Sind Gewinne unmoralisch? – Monheimer beim KKV-Herbstforum in Essen

von links: Matthias Belafi, Dirk Grünewald, Moderator Frank Meßing, Lars Martin Klieve und Christa Thoben
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Sind Gewinne unmoralisch? Sicher nicht, doch werden sie es leicht, wenn sie der Gesellschaft nicht nutzen. Bernd-M. Wehner , Monheimer Bundesvorsitzender des KKV, Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung, nutzte seine Begrüßung anlässlich des 17. KKV-Herbstforums zu einer kurzen Einführung in das Thema, das die Besucher der gut besuchten Veranstaltung im Haus der Technik in Essen zweieinhalb Stunden in ihren Bann schlagen sollte. Die Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft als Hoffnungszeichen für eine gerechtere Welt stand im Mittelpunkt des Abends, zu dem die KKV-Diözesanverbände in NRW unter Federführung des Diözesanverbandes Essen der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung eingeladen hatten.

Einmal mehr ist es den KKV-Diözesanverbänden gelungen, ein hochkarätig besetztes Podium zu gewinnen, das sich dem Thema über Impulsreferate näherte und dabei auch durchaus persönlich Stellung bezogen. Mit Christa Thoben, der ehemaligen NRW-Wirtschaftsministerin, widmete sich eine ausgewiesene Fachfrau der Thematik. Lars Martin Klieve, Kämmerer der Stadt Essen, ermöglichte einen Blick aus Sicht der Verwaltung auf die Diskussion, deren Moderation Frank Messing, Wirtschaftsredakteur der WAZ, übernommen hatte. Mit Dirk Grünewald, IHK Präsident für Essen, Mülheim a.d. Ruhr und Oberhausen, saß ein erfahrener Praktiker in der Podiumsrunde und Matthias Belafi ermöglichte als Geschäftsführer der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz Einblick aus Sicht der Kirche auf das Thema.

Bernd-M. Wehner, der zuvor der Versammlung die Grüße von Bischof Overbeck hatte überbringen können, fasste die Problempunkte einleitend zusammen. So schwinde die Zustimmung zur sozialen Marktwirtschaft, deren Ursprünge in der christlichen Soziallehre zu finden sind, der soziale Ausgleich bliebe immer mehr auf der Strecke, Moral werde in der Wirtschaft ein immer selteneres Gut und die alte Weisheit, nach der es dem Arbeitnehmer gut geht, wenn es dem Unternehmen gut geht, habe schon lange ihre Allgemeingültigkeit verloren. Immer kompliziertere Bedingungen erforderten heute von Unternehmern ein Höchstmaß an wirtschaftlichem Verstand. „Aber auch an Ethik“, so Wehner, weshalb es kein Zufall sei, dass der KKV das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns wieder verstärkt in Fokus der Aufmerksamkeit rücken wolle.

Warum sich die Kirche zu diesem Thema äußere, das erläuterte dann Matthias Belafi, der die Wirtschaftskrise selbst als „Lernort“ bezeichnete. Aus ihr lernen, um für die Zukunft gewappnet zu sein, so sein Fazit, wobei er unterstrich, dass die Kirche sich ausschließlich als Partner im Dialog sehe. „Sie kann und will keine Wirtschaftsmodelle vorlegen.“ Sie böte sich jedoch an als „Kompass oder Navigationsgerät“, wenn es um die Suche nach „Orientierung oder Maßstäben geht“, die im Einklang stünden mit den Grundsätzen katholischer Soziallehre. So habe das Wohl des Menschen Ziel wirtschaftlichen Handelns zu sein. Die Ursache der Krise sei darin zu suchen, dass Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft verletzt wurden. „Zum Beispiel das Prinzip der Haftung“, nannte Belafi einen konkreten Punkt. Wenn heute nach einer verbesserten Aufsicht, nach mehr Transparenz gerufen würde, dann seien diese dringend gebotenen Veränderungen im Grunde nichts anderes als eine Rückbesinnung auf alte Prinzipien. Im Grunde sei es ganz einfach, mit der Krise und ihren Auswirkungen fertig zu werden. Es gelte lediglich zu befolgen, was jedes handelsübliche Navigationsgerät seinem Nutzer auf dem Irrweg rät: „Wenn möglich bitte wenden!“

