Angela Merkel – 16 Jahre Bundeskanzlerin
Angela Merkel – 16 Jahre Bundeskanzlerin. Eine Bilanz
Angela Merkel – 16 Jahre Bundeskanzlerin. Eine Bilanz
„Regiere den großen Staat, wie man kleine Fische brät.“
Laotse: Tao Te King. Seidentexte von Mawangdui
Angela Merkel regiert seit 16 Jahren die Bundesrepublik Deutschland. Wie ist es möglich, den Staat durch solche Turbulenzen zu lenken, wie wir sie erlebt haben, ohne zu straucheln? Regiert sie, „wie man kleine Fische brät“? „Weise, gemäß dem Dao“: so, dass „sich die Kräfte ohne Reibungsverlust und ohne verzehrende Spannung“ „entfalten“ können?
Die Wirklichkeit ist prosaisch: Ihr wird Opportunismus vorgeworfen. Sie nutze alle Privilegien, die sie seit ihrer Jugend als Kulturbeauftragte“ (A. Merkel) in der sozialistischen Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) hatte. Es sei „normal“ gewesen, „viele Jahre in der FDJ Mitglied gewesen zu sein.“
Merkel: „Ich habe mir ein Leben als Wissenschaftlerin ausgesucht. Ich habe mir ein Studium ausgesucht, damit ich nicht so viele Kompromisse eingehen musste.“
„Doch welche Kompromisse“, fragen Kritiker, „ging sie in ihrer Vergangenheit dann tatsächlich ein? Erledigte sie für die Staatssicherheit vielleicht doch die ein oder andere Gefälligkeit im Gegenzug für ihren beruflichen Aufstieg und die Sicherheit vom Staatsapparat in Ruhe gelassen zu werden?“
[Quelle: Welt am Sonntag, 19. Juni 2005]
Angela Merkel hat ihre Sozialisation in der DDR erfahren und wurde vom Elternhaus, von der Gesellschaft und vom politischen System geprägt. Dementsprechend war sie angepasst und ging, karrierebewusst, schon damals den Weg des geringsten Widerstandes.
Das kann ich nachvollziehen: Ich war als Pimpf, dann als „Hitlerjunge“ (HJ), immer in Führungspositionen, habe eine Offizierskarriere angestrebt und wurde erst dezidierter Pazifist, nachdem ich an zwei Kriegen teilgenommen hatte, von Juli bis 45 am Zweiten Weltkrieg und von 1951 bis 1954 als Parachutist in der französischen Fremdenlegion am Indochinakrieg.
Ihr Politikstil wird im Wesentlichen von ihrem naturwissenschaftlichen Beruf bestimmt. Sie ist Physikerin, da zählen Zahlen, Daten und Fakten – die exakte Analyse. Eine Grundvoraussetzung für alle Entscheidungen. Die andere: sich von einem Team kompetenter Berater*innen aus allen wichtigen Ressorts und aus den unterschiedlichsten politischen Lagern zu umgeben.
Drei Beispiele:
Peter Altmaier, katholisch-konservativ, seit dem 14. März 2018 Bundesminister für Wirtschaft und Energie, ein in vielen innen- und außenpolitischen Funktionen erfahrener Beamter.
Maja Göpel, eine junge (* 1976) Transformationsforscherin, Politökonomin, Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und Hochschullehrerin.
Sie hat ein immenses Wissen, denkt systemisch und ökologisch. Sie hinterfragt die weltweiten Krisen in Umwelt und Gesellschaft: „Sie offenbaren, wie wir mit uns und dem Planeten umgehen, auf dem wir leben.“ Wenn wir diese Krisen meistern wollen, schreibt sie, „müssen wir uns die Regeln bewusst machen, nach denen wir unser Wirtschaftssystem aufgebaut haben. Erst wenn wir sie erkennen, können wir sie auch verändern – und unsere Freiheit zurückgewinnen.“
Mehr über sie und ihr Buch „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung„ im Zeitfragenblock unter https://stahlbaumszeitfragenblog.wordpress.com/?s=Maja+G%C3%B6pel
Christian Drosten, Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie ,„der nichts beschönigt und nichts dramatisiert. Der abwägt und korrigiert, der sagt, wenn er etwas nicht weiß oder am Vortag zu kurz gedacht hat. [Der Stern am 17. März 2020]
Die Kanzlerin hat die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, zu erkennen, was andere Menschen fühlen und denken. (Empathie) Und sie hat Mitgefühl.
Dies zeigt sich in den Talkrunden und bei der Videoschalte mit Bürger*innen, die mit den Corona-Beschränkungen große Probleme haben, auch als sie seit 1915 rund 800 000 Flüchtlinge in der BRD aufnahm; die meisten von ihnen waren Syrier.
Sie hat einen ganzheitlichen Ansatz, aber sie überschreitet nicht die Grenzen des Systems, dem sie verhaftet bleibt. Sie will den Kapitalismus zwar reformieren und kontrollieren, menschlicher gestalten und scheitert daran, denn im Kapitalismus zählt allein der Profit, und der geht über Leichen.
Das beweisen die deutschen Waffenexporte in alle Welt, in Kriegs- und Krisengebiete.
„Die hemmungslose Lieferung von Waffen in Spannungs- und Kriegsgebiete zeigt, dass nicht einmal die immer wieder viel beschworene Kontrolle von Rüstungsexporten funktioniert. Denn „während die UNO zum weltweiten Waffenstillstand aufruft, um die Coronavirus-Pandemie zu bekämpfen, gießt die Bundesregierung mit ihren Kriegswaffen in Krisengebiete weiter Öl ins Feuer“, erklärt Sevim Dagdelen.
´Wir brauchen einen sofortigen Waffenexportstopp und eine Umstellung der Rüstungsindustrie auf zivile Güter wie beispielsweise medizinische Geräte. Es ist Zeit, für das Leben statt für den Tod zu produzieren. Ziel muss es sein, dass in Zukunft kein Arbeitsplatz in Deutschland mehr vom Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern abhängig ist.`“
[Geschäft mit Kriegswaffen boomt. Nachricht von Sevim Dagdelen, MdB DIE LINKE am 16. Juli 2020]
Hier fehlt der Bundeskanzlerin der Mut und – ich vermute – auch der Wille, sich gegen Parteigenossen, die für die Rüstungslobby arbeiten, durchzusetzen und auf Parteispenden der Rüstungsindustrie zu verzichten.
Rüstungslobby im Bundestag
Einige Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestags sind auch im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT). Bis vor kurzem gaben das aber nicht alle an, wie die Neue Westfälische Zeitung berichtet.
In dem Verein, der als Lobbyorganisation der Rüstungsindustrie gilt, seien neben anderen Mitgliedern des Verteidigungsausschusses auch (...) Wolfgang Hellmich (SPD). Im Gegensatz zu den anderen hatte (...) Hellmich das aber bis vor kurzem nicht angegeben. Dass Abgeordnete ihre Nebentätigkeiten verschweigen ist der Neuen Westfälischen zufolge nichts Neues. Bereits 2009 habe ein ähnlicher Fall für Empörung gesorgt. Damals hätten sogar fünf Abgeordnete ihre Nebentätigkeit in Vereinen, die der Rüstungsindustrie nahestehen, verschwiegen.
Abgeordnete für Rüstungs-Lobby aktiv, [nw-news.de, 16.08.2014]
Die Bundeskanzlerin war auf dem richtigen Weg. Sie ist dann aber im Korruptionssumpf stecken geblieben.
Autor:Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen |
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