Ruhrfestspiele: Literaturkritiker Denis Scheck interviewt Louis Begley
Louis Begley: Erfolgreicher Autor aus den USA zu Gast in Recklinghausen
Am Samstagnachmittag wurde im Rahmen der Ruhrfestspiele Schriftsteller Louis Begley (Jahrgang 1933) vom bekannten Literaturkritiker Denis Scheck vorgestellt und befragt.
Im Raum „Mars“ konnte das Gespräch in englischer Sprache und heimeliger Atmosphäre stattfinden. Scheck übersetzte in Abständen, indem er Louis Begleys Aussagen auf Deutsch zusammenfasste. Das Publikum, zu dem auch seine langjährige deutsche Übersetzerin, Christa Krüger, an diesem Nachmittag zählte, war Begley -auch räumlich- ganz nahe. Es traf auf einen kleinen weißhaarigen, feingliedrigen und elegant gekleideten Mann, fast 86-jährig, mit wachen, ernsten Augen.
Ein freundlicher Mann, der mittlerweile ein gutes Verhältnis zu den Deutschen entwickelt hat, die gerne seine Bücher lesen, wie er berichtete. Das Verhältnis, so betonte er, war nicht immer so: Als er 1955 von der amerikanischen Armee nach Göppingen geschickt wurde und einige Städte wie München, Stuttgart und Heidelberg „nur“ in Teilen zerstört sah, da hatte er sich noch gewünscht, dass dieses Deutschland, das seine Großeltern getötet hatte, „platt gemacht worden wäre von den Amerikanern“ – damals im Krieg.
Und der Dienst in der amerikanischen Armee war sein wahrer Integrationsschritt in die amerikanische Gesellschaft. Zuvor kannte er nur die gebildeten Schichten (in der Harvard Universität), entsprechend war auch sein Englisch.
In der Armee lernte er Bauernsöhne und Handwerker kennen und somit auch deren Sprache. Die Armee war überhaupt eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens, berichtete er, ebenso auch die Heirat mit Anka Muhlstein (französische Historikerin, 84 Jahre), seiner zweiten Ehefrau.
Louis Begley, 1933 in Polen geboren als Ludwik Begleiter, war das einzige Kind einer jüdischen Familie aus Galizien. Er überlebte den Krieg und die Schrecken des Holocaust nur dank gefälschter Papiere. Begleys Familie emigrierte 1947 in die USA und ließ sich in New York nieder. Seine Militärzeit führte ihn ausgerechnet nach Deutschland zurück.
Trotz eines Literaturstudiums mit „summa cum laude“, war er später in New York lange Jahre als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt tätig. Anfang der 1990er-Jahre wurde Begley als Schriftsteller durch „Lügen in Zeiten des Krieges“, der Geschichte eines Holocaust-Überlebenden, weltbekannt, in dem er auch wichtige Erinnerungen an die Horrorerlebnisse seiner Kindheit verarbeitete.
In Deutschland erscheint erst im November 2019 sein neues Buch „The Killer‘s Choice“, aus dem er einige Szenen (auf Englisch) vorlas. Vielen Lesern ist er schon durch seine „Schmidt-Trilogie“ bekannt, wobei der erste Band „About Schmidt“ 2002 mit Jack Nicholson in der Hauptrolle verfilmt wurde. Aber auch „Erinnerungen an eine Ehe“, „Zeig dich, Mörder“, „Ein Leben für ein Leben“ beweisen, Louis Begley ist einer der großen amerikanischen Schriftsteller.
Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
Am Schluss zur aktuellen amerikanischen Situation gefragt, äußerte sich Begley ohne Zögern über Donald Trump, den er als einzigartiges Phänomen bezeichnete: „ignorant, narzisstisch, brutal“.
Louis Begley ist eine Ausnahmeerscheinung, eine in sich ruhende, ganz wache, außergewöhnliche Persönlichkeit, die Intelligenz und Charme ausstrahlt. Am Ende von Denis Scheck schelmisch gefragt, warum Sex in seinen Romanen eine so große Rolle spiele, folgte eine kurze, kokette Antwort: „Because I like it“.
Langanhaltender Applaus - stehende Ovationen.
Autor:Werner Zempelin aus Olfen |
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