Das Loslassen-Können spricht auch für die Altersweisheit eines Politikers!
Das Loslassen-Können zum richtigen Zeitpunkt ist eine Kunst. Das gilt insbesondere auch für betagte Politiker, die populär sind und als "elder statesmen" eine Politik mit Augenmaß und Gelassenheit verkörpern. Irgendwann muss Schluss sein, das sollte auch Herrn Zerbst einleuchten. Das hat nichts mit Ausgrenzung und Abwertung älterer Mitbürger zu tun, sondern ist eine Frage der politischen Notwendigkeit. "Das Leben ist ein beständiges Abschiednehmen. Jeden Abend nimmt man von einem Tage Abschied, oft mit einem Seufzer der Erleichterung, aber oft auch mit Schmerz", schrieb die Historikerin und Schriftstellerin Ricarda Huch (1864-1947). Ungeachtet dieser täglichen Übung im Loslassen-Können verpassen Politiker oftmals den Zeitpunkt für das Karriereende. "Kein Abschied auf der Welt fällt schwerer als der Abschied von der Macht", wusste schon der französische Politiker und Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand (1745-1838). Es überrascht daher in keiner Weise, wenn Politiker auch im Rentenalter nicht vom Chefsessel lassen können. In diesem Fall ist es Ferdinand Zerbst, der quasi an seinem Stuhl festklebt. Warum? Will er nicht oder darf er nicht gehen? Ich denke, Thomas Bernemann (CDU) aus Speckhorn wartet schon geduldig ... Soll der gar nicht Vize-Bürgermeister werden? Zerbst muss bleiben, damit Bernemann ausgegrenzt wird. Spekulationen sind Tür und Tor geöffnet ... Hier wird keine Altersdiskriminierung betrieben, hier wird auch keine unchristliche Position eingenommen, sondern ich bin bestrebt, die Strategie der CDU zu beleuchten. Zerbst hat noch weiterhin eine wichtige Funktion für die Recklinghäuser CDU zu erfüllen. Es ist nicht auszuschließen, dass Zerbst einen unliebsamen Konkurrenten für Christoph Tesche verhindern soll (Thomas Bernemann oder Willi Brauckmann). Natürlich sehe ich die Tätigkeit von Papst Benedikt XVI. mit Hochachtung an und schätze die wertvolle Arbeit älterer Bischöfe (Altersgrenze: 75 Jahre) und Priester in unseren Gemeinden. Letztere sind natürlich aufgrund einer Notsituation (kaum junge Priester) tätig und haben mit 75 Jahren keine leitenden Ämter mehr inne. Warum gilt das nicht für Politiker? Tüchtige Wissenschaftler, Forscher, Lehrer und weitere Berufsgruppen müssen mit 65 (demnächst 67) Jahren in Pension bzw. Rente gehen. Für Politiker scheint es da wieder einmal Ausnahmen zu geben. Warum gelten hier nicht gleiche Maßstäbe? Der ehemalige Bundeskanzler Konrad Adenauer war ein ausnahmefall. Man hat nach dem Krieg händeringend überzeugte Demokraten und Anti-Faschisten gesucht, die die Fähigkeit besaßen und bereit waren, in größerem Maße Verantwortung für die junge Demokratie auf deutschem Boden zu übernehmen. Das hat Adenauer mit Bravur und jugendlichem Elan gemacht. Adenauer war konkurrenzlos, Zerbst ist es nicht. Geeignete Nachfolger für Zerbst stehen bereit und dürfen sich nicht warmlaufen. Der Grat zwischen engagiertem Beharren und Nicht-Loslassen-Können ist meist nur sehr schmal. So macht das verzweifelte Festhalten an alten Posten aus manchen Respektspersonen schnell eine tragische Figur. Dabei ist auf der Bühne des Lebens- zumindest im Bereich der Politik- der richtige Zeitpunkt zum Aufhören gleichzeitig auch der schönste. Die deutsche Schauspielerin Käte Haack (1892-1986) empfahl: "Hast du eine große Freude an etwas gehabt, so nimm Abschied! Nie kommt es zum zweiten Male." Herr Zerbst sollte die Worte dieser Schauspielerin verinnerlichen und seine Konsequenzen daraus ziehen! Als (Alt-) Vizebürgermeister könnte er sich ja noch vielfältig bei ehrenamtlichen Aufgaben (Besuchsdienst in Krankenhäusern etc.) betätigen. Die Senioren würden es bestimmt als große Ehre betrachten, von einem so engagierten und populären Mann besucht zu werden. Als Lehrer bleibt man in der Tat ein "Berufsjugendlicher", weil man tagtäglich mit neuen Ideen und Vorstellungen der Jugendlichen konfrontiert wird. Ich hoffe, dass ich noch lange dieser Tätigkeit nachkommen kann. Beim Karneval und bei den Schützen werde ich stets wohlwollend des Seniorenbeirates der Stadt Recklinghausen gedenken und ein Gläschen auf sein Wohl trinken. Man sieht also, dass ich beileibe kein Spalter der Gesellschaft bin, sondern nur Dinge in das rechte Licht rücken möchte!
Autor:Dr. Dr. Joachim Seeger aus Recklinghausen |
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