Maskenpflicht
Dabei möchte ich nur Brötchen kaufen
Die Maskenpflicht ist seit dem 2. April 2022 fast überall Geschichte und der Spießrutenlauf geht wieder los.
Was ich als Maskenträgerin erlebe, zeigt eigentlich recht genau, dass mit unserer Gesellschaft was nicht stimmt. Weitere Recherchen bringen mich zu der Erkenntnis: Ich verstehe die Menschen nicht mehr.
Aber der Reihe nach.
Beim Bäcker
Wir haben ihn, den Bäcker um die Ecke. Wenn in diesem Landen zwei KundInnen stehen, ist er schon recht voll. Daher bleibe ich gerne draußen stehen, bis dass jemand rausgeht. Wir erinnern uns: Abstand halten ist gerade nach Abschaffung der Maskenpflicht oberstes Gebot.
In der letzten Woche kam ein Mann ohne Maske daher. Der Laden voll, der Mann ohne Maske hinter mir. In solchen Situationen diskutiere ich gar nicht, sondern gehe. Diskutieren, um jemanden vor Ort zu überzeugen Maske zu tragen, bringt nichts. Wer es jetzt nicht verstanden hat, tut es auch weiterhin nicht. „Ist ja alles vorbei“ und „man hat uns gesagt, wir brauchen die Maske nicht“, so hört man oft.
Heute, eine Woche später, sprach mich die Verkäuferin an: „Hömma, wieso bist Du letzte Woche gegangen?“ Auch rechtfertige ich mich eigentlich nicht. Nun hat diese Frau sich aber nicht falsch verhalten und ich bin immer froh, wenn Menschen fragen und ein offenes Gespräch suchen. Ich antwortete: „Ich rede nicht gerne darüber“. „Ach so, in Ordnung“ und sie winkte ab. Kein Druck, nichts. Aber ich fand es ja nett, dass sie fragte. Also sagte ich: „Es wäre schon besser, wenn Ihr vom Hausrecht Gebrauch machen würdet und eine Maskenpflicht einführt. Denn wenn einer ohne Maske mir zu nahe rückt, bin ich weg.“ „Da bin ich absolut bei Dir“ bestätigte die Verkäuferin und eine Kundin (beide mit Maske) nickte mir wohlwollend zu.
Und schon stand wieder ein Junge (etwa 15 Jahre) in der Tür. Was soll ich sagen - ohne Maske. Ich sagte: „Siehste?“. Die Verkäuferin bot mir an, mir meine Brötchen nach draußen zu bringen. Das fand ich nett und lösungsorientiert. Nur kam sie nicht. Sie bediente den Jungen ohne Maske, der erst nach mir in den Laden kam.
Als ich wieder in den Bäckerladen trat, wurde ich bedient und die Verkäuferin bestätigte auch lautstark, dass ich recht hätte, sie mag das auch nicht und, und, und. Ich fühlte mich aber mittlerweile überhaupt nicht mehr wohl. Eigentlich wollte ich doch nur Brötchen kaufen.
Ähnliche Szenarien entwickeln sich auch im Supermarkt, wenn sich Menschen ohne Maske an der Kühltheke heranwanzen und keinen Abstand halten. Dann gehe ich einen Schritt zurück und überlasse all die Produkte alleine dieser Person, die mal gar nichts versteht. Und ich warte.
Was läuft hier falsch?
Weil ich mich vorsichtig mit Maske und Abstand durch das Leben bewege, falle ich in solchen Situationen auf. Wieso falle ich auf und nicht die Menschen, die keine Maske tragen und auch den Abstand nicht einhalten? Wieso bin ich im Mittelpunkt und es bilden sich Diskussionen um mein Verhalten? Sollte Maske tragen und Abstand halten in der Pandemie nicht normal sein?
