Uhrmacher lernen am Max-Born-Berufskolleg ihr Handwerk
Faszination für Mechanik
„Ich habe in meinem Leben nicht eine Armbanduhr getragen“, erzählt die Recklinghäuserin Lena Trespenhofer (22). Bei vielen anderen Menschen hat das Smartphone die Uhr abgelöst. Trotzdem ist der Beruf des Uhrmachers ein Beruf mit Zukunft, und es fehlt an Nachwuchs. Das sind gute Aussichten für Lena Trespenhofer, Sarah Boscor (21) und Felix Weber (22), die zusammen mit etwa 60 weiteren Auszubildenden den Beruf am Recklinghäuser Max-Born-Berufskolleg erlernen.
Sechs Schulstandorte gibt es bundesweit, an denen dies möglich. Recklinghausen ist der einzige in Nordrhein-Westfalen. „Die Ausbildung zum Uhrmacher ist im Regierungsbezirk Münster seit mehr als 100 Jahren organisiert“, weiß Alfons Bußkamp, Uhrmachermeister und Lehrer am Max-Born-Berufskolleg. „Vorher waren wir in Münster. 2013 sind wir inklusive Inventar und Personal nach Recklinghausen umgezogen.“
Vielleicht wäre Felix sonst gar nicht auf den Beruf gestoßen. Der Recklinghäuser „hatte vorher nicht viel mit Uhren zu tun“, wie er selbst sagt. Aber angeregt von seinem Kunst-Leistungskurs und seiner Begeisterung fürs Handwerkliche stieß er bei seiner Recherche auf das Angebot in seiner Heimatstadt und ist jetzt im ersten Ausbildungsjahr.
Vollschulisch oder dual
Er und Lena, die zunächst ihr Fachabitur in Gestaltung am Berufskolleg machte und dann auch über ihr handwerkliches Geschick zu dem Beruf kam, absolvieren ihre Ausbildung vollschulisch. Das heißt, dass das Kolleg gleichzeitig ihre Ausbildungsstätte ist. „Es können nicht alle Betriebe ausbilden“, erläutert Alfons Bußkamp. „Deswegen gibt es das vollschulische Angebot.“
Anders sieht es bei Sarah aus. Nachdem sie eine Ausbildung zur Friseurin krankheitsbedingt abbrechen musste, fand auch sie über ihr Faible fürs Basteln zur Uhrmacherei. Die Wermelskirchenerin hat jedoch einen Ausbildungsbetrieb und macht eine duale Ausbildung.
„Das Friemeln und Puzzlen ist unheimlich toll“, sagt Sarah. Sie ist im zweiten Ausbildungsjahr – wie Lena, die als angehende Uhrmacherin ihren Traumberuf gefunden hat. „Der Beruf ist sehr vielfältig“, erzählt Lena. Metallverarbeitung, Goldschmiedekunst, Elektrotechnik, technisches Zeichnen und Physik gehören zu den Inhalten der Ausbildung.
„Das Friemeln und Puzzlen ist unheimlich toll.“
Der Begriff Uhrmacher ist heutzutage allerdings etwas irreführend, denn Uhren machen die wenigsten Menschen, die in diesem Beruf arbeiten. „Die Schüler lernen in der Theorie, wie man eine Uhr baut“, erklärt Alfons Bußkamp. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt dagegen auf der Reparatur, also dem Erkennen und Analysieren des Fehlers und dem anschließenden Beheben. „Dazu muss man wissen, wie ein Uhrwerk funktioniert“, sagt Sarah.
In der Ausbildung lernen die Azubis dies von Groß nach Klein. Stehen im ersten Jahr Großuhren, wie Stand-, Tisch- und Wanduhren, auf dem Lehrplan, folgen in den weiteren beiden Jahren die Taschen- und Armbanduhren. „Im ersten Jahr haben wir uns gefühlt nur mit dem Feilen beschäftigt“, so Lena.
Mechanik und Präzision
Aber gerade das kleinteilige Arbeiten ist es, das die drei Azubis begeistert. „Die Faszination liegt in der Mechanik und Präzision“, sagt Lena. „Ein Millimeter ist verdammt viel“, ergänzt Sarah. „Auch wenn man eine ruhige Hand hat, muss man erst einmal lernen. Bei Taschenuhren brauche ich auch mal ein paar Minuten Pause und sauge stattdessen den Verkaufsraum.“
Zum Interesse an der Feinarbeit kommt die Tatsache, dass die Uhrmacherei ein altes, traditionelles Handwerk ist. „Die Mechanik einer mechanischen Uhr ist heute fast wie vor 300 Jahren“, erzählt Sarah. „Damals haben die Uhrmacher das alles per Hand, ohne Technik und Taschenrechner, gemacht“, so Lena.
In der Tradition des Uhrmacherhandwerks sehen die Azubis auch eine gute Perspektive für sich selbst. Obwohl vieles elektronischer und digitalisierter wird, gibt es nämlich einen Trend zur mechanischen Uhr, also ohne Batterie. „Meine Mutter und mein Stiefvater haben sich vor drei Jahren eine Wanduhr anfertigen lassen“, erzählt Felix. „Das ist ein Prestigeaspekt. Das Handwerk und handgemachte Uhren werden geschätzt.“ Dem stimmt Lehrer Alfons Bußkamp zu: „Eine mechanische Uhr kauft man nicht, um die Zeit zu wissen, sondern man kauft sie sich wie ein Bild.“
„Die Situation für die jungen Leute ist traumhaft, denn es wird deutlich unter Bedarf ausgebildet."
Im Berufsfindungsjahr habe man ihr von dem Beruf abgeraten, weil es keine großen Chancen gebe, so Lena. „Auch meine Eltern waren besorgt, wie die Zukunft aussieht.“ Man habe nach der Ausbildung noch nie jemanden in die Arbeitslosigkeit übergeben, betont Bußkamp. „Die Situation für die jungen Leute ist traumhaft, denn es wird deutlich unter Bedarf ausgebildet. Die Gesellen können sich einen Arbeitsplatz aussuchen.“
Dass das auch noch in den kommenden Jahrzehnten gilt, davon sind die drei Auszubildenden überzeugt. „Maschinen können zum Beispiel Federn herstellen, aber sie können keinen Menschen ersetzen“, erläutert Sarah. „Die Maschinen machen Teile, aber wir setzen sie zusammen“, stimmt ihr Lena bei.
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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