Bürgerreporter-Meinung: Langzeitarbeitslose
Die Regierung verwirrt und weiß wohl nicht weiter

In der Presse ist zu lesen:

„Wie die Bild-Zeitung unter Berufung auf Parteikreise meldet, soll Bürgergeld-Beziehern, die bei Schwarzarbeit erwischt werden, die staatliche Leistung zeitweise gestrichen werden.

Mietzahlungen sollen nicht ausgesetzt werden. Genauso wie bei Sanktionen für Totalverweigerer soll demnach der Regelsatz für zwei Monate nicht gezahlt werden. Damit solle der Druck auf Bürgergeld-Bezieher erhöht werden, eine reguläre Arbeit aufzunehmen. Die Mietzahlungen sollen dem Bericht zufolge weiter übernommen werden, um Obdachlosigkeit zu verhindern.“

Wo soll es denn nun hingehen? Will man das Bild vom faulen Arbeitslosen weiter malen? Oder sind Langzeitarbeitslose jetzt doch arbeitend, nur eben schwarz? Faul, arbeitend? Es mag verwirren. Wie weit die Politik an der Lebenswirklichkeit der arbeitsfähigen Bevölkerung entfernt ist, wird nicht deutlicher, als jetzt. Nur mal ein paar Ansätze, was denn die Hemmnisse von Arbeitsaufnahme sein können:

Die Facetten der Langzeitarbeitslosigkeit

Wer sich gerne aus dem HartzIV-Bürgergeld befreien möchte, hat es jedoch nicht leicht. Langzeitarbeitslose haben in den ersten sechs Monaten kein Anrecht auf den gesetzlichen Mindestlohn. Ein Schelm, der denkt, das wüssten Arbeitgeber nicht. Und sicher wird es auch in der Praxis nicht passieren, dass genau dies ausgenutzt wird und der Arbeitnehmer nach sechs Monaten dem Jobcenter wieder zurückgeführt wird. Oder doch?

Andererseits wäre es wirklich vortrefflich, schafft ein Langzeitarbeitsloser den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt. Wir reden also von einem Arbeitsmarkt, der einen Menschen ohne Transferleistungen ein angenehmes Leben ermöglichen könnte.

Die Arbeitsagentur veröffentlich 2022:

„Von den 1,26 Millionen Abgängen aus Langzeitarbeitslosigkeit nahmen 221.000 (18 Prozent) eine Beschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt (einschließlich Selbständigkeit) und knapp 33.000 (3 Prozent) am 2. Arbeitsmarkt auf.“

Nur noch 61% von diesen 18% sind nach zwölf Monaten sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

82% der Langzeitarbeitslosen schaffen es eben NICHT in den ersten Arbeitsmarkt zurück. Man sieht, es ist leicht, wieder in die Langzeitarbeitslosigkeit zurückzufallen. Alle weiteren Arbeitsstrukturen münden im Wegfall aus der Statistik, prekäre Arbeitssituationen oder in die Unterbeschäftigung (Maßnahmen).

Angst vor Wohnungslosigkeit

Großtönend wird verkündet, dass die Mietzahlungen bei einer Sanktionierung von Langzeitarbeitslosen übernommen wird. Die KdU (Kosten der Unterkunft) reicht jedoch bei dem aktuellen Wohnungsmarkt nicht mehr aus. Wir wissen um die kommunalen finanziellen Situationen. Und wer bezahlt die KdU? Die Kommunen. Wer setzt die Höhe der Kosten fest? Die Kommunen. Und wer baut keine Sozialwohnungen? Richtig: Die Kommunen. 

Seitdem die Politik auf das schmale Brett kam, den Mietspiegel zu relaunchen, halten gierige VermieterInnen die Hand auf. Es gibt sie, die VermieterInnen, die jede klitzekleine Möglichkeit nutzen, um nur noch den letzten Cent aus den Mietern herauszuwringen. Man spricht nur nicht gerne darüber. Es legt sich ein Schleier des Versagens über die Gesellschaft, wenn man darüber spricht, sich die Wohnung nicht mehr leisten zu können. Dabei liegt das Versagen bei den gierigen VermiterInnen, die politischen Geschenke ausnutzen. Wieso der Immobilienmarkt vermietertreu unreguliert bleibt, sollte ein extra Bericht werden. Das hat seine Gründe.

Wenn also ein Langzeitarbeitsloser einen Antrag auf HartzIV-Bürgergeld gemacht hat, wird ihm bestenfalls die KdU gewährt. Vielleicht wohnte er schon den Kosten entsprechend. Aber die Lebenswirklichkeit sieht oftmals anders aus. Man darf also vermuten, und ich weiß auch durch sichere Quellen, dass es so ist, dass Bestandsmieten die Möglichkeit einer Gewährung unterliegen können. Dennoch können sie kommen, die Umzugsaufforderungen. Und sie fühlen sich gar nicht gut an. Sie machen krank.

Denn hinten kommen die Mieterhöhungen, Nebenkosten, die nicht alle übernommen werden und nach vorne bietet sich kein Mietermarkt, der alleine schon den Normalverdienern geneigt ist. Wie soll ein HartzIV-Bürgergeldempfänger eine bezahlbare Wohnung finden?

