Ruhrfestspiele ausverkauft
Dunja Hayali verwandelt die große Bühne quasi in ihre Stammkneipe
Über drei Stunden - mehr plaudernd als lesend - lang wusste Dunja Hayali das Publikum bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen zu fesseln. "Haymatland" heißt ihr aktuelles Buch und sollte auch der rote Faden sein. Aber den verliert die aus Datteln stammende Journalistin, Moderatorin und Publizistin nach eigenen Angaben gerne. Was ihr knapp 1000 Zuschauer und Zuschauerinnen im ausverkauften Großen Haus kein bisschen übel nahmen. Im Gegenteil, Dunja Hayali erhielt stehende Ovationen.
Ständig unterbrach sich die TV-Frau selbst, streute Geschichte und Beispiele (Persönliches ebenso wie Erfahrungen aus ihrem Beruf) ein, und sie forderte auch ausdrücklich auf, sie zu unterbrechen und Fragen zu stellen. Was einige im Publikum auch nutzten - darunter etliche, um sich zu bedanken.
Lesen sonst namhafte Schauspieler aus literarischen Vorlagen, war es diesmal eine Autorin, die aus ihrem eigenen Werk vortrug. Wie Intendant Olaf Kröck eingangs bemerkte: "Das ist neu und passt zu unserem Programm ,Poesie und Politik'. Dunja Hayalis Buch ist politisch und poetisch".
Aber was heißt schon Vortrag: Bei dem hibbeligen Medienstar war das eher eine One-Woman-Show, ohne dass sie Diva-Allüren hat. Den Erklärbär für Politik wolle sie nicht machen, stellte die mittlerweile in Berlin lebende Medienvertreterin klar: "Ich vertrete hier meine Meinung und meine Haltung, keine Parteipolitik." Obschon sie sicher ist, dass man Journalisten nicht trauen könne, die von sich behaupten, er oder sie sei objektiv. Und sie rieb ihrer Zunft unter die Nase, dass zwischen Berichterstattung und Meinung immer erkennbar klar zu trennen sei.
"Ich komme aus Datteln. Das ist bei Oer-Erkenschwick."
Szenenapplaus erhielt sie reichlich. Beispielsweise als sie erklärte, dass sie stur auf die Frage "Wo kommen Sie her?" immer mit "Datteln" antworte. "Ich weiß, die Frage ist anders gemeint, aber ich bin Deutsche." Wird dann insistierend nachgehakt, präzisiert Dunja Hayali so: "Ich komme aus Datteln. Das ist bei Oer-Erkenschwick." Gelächter, Applaus.
Heimat ist nicht nur Herkunft, Heimat ist das Gefühl, zuhause und angenommen zu sein, unterstrich die Tochter eines aus dem Irak stammenden, christlichen Ehepaares, das sich in Wien kennengelernt hatte und Wurzeln in Datteln schlug. Einige Angehörige und auch Freundinnen saßen auch im Publikum.
Unsere Demokratie gehört verteidigt
Hayali ging darauf ein, dass sie von rechtsextremen und fremdenfeindlichen Hetzern beleidigt und auch bedroht wird, geht damit aber selbstbewusst um. "Mir geht es ja auch gut. Ich lebe in meinem Heimatland Deutschland. Hier herrscht Demokratie. Meine Familie und meine Freunde geben mir Halt. Ich habe einen tollen Job."
Aber unsere Demokratie gehöre auch verteidigt. So trug sie demonstrativ eine blaue Jacke mit Europa-Motiv und forderte auf, zur Europawahl zu gehen. "Ich betrachte das eher als Pflicht denn als Recht. Für das Wahlrecht haben Menschen gekämpft, sind Menschen gestorben."
Hayali will sich auch von niemandem vorschreiben lassen, was ihre Heimat ist und wie die auszusehen hat. "Das Grundgesetz gilt für uns alle." Dunja Hayali stammt aus einer christlichen Familie, war Messdienerin. Sie trinkt Bier, geht gerne in Kneipen und steht auf Fußball. Eine Frau aus dem Ruhrgebiet eben, "mit Migrationsvordergrund".
Das Buch Haymatland" von Dunja Hayali ist im Ullstein-Verlag erschienen. Hardcover mit Schutzumschlag, 160 Seiten. ISBN-13 9783550200175 . (16 Euro)
Auch als eBook erhältlich.
Autor:Kerstin Halstenbach aus Recklinghausen |
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