Doku über Orte und Menschen im Ruhrgebiet
Tatort-Kommissar im Ruhrpott
Martin Brambach kennen Millionen Zuschauer als Kommissariatsleiter Schnabel aus dem Dresdner „Tatort“, seinen Wohnsitz hat der Schauspieler aber mit seinem Sohn und seiner Frau in Recklinghausen. Drei weitere Kinder studieren in Münster und an der Ruhr Universität Bochum. In Dresden geboren hat er seine ersten Schritte in die Schauspielkunst in Bochum getan. Das Stück „Die Eroberung des Südpol“ war seine erste Bühnenproduktion, jetzt erobert er das Ruhrgebiet: Für das Arte-Format „Square für Künstler“ hat er den Dokumentarfilm „Carte blanche für Martin Brambach – Heimat:Revier“ gedreht, für den er vielseitige Orte und Menschen des Ruhrgebiets aufgesucht hat.
Gleich am Anfang Ihres Films sagen Sie über die Menschen im Ruhrgebiet: Man geht aufeinander zu, man duzt sich – wollen wir das auch tun?
Gerne!
Dann, Martin: Seit 17 Jahren lebst du jetzt im Ruhrgebiet – wo erreiche ich dich jetzt?
In Recklinghausen beim Home Schooling mit meinem Sohn. Arbeitsmäßig habe ich im Moment nicht viel zu tun und komme damit klar, weil ich letztes Jahr viel gedreht habe. Daher habe ich großen Respekt vor denjenigen, die parallel noch im Home Office arbeiten müssen oder vielleicht sogar alleinerziehend sind und dabei noch ihre Kinder betreuen müssen. Mir wird also nicht langweilig.
Wenn du Zeit hast, bist Du anscheinend viel mit dem Fahrrad unterwegs.
Ja, ich genieße die Pause und versuche, mit dem Sohnemann möglichst viel mit dem Fahrrad zu fahren und das Ruhrgebiet zu entdecken.
Gibt es nach 17 Jahren hier noch viel zu entdecken?
Naja, in Bochum habe ich meine ersten Schritte in die Schauspielerei getan. In der 80er Jahren war ich auf der Bochumer Schauspielschule, meine erste richtige Produktion war „Die Eroberung des Südpols“ im Schauspielhaus. Danach habe in vielen Städten gewohnt: Dresden, Wien, Berlin …
„Ich fühle mich hier am wohlsten. Das hat auch viel mit den Menschen zu tun.“
Jetzt eroberst du das Ruhrgebiet.
Ja, ich lebe wahnsinnig gerne hier. Ich komme in meinem Beruf ja viel rum. Gedreht wird oft in Gegenden wie Sachsen, dem Schwarzwald oder an der Nordsee. Und wenn ich mal vergleiche, dann kann ich sagen: Ich fühle mich hier am wohlsten. Das hat auch viel mit den Menschen zu tun, aber auch landschaftlich finde ich es hier großartig. Es gibt wunderbare Orte, viele Überraschungen und mit dem Fahrrad kann ich bis nach Duisburg fahren, quasi ohne über eine Hauptverkehrsstraße zu fahren. Das empfinde ich schon als etwas ganz Besonderes.
Hat dich das überrascht?
Ja. Ich muss zugeben: Ich hatte früher auch das Bild vom grauen Ruhrgebiet. Dass es hier so grün ist, das hat mich doch überrascht. Auch die schönen Verbindungen zwischen den Städten wie die Zechenbahnstrecke finde ich absolut genial. Die machen das Ruhrgebiet zur größten Stadt von Deutschland und auch einer der schönsten.
Im ÖPNV ist noch Luft nach oben
...wenn die Städte sich mal so verstehen würden.
Dann wäre dem Ruhrgebiet doch sehr geholfen. Auch im Hinblick auf den öffentlichen Nahverkehr: Meine Kinder brauchen mit Bus und Bahn manchmal länger von hier bis Bochum, als ich mit dem Fahrrad. Und dann kocht jeder Verkehrsverbund sein eigenes Süppchen und es wird teuer – das kann Berlin dann doch noch besser, wo ich teilweise für zwei Euro eine Stunde lang Bahn fahren kann. Mit der Bahn nach Marl kostet es mich sechs Euro. Auch im Radverkehr innerhalb der Städte - da ist noch Luft nach oben.
Kam aus dem Fahrradfahren auch die Idee für den Film übers Ruhrgebiet?
Ja. Arte kam auf mich zu und hat gesagt: Mach doch mal was und hat mir recht freie Hand gelassen. Und dann habe ich mich auf den Weg gemacht.
Wie hast du ausgesucht, welche Orte du besuchst?