Wohl dem, der Stillschweigen bewahrt, sich nicht auffällig benimmt, sei ihm die Wohnung vom Amt gestattet. Auch wenn sie nicht 100%-ig der KdU entspricht. Dann nimmt man auch keine Erwerbsarbeit auf. Denn da kann man scheitern. Dann muss ein neuer Antrag gestellt werden. Wird dieser dann hoheitsvoll genehmigt? Das weiß nur das Ermessen.

Und wie sieht die Entwicklung der KdU aus? Steigen die Mieten von HartzIV-Bürgergeldempfängern weniger als bei anderen BürgerInnen? Wir können davon ausgehen, dass dem nicht so ist. Im Jahr 2023 mussten durchschnittlich 107 Euro vom Regelsatz abgezweigt werden, um die Mietlücken zu schließen. Mancherorts beläuft sich diese Zahl gar auf bis zu 200 Euro. Und dann fragt man sich, wieso es bei den Tafeln immer voller wird? Und die Tafeln dürfen niemals systemrelevant sein. Sie dürfen nicht das Fehlverhalten der neoliberalen Politik auffangen müssen. 

Man kann natürlich sagen: „Sollen die faulen Arbeitslosen doch endlich mal arbeiten.“ Wenn 82% nicht in den ersten Arbeitsmarkt gelangen, werden sie bei den anderen Arbeitsmarktstrukturen sowieso am Hungertuch der KdU nagen.

Schwarzarbeit – nachvollziehbar

Kein Minijob reicht für die Miete und Lebenshaltung aus. Kein Midi Job reicht für die Miete und Lebenshaltung aus. Arbeitende Langzeitarbeitslose, die hinzuverdienen, müssen zunächst 80 ct. eines jeden Euros nach 100 Euro Freibetrag abgeben. Da kommt man auch auf keinen grünen Zweig, so dass man sich aus einer prekären Wohnsituation befreien kann. 

Ist es da nicht verständlich, dass sich ein paralleler Arbeitsmarkt entwickelt? Schwarzarbeit ist natürlich nicht legal. Aber ist es nicht auch nachvollziehbar, dass Menschen sich ein wenig hinzuverdienen möchten, im eigentlichen Sinne? Gerne wird behauptet, dass HartzIV-Bürgergeldempfänger ja schon Miete und alles weitere bezahlt bekommen. Da wäre es nur gerecht, wenn man ihnen auch von dem verdienten Geld was abnimmt.

Ist es wirklich gerecht, wenn Menschen aus ihrer prekären Situation nicht mehr herauskommen und in eine drangsalierende Lebenssituation der ermessenden Jobcentermitarbeiter ausgeliefert sind? Ermessenssache und Mitwirkungspflicht ist der Garaus einer jedweden Beziehung dieser Art. Eine Vertrauensbasis wird da kaum hergestellt. Wer in dieser Situation ist, gibt entweder auf, wird krank oder kämpft, bis dass er dann letztendlich aufgibt. Bis auf die 18%, die es wieder auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen. Abzüglich der 39%, die ein Jahr später wieder auf HartzIV-Bürgergeld zurückfallen.

Und die SPD macht dabei mit!

Es ist ja leider nicht mehr zu leugnen, dass die Bundes-SPD sich dem Rechtsruck beugt. Olaf hat leider nicht so gezogen, wie gewünscht. Man könnte ja fast denken, er war auch als Kanzlerkandidat nicht ernst gemeint, aber das ist nur Hörensagen. Dennoch haben wir ihn. Scholz, der Chinaversteher. Will er an der Macht bleiben? Man kann es ihm nicht ansehen. Dennoch will die SPD sicher nicht in den Untergrund verschwinden. Nach dem verheerenden Ergebnis der Rechten und Rechtskonservativen bei der Europawahl müssten eigentlich die sozialen Parteien richtig Gummi geben. Stattdessen werden wir an die „Rocky Horror Show“ erinnert:

„It's just a jump to the left. And then a step to the right.“

Links antäuschen und nach rechts wandern. Merkt ja keiner, passiert langsam. Die populistisch konstruierte Brandmauer ist keine mehr. Und nun trötet die SPD in das gleiche Rohr der Rechtspopulisten, welche die Grundsicherung gleich ganz abschaffen wollen. CDU und FDP vorne weg. Ganz im faschistischen Meloni-Style in Italien, sollen Langzeitarbeitslose nach 6 Monaten einfach aus der Grundsicherung fallen. Und die SPD stellt sich nicht mehr in den Weg, sie machen mit. Noch zaghaft aber dringlicher.

Es fühlt sich wirklich ganz übel an, mit anzusehen, wie die Politik jegliches Soziale in den Parlamenten aufgibt. Für Stimmen von rechts. Die Populisten schaffen Bilder von Menschengruppen, die nicht stimmen. Aber Hass muss man doch mal haben dürfen. Irgendeiner muss doch schuld sein, am persönlichen Dilemma. Dass jedoch die neoliberale und kapitalistische Politik aufgehört hat, sozialdemokratisch für die BürgerInnen zu regulieren, das muss erst verstanden werden. Und wer reguliert die gierigen VermieterInnen, welche Bestandsmieten erhöhen und erhöhen und erhöhen?

Wo die wirklichen Sozialsystem Zehrer sitzen, wird nicht reguliert.

Und mit dem „Step to the right“ ist nun mehr eine weitere soziale Partei auf Abwegen geraten.

Autor:

Sandra Stoffers aus Recklinghausen

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