Darüber hinaus stehe ich mit der Maske draußen und warte auf meine Brötchen und der Junge ohne Maske wird drinnen bevorzugt bedient. Man wird noch belohnt, wenn man sich nicht gesellschaftstauglich in einer Pandemie verhält. Ich mag nicht mehr gerne zum Bäcker gehen, weil das nicht die erste Situation dieser Art war. Ich möchte doch nur einfach einkaufen und gehen.
Ich verstehe die Menschen nicht mehr.
Umfragen zur Maskenpflicht
Nach diesem Vorfall fragte ich mich, wo die Menschen geblieben sind, die je nach Umfrage überwiegend für die Maskenpflicht waren. Es ist ja nicht nur beim Bäcker so. Macht man sonst wo seine Einkäufe, ist der Maske tragende Mensch eher die Ausnahme geworden. Wird man im Museum gebeten, wird diese Bitte gerne überlesen. Wieso sollten Fremde in geschlossenen Räumen sich noch anstecken? Ist doch alles vorbei und wieder alles erlaubt. So empfindet es wohl die Allgemeinheit.
Also schaute ich im Netz nach, um einen Eindruck zu erhalten, wie die Menschen eigentlich zur Maskenpflicht stehen. Im März 2022 startete T-Online eine entsprechende Umfrage mit 5.000 Menschen. Das Ergebnis war: 70% sind für die Beibehaltung der Maske beim Einkauf.
Diese 70% sieht man aber nicht mehr. Was ist passiert? Haben diese Menschen plötzlich kein empfinden mehr dafür, dass das Virus weitergetragen wird und mutieren kann? Oder haben sie einfach Angst, aufzufallen? Manche haben ja schon ein Problem damit, wenn einer doof guckt. Und wie schnell man zum Mittelpunkt wird, weil man sich einfach aus einer brenzlichen Situation heraus, entscheidet zu gehen, habe ich ja bereits beschrieben.
Ich denke, es ist ein wenig von beidem. Das Gefühl, die Coronazeit sei überstanden, macht sich breit. Gefährlich ist nur, dass nicht mehr so viel getestet wird und auch nicht mehr regelmäßig Zahlen an das RKI gemeldet werden. Kleines Schmankerl: Heute hat das RKI keine Covid-19-Infektionen und keine Todesfälle zu vermelden. Da freut man sich doch – es ist wirklich alles vorbei. Oder man sieht ganz realistisch, wie unrealistisch die Zahlen noch sind. Wir haben also keine wirkliche Übersicht, wo wir denn gerade in der Pandemie stehen.
Und natürlich gibt es auch diejenigen, die sich nicht trauen aufzufallen. Man will doch dazugehören. Welches „dazu“ es gerade ist, hängt von der Gruppendynamik ab. Und diese geht aktuell in Richtung „nö“ zur Maske. Ob das klug ist, sei dahingestellt. Es haben sich so viele nicht gerade klug in der Pandemie verhalten.
70% waren noch vor zwei Monaten für die Maskenpflicht und verhalten sich nun anders. Ich verstehe die Menschen nicht mehr.
Der Schutz durch Masken
Wenn wir in einem Raum mit fremden Menschen sind, wissen wir nicht, ob sie geimpft, geboostert, genesen oder Impfgegner sind. Wir wissen nicht, wie hoch gerade die Ansteckungsgefahr ist, stehen wir in einer Schlange an der Kasse. Und wenn diese Menschen, die wir nicht kennen, keine Maske tragen, scheint ihnen auch egal zu sein, ob sie jemanden aus einer Risikogruppe gerade anstecken. Es gibt Menschen, bei denen wirken die Impfungen nicht. Es gibt Menschen, die Lungenkrankheiten haben. Es gibt Menschen, die alt sind und somit grundsätzlich gefährdet. Aber trägt man in diesen Räumen keine Maske, will man ja nur selbst seine Freiheit genießen.