IHK Präsident Dirk Grünwald stellte seinen Ausführungen ein ganz persönliches Bekenntnis voran: der sozialen Marktwirtschaft fühle er sich ganz besonders verbunden. Sie sei für Unternehmen und Unternehmer gleichermaßen bedeutend. Die soziale Marktwirtschaft verglich Grünwald mit einem Wanderer, der auf seinem langen Weg in bester Absicht viel Ballast angesammelt habe. Davon gelte es sich zu befreien, um sich wieder auf den Beginn der Wanderung zu besinnen, als man ausgestattet mit dem Notwendigen gestartet ist. Eine Renaissance der sozialen Marktwirtschaft müsse u.a. Wettbewerb, Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft einschließen. Allerdings gehöre zu einer gesunden Wirtschaft auch Bildung für alle und Chancengleichheit. „Viele Kernkompetenzen“, so Dirk Grünewald, „werden heute in Schule und Familie nicht mehr vermittelt. Der Fachkräftemangel macht der deutschen Wirtschaft schön heute zu schaffen, offene Lehrstellen sind kaum vernünftig zu besetzen. Auch das sei ein wichtiger Aspekt, denn die soziale Marktwirtschaft benötige neben dem Unternehmer auch die entsprechenden Arbeitnehmer. Was Deutschland absolut nicht brauchen könne, dass sei „blöde Migrantendiskussion, die uns heute schon international Probleme macht“. „Es ist sicher richtig, dass wir den anatolischen Landarbeiter, dem wir sehr dankbar dafür sind, dass er uns damals geholfen hat, heute in der Arbeitswelt nicht mehr benötigen. Doch der gut ausgebildete Inder mit abgeschlossenem Hochschulstudium, der uns fehlt, geht jetzt schon lieber nach Amerika, weil er dort englisch sprechen kann und hier nicht.“

Kämmerer Lars Martin Klieve zeichnet für den Finanzbereich eines ganz anderen „Unternehmens“ verantwortlich. Die Kommune stünde in der Verantwortung maximales Gemeinwohl zu gewährleisten. Auch wenn sie nicht nach marktwirtschaftlichen Prinzipien arbeite, so werde sie aber direkt mit den Auswirkungen der Wirtschaft konfrontiert. Gemeinden und Städte müssten auffangen, was durch die Krise verursacht wurde. Bundesweit, so Klieve, hätten sich die Sozialausgaben verdoppelt und das Investitionsvolumen halbiert. „Das kann kein Dauerzustand sein.“

Die Verantwortung des Einzelnen nahm Christa Thoben näher in Augenschein, denn soziale Marktwirtschaft funktioniere nur, wenn jeder sich an Spielregeln halte. Was natürlich auch für die Vatikanbank gelte, der hoch spekulative Geschäfte nicht fremd sein, was aber auch für den Arbeitnehmer gelte, der mit der Bahn fährt und bei der Steuer das Auto absetzt. „Wir sind Menschen, wir machen Fehler“, so die CDU-Politikerin, „wir brauchen also eine verbindliche Ordnung, die diese Fehler korrigiert.“ Die Frage sei, ob man zufrieden sei mit den Regeln, die letztlich die Krise erst möglich gemacht hätten. „Oder verändern wir die Regeln so, dass nicht unmoralisches Verhalten die höchsten Gewinne einbringt – was für Unternehmer nicht anders sein darf als für Arbeitnehmer.“ Das individuelle Wertesystem, so Thoben, entstünde ganz klassisch aus gemachten Erfahrungen. „Wer pausenlos die Erfahrung macht, dass andere besser fahren, wird sein Verhalten ändern.“

Eine Renaissance der sozialen Marktwirtschaft, darin waren sich alle Beteiligten im Anschluss an eine ausgesprochen lebhafte Diskussion einig, könnte die Antwort auf viele offene Fragen sein und der Lösungsansatz für zahlreiche Probleme sein. Wäre sie gleichzeitig Hoffnungszeichen für eine gerechtere Welt? Matthias Belafi brachte es auf den Punkt: „Die soziale Marktwirtschaft wäre in einer globalisierten Wirtschaftswelt ein guter Exportartikel gewesen.“

Das Fazit zog dann Reinhard Schaffrick in seinem Schlusswort. „Die soziale Marktwirtschaft“, so der Essener KKV-Diözesanvorsitzende, „das hat sich in der Diskussion gezeigt, ist kein alter Hut. Wir alle sind von ihr abhängig, zu ihr gibt es keine Alternative.“ hml

Autor:

Bernd-M. Wehner aus Monheim am Rhein

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