Viele Menschen und Orte kenne ich selbst schon. Bei der Eventlocation „Zeche Schlägel und Eisen“ in Herten sitzt meine Frau mit im Vorstand und den Biobauern Theo kenne ich auch schon länger. Ich wollte auch unbedingt mal mit einem Schiff fahren und habe dafür den Skipper Rolf Köppen kennengelernt. Was mir auch wichtig war, ist der Zukunftsaspekt des Ruhrgebiets. Deswegen hat mir die Produktionsfirma einen Kontakt zum Fraunhofer Institut hergestellt. Die arbeiten da unter anderem an Robotern, die automatisch die schnellsten Routen finden und wissen, welcher Roboter am besten wann wohin sollte, damit zum Beispiel möglichst viele Pakete schnellstmöglich verteilt werden. Dabei habe ich herausgefunden, dass in Nordrhein-Westfalen deutschlandweit am meisten Patente angemeldet werden. Das finde ich schon beeindruckend. Auch die Multi-Kulti-Region Ruhrgebiet war mir wichtig: Hier findet Integration statt, hier findet Kultur statt und danach haben die Menschen Hunger.
Womit wir wieder bei den Menschen im Ruhrgebiet sind.
Ja, die sind mir sogar das Wichtigste im Film. Über Zollverein wurde schon genug gesagt und gezeigt. Deswegen habe ich einen Mann besucht, der als türkischstämmiger Gastarbeiter hergekommen ist, um auf einer Zeche zu arbeiten, deswegen habe ich Holger, den Betreiber der Erzbahnbude besucht und deswegen habe ich den Fussballer Ingo Anderbrügge besucht.
Eine Doku über das Ruhrgebiet ohne Fussball kann ich mir nicht vorstellen
Dein Freund, der bei Schalke und (!) Dortmund gespielt hat?
Ja, eine Doku über das Ruhrgebiet ohne Fussball kann ich mir nicht vorstellen. Und mit Ingo bin ich bei den Ruhrpotthelden aktiv. Das ist ein Zusammenschluss von Unternehmen und Promis, die ein Mal im Jahr ein Benefiz-Fussballspiel spielen.
Für welchen Verein schlägt dein Herz?
Für Schalke. Auch, wenn es gerade schwierige Zeiten sind, wie es mir auch ein Radfahrer im Film erzählt hat. Letztes Jahr war ich auf einer Lesung von Frank Goosen, die fand am Samstag schon mittags statt. Und da hat er gesagt: Gewöhnt euch schon mal dran, das sind die Anstoss-Zeiten der zweiten Liga, haha! Er als Bochumer kann das ja sagen, wir Schalker müssen lernen zu leiden. Bayern-Fan zu sein, fände ich aber auch zu langweilig.
Inwiefern bist du denn auch beruflich im Ruhrgebiet vernetzt?
Mein Haupterwerbszweig ist der Film, aber meine Frau und ich machen viel hier im Ruhrgebiet. Es gibt ja nicht nur viele Veranstaltungen und entsprechende Lokalitäten, sondern auch einen großen Hunger nach Kultur. Ich nehme die Menschen so wahr, dass sie auch sehr offen für Kultur und Neues sind.
A pro pos offen: In den Tatort-Filmen spielst du die Rolle des oft schlecht gelaunten, miesepetrigen Kommissars, der nur ungern sein Büro verlässt. In dem neuen Dokumentarfilm gehst du aber auf die Menschen zu.
Ja, in Filmen kommt es natürlich darauf an, in was für eine Rolle ich schlüpfen soll, was nicht heißt, dass da manchmal auch ein Stück Brambach drin steckt, haha! Aber in „Square für Künstler“ bin ich authentisch ich. Ich bin nämlich eigentlich ein sehr offener Mensch. So, wie die Menschen hier. Die sprechen mich auch schon mal an und sagen: „Herr Brambach, ich hab Sie im Fernsehen gesehen.“ Und dann kommt hinterher: „War nicht so dolle“, haha!
Wohin gehst du denn, wenn du mal nicht entdeckt und alleine sein möchtest?
Haha, das verrate ich jetzt natürlich nicht, aber es gibt viele Orte hier im Ruhrgebiet wo man für sich sein kann. Zum Beispiel in Richtung Haltern oder bei Marl am Kanal habe ich mit meinem Sohn wunderschöne Ecken entdeckt. Aber noch mal: Diese Offenheit der Menschen mag ich, diese Verlässlichkeit, diese Ehrlichkeit, das ist meins und deshalb fühle ich mich hier angekommen.
Arte: „Square für Künstler mit Martin Brambach“ in der Mediathek
Jetzt am Sonntag (24. Januar) läuft der Film auf Arte …
… und ich würde mich freuen, wenn viele Menschen den Film sehen und das Ruhrgebiet mit anderen Augen sehen und, dass Menschen aus dem Ruhrgebiet hier neue Ecken kennenlernen.
- Gut, zu wissen:
Der Film ist noch bis zum 21. Februar in der Arte-Mediathek zu sehen. Hier der Link dazu:
https://www.arte.tv/de/videos/073049-057-A/square-fuer-kuenstler/
Autor:Fabian Schulenkorf aus Essen |
3 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.