„Ich habe tolle junge Menschen erlebt“ - Doris K. (68) erlebte die Loveparade – und überlebte die Katastrophe

Im Zuge des Loveparade-Desasters von Duisburg wurde bereits viel gesagt. So auch, dass es nicht zuletzt die Schuld zugedröhnter Raver gewesen sei, dass die Situation eskalierte. „Das macht mich einfach fassungslos“, erzählt Doris K. Die Duisburgerin, die bei der Loveparade mit ihren 68 Jahren deutlich über dem Altersdurchschnitt lag, hat ganz andere Beobachtungen gemacht.
Für Doris K. sollte der 24. Juli ein ganz besonderer Tag werden. „Vor neun Jahren ist mein Sohn – selber Arzt – in Berlin an Krebs gestorben. Das habe ich bis heute nicht verwunden. Da ich mit ihm in Berlin einmal die Loveparade besucht hatte, wollte ich in Duisburg ebenfalls dabei sein, um mich ihm nahe zu fühlen“, so Doris K. Und sie war überrascht, wie positiv die größtenteils jungen Besucher auf sie reagierten. „Das war eine tolle Stimmung. Ich habe nur aufgeschlossene, fröhliche, interessierte junge Menschen getroffen, die mir Komplimente machten, weil ich in meinem Alter noch so unternehmungslustig bin. Ich habe diesen Tag zunächst wie ein Geschenk empfunden.“
So lange, bis die Situation eskalierte. Denn auch Doris K. steckte schließlich zum Zeitpunkt der Massenpanik im Tunnel fest und fürchtete um ihr Leben. „Wir wurden ja wie die Briefmarken zusammengequetscht. Als ich dachte, ich kann nicht mehr, sagte der große junge Mann vor mir: ‚Halt dich an meinem Rucksack fest, ich bring dich hier raus.‘ Und es ist ihm tatsächlich gelungen.“
Überhaupt habe es sie beeindruckt, wieviele Menschen versucht hätten, anderen zu helfen oder sie einfach nur zu beruhigen. „Überall wird es jetzt so dargestellt, als hätten sich die Besucher unter Drogen- und Alkohol­einfluss allesamt wie die Tiere benommen, doch das ist einfach nicht wahr. Es gab noch keine Würdigung der Menschen, die geholfen haben. Und das waren nicht wenige.“
Dass derzeit die Klärung der Schuldfrage im Vordergrund steht, empfindet Doris K. als unerträglich. „Mehr als 20 Eltern haben bei dieser Veranstaltung von einem Augenblick zum anderen ihr Kind verloren. Ich weiß, was das bedeutet. Darüber kann man niemals hinwegkommen. Diesen Eltern jeglichen Respekt dadurch zu versagen, dass wohl Schwachstellen im Sicherheitskonzept, nicht aber die Menschen, die ihnen zum Opfer fielen, in den Vordergrund gestellt werden, ist für mich unbegreiflich.“
Nachdem ihr der Weg aus dem Tunnel gelungen war, stand Doris K. unter Schock, fühlte nichts, sagte nichts, wollte nur noch nach Hause. Erst zwei Tage später begann sie, die Schmerzen ihrer glücklicherweise leichten Verletzungen zu spüren.
Die Bilder, Stimmen und Eindrücke aus dem Tunnel werden sie noch lange begleiten.

Autor:

Claudia Brück aus Düsseldorf

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