Bidversteigerung
Eine Künstlerin aus Syrien und eine Kirche in Ostfriesland

- Die Künstlerin Helda Kutish mit ihrem Krippenbild, das nun versteigert wird.
- Foto: Martin Poche
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Eine Künstlerin aus Syrien, die als Geflüchtete nach Ratingen kam. Ein Netzwerker aus dieser Stadt nahe Düsseldorf, dessen Kontakte (unter anderem) bis nach Ostfriesland reichen. Die Fenster einer alten Kirche, durch die der Nordseewind pfeift - wie passt das alles zusammen? So:
Helda Kutish stammt aus Latakia, einer syrischen Stadt am Mittelmeer, nahe der der türkischen Grenze. Hier lebten lange Zeit Alawiten (nicht zu verwechseln mit Alewiten) friedlich mit Sunniten zusammen. Bestes Beispiel: Helda Kutish ist Sunnitin, ihr Mann ist Alawit. Zum Problem wurde das erst, als der Bürgerkrieg begann: "Da sind Freundschaften zerbrochen und es ging ein Riss durch viele Familien", berichtet die 42-Jährige.
Als die ersten Flüchtlinge aus Aleppo in Latakia Zuflucht suchten, machte sich die Kunstpädagogin, die an einer Privatschule unterrichtete, eines "Vergehens" schuldig: "Ich habe den Flüchtlingen geholfen, Nichts Großes, ich habe nur mal etwas zu Essen vorbeigebracht und solche Dinge. Das hat aber wohl einigen nicht gefallen." Die Folge: Helda Kutish bekam per Mail und auf dem Handy Morddrohungen, die immer massiver wurden.
Flucht voller Gefahren
"Da wusste ich. Ich muss hier weg, mein Leben ist in akuter Gefahr", sagt Helda Kutish. Gegen Ende des Jahres 2015 ließ sie ihren Mann und die beiden Kinder zurück und trat in einer Gruppe die Flucht nach Europa an - eine Flucht, die strapaziös und nicht wenigere gefährlich war, als die Situation daheim. Die Syrerin hatte während ihres Studiums die Kunst aus Deutschland und vor allem den Niederlanden besonders zu schätzen gelernt - daher waren die Niederlande zunächst auch ihr Ziel.
Dann jedoch ein Schlüsselerlebnis: "Ich stieg am Kölner Hauptbahnhof aus dem Zug, blickte auf den Dom und es verschlug mit fast den Atem: Was für ein beeindruckendes, majestätisches Gebäude! Da beschloss ich spontan: In diesem Land will ich bleiben", so die Künstlerin. Sie hat ihre Religion nie abgelegt, aber trotzdem auch eine besondere Affinität zu Kirchen entwickelt - was ein Grund für die jetzige Versteigerungsaktion sein dürfte.
Allein in der Fremde
Über Stationen in Dortmund und Lippstadt kam Helda Kutish im November 2015 nach Ratingen. "Ich war nach meiner Flucht erst einmal völlig erschöpft und fühlte mich leer", berichtet die Künstlerin. Auch die Situation in der Ratinger Unterkunft mit vielen Menschen aus aller Herren Länder bedrückte sie. "Außerdem hatte ich Angst, mich allzu weit von der Unterkunft zu entfernen, weil ich befürchtete, nicht mehr zurück zu finden."
Helda Kutish teilte sich das Zimmer mit Muna, ebenfalls Syrerin und auf sich allein gestellt. Muna war zudem hoch schwanger. Und da kommt die Volkssolidarität Ratingen ins Spiel. Die gab es damals tatsächlich, sie wurde von dem Ehepaar Manfred und Gabi Evers und weiteren Mitstreitern gegründet. Als sie vom Amt um Hilfe für Muna gebeten wurden, waren die ehrenamtlichen Helfer von der VS sofort zur Stelle. Bei dieser Gelegenheit lernte Manfred Evers Helda Kutish kennen. Daraus sei eine tiefe Freundschaft entstanden, die bis heute anhält, wie beide betonen. Die Künstlerin wiederum hatte unmittelbar nach der Ankunft wieder begonnen zu malen, auch wenn sie nicht viel mehr als einen Bleistiftdabei hatte: "Ich kann nicht anders, das steckt einfach tief in mir drin", sagt sie. Außerdem half ihr die Kunst dabei, die Erlebnisse der Fluch zu verarbeiten - was im Grunde bis heute gilt.
