Interview mit Bürgermeister Klaus Pesch
„Im Frühjahr wird das fertige Rathaus gefeiert“
Im Juni ist Klaus Pesch ins neue Rathaus gezogen. Wir haben den Hausherrn an seinem Arbeitsplatz besucht und nach seinen ersten Eindrücken befragt. Aber auch zur Kritik an den Wallhöfen, an seinem Führungsstil und zu fehlendem Grün auf dem Rathausvorplatz nimmt er Stellung. Außerdem verrät Klaus Pesch seinen größten Vorsatz für 2020, die vier Aufgabenfelder, die ihm als Bürgermeister am meisten am Herzen liegen und was der glücklichste Moment seiner bisherigen Amtszeit war.
Herr Pesch, seit vier Monaten arbeiten Sie in Ihrem neuen Domizil. Wie sind Ihre ersten Eindrücke?
Ich bekomme viele positive Rückmeldungen. Mir gefällt besonders der zentrale Standort, um den es ja ein zähes Ringen gab, und die Gestaltung des Gebäudes. Gegenüber dem Betonbrutalismus des Vorgängers ist das neue Rathaus viel durchlässiger und offener. Bestes Beispiel ist die Kantine, die früher in der hintersten Ecke der ersten Etage versteckt war. Im Erdgeschoss ist die neue Kantine jetzt ein richtiger sozialer Treffpunkt geworden. Auch die Bürgerschaft nimmt das Angebot wahr. Wenn die Außenterrasse im Frühjahr öffnet, wird das sicher noch zunehmen.
Mehrere Bürger haben kritisiert, dass der Rathausvorplatz nicht begrünt ist, während die Politik bei Privatleuten gegen die Versiegelung von Vorgärten vorgehen möchte…
Ich war ganz begeistert, dass die neue Leiterin des Grünflächenamtes, Michaela Maurer, die noch fehlende Begrünung als eine ihrer ersten Aufgaben aufgenommen hat, und als Fachfrau auch gleich einige Ideen hatte. Vielleicht wird es ja etwas Mobiles, denn natürlich soll die Fläche auch künftig für Veranstaltungen wie die von Schützen oder Karnevalisten genutzt werden können, und der neue Vorplatz ist ja kleiner als der alte, weil der Ostflügel nicht mehr am Minoritenkloster angebaut ist
Am Westflügel, also dem ehemaligen Ratstrakt, und auf der Minoritenstraße wird immer noch gewerkelt…
Die Pflasterungen sind im Zeitplan und auf der Zielgeraden. Aber es stimmt: Wenn wir noch zwei, drei Monate gewartet hätten, wäre der Einzug etwas weniger holprig gewesen. Aber wir wollten im provisorischen Rathaus am Eutelisplatz Platz machen für die Erweiterung der dortigen Kita „Westhäkchen“.
War das denn so dringend?
Im März 2019 hatten wir von unserem Jugendhilfeplaner Bescheid bekommen, dass in Ratingen zum Kindergartenjahr 19/20 über 300 Kinder zusätzlich einen Platz benötigen: Das entspricht vier oder fünf komplett neuen Kindergärten, die auf einen Schlag nachgefragt wurden. Das war für uns das Signal, den Kita-Aus- und Neubau erheblich zu beschleunigen. Allein am Standort Eutelisplatz entstehen fünf neue Gruppen mit über 100 Plätzen. Bis März 2020 werden es insgesamt in Ratingen 270 sein. Mit der Versorgungsquote für U3- und Ü3-Plätze liegt Ratingen deshalb im Vergleich zu vielen anderen Kommunen weit vorne. Lediglich am Standort Daag-Straße verzögert sich der Umbau ein wenig.
"Bis Ende 2019 gehen alle Bereiche in Betrieb"
Apropos Verzögerungen: Wann sind die Bauarbeiten am Rathaus denn nun endgültig abgeschlossen?
Bis Ende des Jahres sollen alle Bereiche in Betrieb gehen. Zur ersten Sitzung des Stadtrats im neuen Ratssaal werde ich voraussichtlich für Anfang 2020 einladen.
Ist auch eine Einweihungsfeier für die Bürger geplant?
Der genaue Termin steht noch nicht fest, aber ich möchte im Frühjahr mit allen Bürgern ein großes Fest feiern. Meine Idee ist es, dass dann richtig was los ist in der ganzen Stadt, mit Musik und Kultur und am liebsten mit verkaufsoffenem Sonntag.
Innenstadt ist ein gutes Stichwort: Nach der Umgestaltung des Düsseldorfer Platzes und der Fertigstellung des Rathauses sind die Wallhöfe das nächste große Bau-Projekt in der City. Doch der geplante Einzelhandels- und Wohnkomplex ist nicht unumstritten.
Zunächst einmal sind die Wallhöfe Bestandteil eines strategischen Gesamtplans für die Innenstadtentwicklung. Als wir in Ost Edeka Kels die Genehmigung gaben, seine Fläche auf das Zweieinhalbfache zu vergrößern, gab es intensive Diskussionen, ob das der Innenstadt schadet. Damals haben uns alle Fachleute gesagt: Sie müssen unbedingt einen Gegenakzent in der Innenstadt setzen, so zentral wie möglich, sonst ist das ein zu starker Aderlass für die City. Dafür kam die Fläche des ehemaligen Hertiehauses in den Blick...
