FAKT AG zu den genannte Aussagen Einwände haben, sind informative Rückmeldungen stets erwünscht.

Die FAKT AG in anderen Kommunen

Noch sind die Recherchen nicht vollständig abgeschlossen, aber man kann schon erkennen, wie sich die Situation in Bergkamen verhält.

Dort ist zu lesen: 

„Dann müßte aber bei einem solchen Vorgang der Zeitpunkt kommen, wo man das erarbeitete Konzept gemeinsam der Öffentlichkeit präsentiert und dessen Substanz für die öffentliche Debatte freigibt, damit die Politik im Anschluß abwägen kann, ob sie die Privatisierung mitträgt oder nicht doch alternative Konzepte überzeugender sind für die Entwicklung der Stadt. Soweit die Gemeinwesen-/Demokratie-Theorie.
Auch in Bergkamen gehen Verwaltung und Politik (offensichtlich alle Stadtratsfraktionen) ein solches „Risiko“ nicht ein, sondern bleiben damit in nicht-öffentlichen Sitzungen und werden zum Stillschweigen verpflichtet. Am 11.10. soll dieser „Deal“ mit der FAKT AG in nicht-öffentlicher Sitzung vom Stadtrat abgesegnet werden.“

Im „nicht öffentlichen Bereich“ sollten eigentlich nur dann Themen behandelt werden, wenn es um persönliche Daten geht. Eine Ehrung beispielsweise oder wenn es um Personalien in der Verwaltung geht, etc. Es ist aber mittlerweile in Kommunen schon zu einer Normalität geworden, unliebsame Themen der Öffentlichkeit vor zu enthalten. Diese Intransparenz hemmt demokratische Prozesse und auch hier ist Herr Wewers wieder gefragt, diese Prozesse auch öffentlich zu halten. Darauf haben aber auch die BürgerInnen zu achten, die Spannung zu halten, mitzumachen, sich zu informieren. Es bring nichts, ein Thema dieser Größenordnung alleine der Verwaltung und Politik zu überlassen.

In Marl ist zu lesen:

„Werden über 300 alte Bäume am Jahnstadion in Marl-Hüls gefällt?
Mitglieder der Bürgerinitiative Marl Hüls haben nachgemessen. Sie haben eine Baumzählung durchgeführt, wobei nur Bäume mit einem Stammumfang von 80 cm gezählt wurden. Das Ergebnis ist erschreckend, über 300 alte Eichen und Buchen stehen auf der Abschussliste für die Bebauung des Jahnstadions, hunderte nachwachsende Bäume in diesen Mischwald nicht mitgerechnet.
Die Fläche ist nicht notwendig für den Wohnbaubedarf der Stadt Marl. Die Bürgerinitiative Marl Hüls fordert: Kein Baum am Jahnstadion darf gefällt werden, von den Ausgleichsmassnahmen das Pflanzen von Bäumen in Haltern haben die Hülser Bürger nichts.“

Dieses Beispiel zeigt, dass es als Bürger wichtig ist, mitzumischen, aufzupassen, sich einzubringen.

Fazit:

Am 4. Juli 2019 findet eine Ratssitzung auch zu diesem Thema statt. 
Es ist wichtig, sich zu informieren und auf dem Laufenden zu bleiben. Es geht bei dieser Investition nicht um FÜR oder DAGEGEN. Es geht um das WIE. Und wenn das Projekt nicht den Menschen im Fokus hat, wie es für eine kommunale Angelegenheit zu sein hat, ist es erforderlich, andere Lösungen zu finden. Eine FAKT-AG ist auch nur eins von vielen Unternehmen, das Geld verdienen will.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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