MET im Kino: Anna Netrebko begeistert
Man darf getrost unterstellen, dass alle, die in der Metropolitan Opera in New York, der berühmten MET, singen, ihre Kunst auch beherrschen. Anna Netrebko in der Titelrolle von Donizettis "Anna Bolena" singt natürlich toll. Überraschend aber sind die exzellenten schauspielerischen Qualitäten des weiblichen Superstars der Klassik.
In der Interviewpause, oft mit das Spannenste an der mittlerweile 3. Opernstaffel im Cineworld Recklinghausen, brachte es Dirigent Marco Armiliato auf den Punkt. Über Anna Netrebko: „Sie ist ein geborener Star. Sie hat die DNA einer Diva.“ Wen schert's, dass die moppelig gewordenen Netrebko keine Model-Figur mehr hat. Hübsch genug und vor allem künstlerisch überzeugend ist sie allemal.
Ausverkauft war „Anna Bolena“. Es ist die Geschichte der geköpften Mutter der späteren Königin Elisabeth I. genannt "Die Große".
Anna ist die Frau von König Heinrich VIII. (geil und machtbesessen: Ildar Abdrazakov), der sie mit ihrer Freundin und Vertrauten Jane Seymore (Ekaterina Gubanova, auch sehr hörenwert) betrügt und loswerden will. So gibt Heinrich Anna dem Tode preis, lässt ihr den (Schau-) Prozess machen und sie hinrichten.
Sensationell gut ist Tenor Stephen Costello in der Rolle des Lord Percy, den einstigen Geliebten von Anna. Und in der Rolle des verliebten Pagen glänzt eine junge Frau: Tamara Mumford. Die MET-Abteilung Köstüme und Maske hat alles gegeben. Der gefolterte, betrogene, für Heinrichs Zwecke als Zeuge missbrauchte junge Mann ist blutüberströmt, ein Wrack. Dieser Page auf der weltberühmten Bühne wurde jedem modernen Horrorfilm zur Ehre gereichen.
Immer wieder reizvoll ist es, im Recklinghäuser Kino zeitgleich mit Millionen anderer Menschen in Tokio, Moskau, Los Angeles, New York und Sydney die Premiere solcher Opernereignisse live zu genießen. Mit allerlei Nervenkitzel: Klappt die Übertragung? Kippt niemand auf der Bühne um?
Die Opern-Übertragungen im Kino sind ein wahrer Augen- und Ohrenschmaus. Zwölf mobile Kameras erlauben intime und auch freche Einblicke, das gilt für die Bühne wie backstage. Man sieht die Künstler schwer atmen, den Schweiß rinnen, die Anspannung. Die Macher hinter den Kulissen kommen Zu Wort.
Und die interviews führen keine Journalisten, sondern weltberühmte Opernstars wie Placido Domingo, Deborah Voigt (spielt die Brünnhilde in Wagners Tetralogie "Der Ring der Nibelungen") und Renée Fleming.
Sehr unterhaltsame und lehrreiche Vorstellungen, auch für Fans anderer Musikrichtungen eine Entdeckung und Empfehlung.
Die nächsten Termine:
29. Oktober, 19 Uhr (zirka 235 Minuten, eine Pause): Mozarts "Don Giovanni“, mit Barbara Frittoli, Ramon Vargas und Mariusz Kwiecien. Dirigent: James Levine, Produtkion: Michael Grandage
5. November, 17 Uhr (zirka 356 Minuten, zwei Pausen): Wagners "Siegfried", mit Deborah Vopigt, Gary Lehman und Bryn Terfel. Dirigent: James Levine, Produktion: Ronert Lepage (gesungen in deutsch)
10. Dezember, 19 Uhr (zirka 260 Minuten, zwei Pausen): Gounods "Faust", mit Marina Poplavskaya, Jonas Kaufmann und Rene Pape. Dirigent: Yannick Nézet-Séguin, Produktion: Des McAnuff.
Karten: Pro Person 25 Euro, Infos: www.metimkino.de
Autor:Kerstin Halstenbach aus Recklinghausen |
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