Manfred Evers und VS halfen der Syrerin auch weiter dabei, in der neuen Heimat Fuß zu fassen. So vermittelten sie ihr die Teilnahme am Ratinger Kulturtag, an dem sie auf Wunsch der Besucher Porträts zeichnete - am Ende des Tages hatte sie zehn Ratinger ins Bild gesetzt und zahlreiche Gespräche geführt - wenn auch oft mit Händen und Füßen, denn mit der deutschen Sprache haperte es noch.
Gegenseitiges Lernen
Außerdem gab Helda Kutish einen Malkurs in einem Seniorentreff, bei dem gegenseitiges Lernen stattfand: "Ich war für das Künstlerische zuständig und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben mir bei der Sprache geholfen", schmunzelt die 42-Jährige.
Sie hat dann auch in der Ogata-Betreuung eine Arbeit gefunden und die Familie ist seit geraumer Zeit wieder zusammen. "Ich habe in Ratingen viel Hilfe und Unterstützung bekommen. Dafür bin ich allen Menschen, die ich hier kennengelernt habe, sehr dankbar", betont Helda Kutish, die mittlerweile eine Ausbildung zur Sozialassistentin absolviert: "Vielleicht kann ich eines Tages anderen Geflüchteten dabei helfen, sich in ihrer neuen Umgebung zurecht zu finden."
Erneut kommt an dieser Stelle Manfred Evers ins Spiel: Er und seine Frau machen seit 40 Jahren Urlaub in Ostfriesland, bevorzugt in Pilsum (ja, das ist der Ort mit dem gelb-roten Leuchtturm). Netzwerker Evers hat aber auch am Urlaubsort zahlreiche Kontakte geknüpft und so konnte er Helda Kutish 2023 die Teilnahme an der Greetsieler Woche vermitteln.
Bei der Greetsieler Woche
In diesem Rahmen stellen Künstlerinnen und Künstler ihre Werke in der Krummhörner Grundschule aus. "Es sind auch immer Teilnehmer aus dem Ausland, etwa aus den Niederlanden, dabei. Ich war aber die erste Künstlerin aus Syrien, die dort ausstellen durfte", berichtet Helda Kutish nicht ohne Stolz.
Mehr noch: Die 42-Jährige wurde eingeladen, im Eröffnungsgottesdienst der Greetsieler Woche über ihr Schicksal zu berichten. Erneut ein bewegender Moment, denn: "Ich habe mehrmals weinen müssen. Aber auch bei den Gottesdienstbesuchern flossen einige Tränen." Der umtriebige, aber eher religionsferne Manfred Evers wiederum war beeindruckt von Pastor Hartmut Lübben, dem Gastgeber in der Kirche.
Und der hat eine große Sorge: Die Fenster der Kirche müssen saniert werden, doch es fehlt das Geld. So wurde die gemeinsame Idee geboren, ein Bild von Helda Kutish für diesen Zweck zu versteigern. Die Künstlerin sagte sofort zu und stellte ein Ölgemälde zur Verfügung, das die Krippenfiguren einer Ratinger Kirchengemeinde zeigt.
Der Wunsch nach Frieden
Dass dies ein christliches Motiv ist, stellt für Helda Kutish überhaupt kein Problem dar. Sie verweist darauf, dass Christentum, Islam und Judentum die gleichen Wurzeln haben. Und sie wünscht sich nichts mehr als Frieden unter den Religionen.
Also: Wer bei der Versteigerung, die morgen beginnt, mitbieten möchten, schickt eine E-Mail an heldabilder@gmx.de. Und wer mehr über Helda Kutish und ihre Kunst wissen möchte, sollte die Homepage www.heldabilder.de anklicken.


Autor:Martin Poche (Redakteur) aus Düsseldorf |
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