"Lebensmittelgeschäfte sind Magnete für die Innenstadt"
Die Einzelhändler des City-Kauf bezweifeln, dass die Wallhöfe in der geplanten Form diesen Aderlass ausgleichen können.
Die Ratinger City bekommt in Umfragen Bestnoten für ihre Aufenthaltsqualität, das kleinteilige Angebot und den Wochenmarkt. Wochenmarkt. Was fehlt, sind größere Flächen. Und gerade Lebensmittelgeschäfte wie Aldi und Edeka sind die Magneten, die der Innenstadthandel zur Belebung braucht. Deswegen gehört ja auch das Rathaus ins Herz der Stadt: Als Frequenzbringer. Aber natürlich kann es durch die Wallhöfe auch zu Konkurrenz mit bereits bestehenden Verkaufsflächen in 1b-Lagen kommen.
Der City-Kauf kritisiert auch die zu massive Bebauung.
Also, das Gesamtensemble, das etwa bis zum Garten der Sinne geht, wird ja nicht so ein wuchtiger Betonklotz wie das Hertiehaus, und die frühere Wohnbebauung entlang der Wallstraße fällt ja auch weg. Man darf ja nicht vergessen, dass die gesamte südliche Wallstraße bis vor wenigen Jahren mit Ausnahme einer kleine Lücke komplett bebaut war. Außerdem wird die Architektur der Wallhöfe viel abwechslungsreicher sein. Zum Zweiten sagen die gleichen Kritiker sonst immer: „Bitte nicht neu bauen in Freiräumen und Böden versiegeln, sondern den Wohnraum verdichten.“ Hier wollen wir deshalb 70 Wohneinheiten in zentraler Lage bauen.
"Die Wallhöfe-Pläne grundsätzlich in Frage stellen, geht gar nicht"
Stadtplaner Frank Boberg hat kürzlich bei einem Pressegespräch zu den Wallhöfen eingeräumt, dass es noch Nachholbedarf bei der Einbindung der Bürger gebe, man dies aber nun nachholen wolle.
Wir können über alle Arten von Verbesserungen wie die Fassaden- und Dachgestaltung oder Kühlung gerne sprechen. Diese Phase fängt ja eigentlich jetzt erst an. Aber, dass die Wallhöfe-Pläne nach all den komplizierten Vorabstimmungen in den Arbeitskreisen und politischen Gremien jetzt von Einzelnen grundsätzlich in Frage gestellt werden, das geht gar nicht. Wir müssen verlässlich agieren. Deswegen argumentiere ich in diesem Punkt so engagiert. Denn für den Investor ist der „Point of no return“ noch nicht überschritten.
Außer Kitas und Innenstadtentwicklung – was sind die, sagen wir, zwei weiteren Themen, die Ihnen als Bürgermeister am meisten am Herzen liegen.
Was mich seit Kämmererzeiten beschäftigt, sind Nachhaltigkeit und intergenerative Gerechtigkeit. Wie man an Ländern wie Griechenland oder den USA, aber auch an Deutschland sehen kann, ist es eine Achillesferse der Demokratie, dass Finanzlasten auf Kosten künftiger Generationen aufgebaut werden. Deswegen habe ich schon seit 2007 wie ein Löwe um Mittel für Instandhaltungs-Rückstellungen gekämpft. Es gibt wohl kaum eine Kommune, die so viele Rückstellungen hat, wie Ratingen. Statt Gebäude und Straßen neu zu bauen (und deren Finanzierung in die Zukunft zu verlegen), oder alles verfallen zu lassen, können wir diese Gelder verwenden, um die Infrastruktur instand zu halten und zu modernisieren.
Zum Beispiel durch Fahrbahnsanierungen…
Ja. Da wird zwar schnell geschimpft, dass schon wieder eine Straße gesperrt ist, aber im besten Fall reparieren wir nicht nur, sondern modernisieren bzw. digitalisieren gleichzeitig, indem zum Beispiel Glasfaserkabel verlegt werden.
Das vierte Thema, das Ihnen besonders wichtig ist, das zeigt ein Blick in den Haushaltsentwurf, ist die Ökologie.
Ja, da haben wir in Ratingen in den letzten Jahren viele Initiativen vorangebracht, vom Klimaschutzkonzept über den Ausbau des Fernwärmenetzes bis hin zur Festlegung hoher Standards beim Neubau und der Sanierung städtischer Gebäude – auch dank Kämmerer Martin Gentzsch, der ja gleichzeitig ein sehr engagierter Umweltdezernent ist.
"Ich war mehr auf einem 'grünen Ticket' unterwegs"
Die Bündnis90/Grünen, die ihre Kandidatur zum Stadtoberhaupt zusammen mit CDU, SPD und FDP bei der Kommunalwahl 2014 unterstützten, müssten demnach mit Ihnen als Bürgermeister rundum zufrieden sein.
