Apothekerin befürchtet Medikamentenmangel
Coronavirus erreicht den Alltag der Ratinger
Die Kindersachenbörse fällt aus, das bestellte Elektronikgeräte ist nicht lieferbar und im Supermarkt sind Nudeln aus Italien Mangelware - die Auswirkungen des Coronavirus auf das Leben der Ratinger waren bislang meist undramatisch. Im Laufe des Mittwoch stieg die Zahl der Veranstaltungsabsagen allerdings enorm an (siehe gesonderte Beiträge auf dieser Seite). Bereits am Dienstag hatte die Wochenblatt-Redaktion zwei Einzelhändler, eine Apothekerin und einen Hausarzt zur aktuellen Lage vor Ort befragt. Hier ihre Erfahrungen und Einschätzungen.
"Toilettenpapier von Rollcontainern geräumt"
Hamsterkäufe in Ratingen? Noch vor wenigen Wochen hat sich das wohl kaum jemand vorstellen können. Doch die Lebensmittelhändler vor Ort haben den Ansturm hautnah miterlebt: "Der Höhepunkt war vor zwei Wochen", erzählt Tim Fräde von Edeka Kels. "Das war unglaublich, was da rausging." Reis, Nudeln, Tomatensaucen, Brot und Toilettenpapier räumten die Kunden ihm gleich vom Rollcontainer ab. Das Gute: "An dem Wochenende hatten wir Umsätze wie sonst nur vor Weihnachten." Inzwischen habe sich die Lage aber "sehr entspannt", sagt der Marktleiter.
Nach kurzzeitigen Engpässen, etwa vergangene Woche beim Toilettenpapier, hat sich die Versorgungsituation stabilisiert, auch die Umsätze seien wieder "normal". Lediglich Teigwaren und Pastasaucen italienischer Markenhersteller wie Barilla, Britoni oder De Cecco suchen Kunden derzeit vergeblich.
Und chinesische Produkte? "Aus China hatten wir nur Ingwer im Sortiment", winkt Fräde ab. Und die Knolle aus Fernost hat er längst durch Bio-Ingwer eines deutschen Herstellers ersetzt.
Unternehmer: "Lage kann sich bald ändern"
Ähnlich wie bei den Lebensmittlern sieht es im Bereich der Haushalts- und Unterhaltungselektronik aus. Bislang gebe es nur in Einzelfällen Engpässe, erklärte Sebastian Lausch, Marketingleiter bei Euronics XXL Johann+Wittmer, auf Wochenblatt-Nachfrage. Noch seien die Regale und die Lager des Fachmarktes gut gefüllt.
Insbesondere wegen fehlender Bauteile aus China, stelle sich die Branche aber jetzt schon darauf ein, dass sich das im April, spätestens im Mai ändern könne, ergänzte Geschäftsführer Dirk Wittmer. Bei einem Treffen mit Euronics-Kollegen am gestrigen Mittwoch standen die Corona-Folgen deshalb ganz oben auf der Tagesordnung. "Für den Fall, dass die Lieferketten nicht mehr funktionieren, suchen wir jetzt schon das Gespräch mit den Herstellern und schauen auch, wie wir uns untereinander helfen können. Schließlich wollen wir die Versorgung für unsere Kunden sichern", betonte der Aufsichtsratsvorsitzende von Euronics Deutschland.
Die Produzenten in China versuchen, ihre Kapazitäten aufrechtzuerhalten, so Wittmer, trotzdem könne es sein, dass in einigen Wochen bei einigen Warengruppen, etwa Handys mit chinesischen Bauteilen, die Nachfrage das Angebot übersteigt. Dann würden diese Produkte teurer. Grund zu Panikkäufen besteht deshalb aber nicht.
Apothekerin: Manche nutzen Angst aus
"Frau Farhang, hier ist die Hölle los." Vor gut zwei Wochen erhielt Mona Farhang diesen Anruf von ihren Mitarbeitern. "Klar, wir waren die erste Instanz für die Menschen", sagt die Inhaberin der City-Apotheke am Lintorfer Tor. Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken wurden auf einmal massenhaft nachgefragt, das Telefon klingelte nonstop.
Beim Thema Masken wird sie resolut: "Wir versorgen zuerst Ärzte, ihr Personal, Pflegekräfte und dann chronisch Kranke, wie es die Apothekerkammer empfiehlt. Ein gesunder Mensch braucht keinen Atemschutz", sagt sie.
Außerdem warnt sie vor unseriösen Herstellern. "Nur zertifizierte FFP3-Masken schützen vor Viren", erklärt die Apothekerin. Dass einige Geschäftemacher mit nutzloser Billigware den derzeitigen Mangel und die Angst vieler Menschen ausnutzen, macht sie fassungslos.
Schlimmer sei aber der Lieferengpass für wichtige Medikamente, mit dem sie in zwei bis drei Wochen rechnet. "Darüber haben wir die Ärzte, mit denen wir eng zusammenarbeiten, diese Woche informiert", so Mona Farhang. Hauptgrund für die drohende Knappheit sei der Exportstopp, den Indien für 26 Wirkstoffe, unter anderem für mehrere Antibiotika und Paracetamol, verhängt hat.
Arzt: "Ich rate auch Jüngeren zur Vernunft"
"Jetzt zahlen wir den Preis für unsere Abhängigkeit von den asiatischen Märkten", sagt dazu der Ratinger Allgemeinmediziner Dr. Johannes Podlinski. "Wenn selbst Standardpräparate für die akute Behandlung fehlen, würde unserem Gesundheitssystem das in Zeiten von Influenza und Grippe Probleme machen." Noch wichtiger sei jetzt aber, die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
"Bisher kriegen wir das im Kreis Mettmann durch Identifizierung und Isolation gut hin", so der Vorsitzende der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Er empfiehlt, momentan Veranstaltungen mit größeren Gruppen zu meiden und - wenn möglich - lieber zuhause zu bleiben.
Dieser Rat gelte nicht nur für die Risikogruppen, also ältere und bereits erkrankte Menschen, sondern auch für Jüngere, betont Podlinski. Jetzt gelte es, sich vernünftig zu verhalten, um sich und andere zu schützen. So bringe etwa das Stadionverbot bei Bundesligaspielen wenig, wenn die Fans stattdessen die Kneipen und Sportbars stürmten.
Hotline ist unter 116 117 erreichbar
"Bislang, so die Erfahrung in unserer Praxis im Zentrum, reagieren die Ratinger aber glücklicherweise sehr entspannt und besonnen", sagt der Hausarzt. Wer trotzdem unsicher sei oder Fragen habe, könne sich an das Service-Telefon des Kreisgesundheitsamtes (02104/993535) oder an die Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung wenden (Telefon 116 117).
Autor:Thomas Zimmermann aus Ratingen |
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