Freiheit? Die Maske ist unsere Freiheit. Denn sie gibt auch vulnerablen Gruppen die Möglichkeit, sich im offenen Raum zu bewegen. Auch hier verstehe ich die Menschen nicht. Die Maske hat uns in der schwersten Coronazeit die Möglichkeit gegeben rauszugehen. Eine Bekannte, die im Rollstuhl sitzt sagte mal: „Die Menschen sagen, ich bin an den Rollstuhl gefesselt. Dabei gibt er mir Freiheit, mich bewegen zu können.“
Und ich frage mich, wieso immer so negativ gedacht wird. Die Maske schützt uns, bringt uns Freiheit.
Wenn also diese fremden Personen im geschlossenen Raum ohne Maske unterwegs sind, muss man sich selbst schützen. Und wie die FFP2-Maske das kann, hat folgende Studie ergeben:
„Wenn sich ein infizierter und ein gesunder Mensch in einem Innenraum auf kurzer Distanz begegnen, liegt die Ansteckungsgefahr demnach auch nach 20 Minuten bei gut einem Promille (0,1 Prozent). Voraussetzung sei der korrekte Sitz der FFP2- oder KN95-Maske, schreibt das Team um Institutsdirektor Eberhard Bodenschatz in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS").
Für optimalen Schutz muss der Nasenbügel demnach zu einem "abgerundeten W" geformt werden, so dass er seitlich auf die Nasenflügel drückt. Bei OP-Masken reicht eine gute Passform noch, um die Infektionsgefahr auf maximal zehn Prozent zu senken.“
Und es geht wieder los
Das Gefühl, die Pandemie sei vorbei, ist schwer wieder einzufangen, wenn es um das Einhalten von Maßnahmen geht. Aktuell breitet sich der BA.5-Subtyp der Corona-Omikron-Variante in Portugal aus. Täglich werden um die 30.000 Infektionen gemeldet. Im Nachbarland Spanien werden nur noch Infektionen von Menschen über 60 Jahren gemeldet und Maßnahmen finden fast gar nicht mehr statt.
Und wohin fliegt der Deutsche gerne in den Urlaub? Nach Spanien. Die Wahrscheinlichkeit, diese sich extrem stark verbreitenden Variante ins Haus zu holen ist also groß. Auch in den USA ist dieser Subtyp stark aktiv und lässt die Zahlen massiv steigen.
In Deutschland sind gerade mal 76% grundimmunisiert. Und bei den Geimpften und Geboosterten sinkt der Schutz nach einer Zeit. Das bedeutet, man ist zwar vor einem schweren Verlauf geschützt, kann sich jedoch anstecken. Und das sogar mittlerweile mehrfach.
Was dringend auch in das Bewusstsein der Gesellschaft dringen muss, sind Informationen über Long-Covid. Die Professorin Carmen Scheibenbogen von der Charité teilt im „Bericht aus Berlin“ mit, dass 8-10% der Infizierten (auch Geimpfte) an Long-Covid leiden. Zu sehen im Link ab der 4. Minute und verfügbar bis zum 29.05.2023.
Wir tragen das Virus immer weiter, weiter, weiter. Nicht immer bemerkt man, ob man infiziert ist. Und nun kommt wieder eine neue Variante. Das Virus mutiert. Bisher hatten wir Glück, dass die Mutationen nicht schlimmer waren als die Ursprungsversion oder Delta. Aber was, wenn wir dazu beitragen, dass das Virus zu unserem Nachteil mutiert?
Damit dies nicht passiert, müssen wir uns weiter schützen.
Auch wenn ich mich mit diesem Artikel in ein Haifischbecken begebe, werde ich unermüdlich weiterhin darüber reden, schreiben und aufmerksam machen: Wir machen es mit unserem Verhalten davon abhängig, wie lange wir noch mit der Bedrohung Covid-19 zu kämpfen haben.
Jetzt suche ich mir erst mal ein schönes Rezept zum Brötchenbacken heraus.
Autor:Sandra Stoffers aus Recklinghausen |
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