Das müssen Sie die Grünen selbst fragen, aber wir haben ökologisch definitiv sehr viel mehr gemacht als geplant. Man kann fast sagen, ich war in den letzten fünf Jahren mehr auf einem „grünen“ als auf einem „schwarzen Ticket“ unterwegs. Aber wir hatten uns mit den vier Parteien zu Anfang meiner Amtszeit ohnehin auf einen „Wettbewerb der Ideen und Initiativen“ geeinigt, darauf, dass wir nicht auf die Parteienzugehörigkeit schauen. Deswegen ist es auch nie ein Problem gewesen, wenn ich bei Abstimmungen im Rat meine persönliche Bürgermeisterstimme mal dieser und mal jener Mehrheiten gegeben habe.
Wie erleben Sie die Debattenkultur im Rat?
Grundsätzlich sehr sachlich und zielorientiert gegenüber früheren Jahren. Das sieht man an den vielen einstimmigen Beschlüssen, aber auch an den zum Teil von Tagesordnungspunkt zu Tagesordnungspunkt wechselnden Mehrheiten. Vereinzelt gibt es in jüngster Zeit aber auch Vorstöße, ja, Schläge, die den Charakter von Wahlkampfaktionen haben.
Sie meinen etwa die Kritik an Ihrer Mitarbeiterführung?
Es ist immer schwierig sich dazu zu äußern. Überwiegend habe ich ja geschwiegen, aber ich will die Gelegenheit trotzdem mal nutzen. Wissen Sie, wie in jedem Betrieb gibt es Mitarbeiter, die zufrieden sind, und andere, die weniger zufrieden sind. Es sind da aber auch viele Fakes im Umlauf. Ich kann Ihnen da problemlos auch Gegenbeispiele nennen. So kehrt die Abteilungsleiterin des Bau- und Planungsamtes nach einigen Jahren in Leverkusen als Amtsleiterin zurück nach Ratingen – weil sie sich an die gute Zusammenarbeit erinnert. Und wir haben immer wieder und auch aktuell führende Mitarbeiter, die eine Verlängerung ihrer Dienstzeit über die Pensionsgrenze hinaus beantragt haben.
Und was ist mit dem gestiegenen Krankenstand, der angeprangert wird?
Das betrifft den Gewerbebereich. Ich habe deswegen mit der Leiterin des Kommunalen Dienstes gesprochen. Unsere Mitarbeiter, die ihr ganzes Berufsleben Mülltonnen herumgewuchtet haben, sind im Durchschnitt Mitte 50. Da steigt einfach die Zahl der Krankentage. In der Gesamtstatistik liegen wir aber ganz normal auf Kurs. Das hat mir auch Klaus Klar, der Chef der Rheinbahn, bestätigt, der in seinem Betrieb dasselbe Thema hat.
"Parteilichkeit habe ich versucht beiseite zu lassen"
Gleichwohl hat die Parteivorsitzende Tina Pannes mit Verweis auf das Arbeitsklima im Rathaus ausgeschlossen, dass die Ratinger FDP Ihre erneute Kandidatur unterstützt. Wie möchten Sie als Liberaler die Unterstützung der Freidemokraten zurückgewinnen?
Sie haben Recht, ich bin langjähriger Liberaler, war aber nie in Ratingen parteipolitisch aktiv, auch um mich hier nicht politisch verstricken zu lassen. Deswegen bin ich sicher auch ein unabhängiger Kandidat mehrerer Parteien geworden. Die Parteilichkeit habe ich deshalb in meinem Amt immer versucht beiseite zu lassen.
Jetzt lassen Sie aber ihre Parteimitgliedschaft ruhen. Das ist ein feiner Unterschied.
Es stimmt, einige Freidemokraten können mir nicht verzeihen, dass ich jetzt, als die CDU mich erneut zu ihrem Bürgermeisterkandidaten machte, die Parteimitgliedschaft niedergelegt habe. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Auf dem Sommerfest der FDP im Bürgershof bin ich an alle Tische gegangen und habe mit den Menschen das Gespräch gesucht, viele waren sehr offen. Das sind ja alles ehrenamtlich Tätige, die sich für ihre Stadt engagieren und die zu Recht dasselbe von mir erwarten. Darauf kommt es mir an.
Herr Pesch, zum Schluss möchten wir Sie noch bitten, zwei Sätze zu ergänzen:
Mein größter Vorsatz für 2020 ist…
Ich möchte trotz des Wahlkampfes meinen sachlichen Arbeits- und Umgangsstil durchhalten.
Mein größter Glücksmoment als Bürgermeister war…
Das war ziemlich zu Anfang meiner Bürgermeisterzeit das Lichterfest auf dem Marktplatz gegen die Pegida-Demonstrationen. Wenn ich daran denke, zu welchen Zeichen Ratingen in der Lage ist, gehen mir noch heute Schauer über den Rücken. Da kann man wirklich stolz sein, Bürgermeister dieser Stadt sein zu dürfen.
Autor:Thomas Zimmermann aus Ratingen |
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