"Wirtschaft versus Ethik"
KKV: „Wozu braucht es noch eine christliche Wirtschaftsethik?“

„Wozu braucht es noch eine christliche Wirtschaftsethik?“

„Wirtschaft und Ethik passen nicht zusammen: Wirtschaft ist böse, und Ethik ist gut “,
mit dieser Provokation forderte Prof. Dr. Dr. Elmar Nass die Zuhörer beim Vortrag
heraus, zu dem der KKV – Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung
eingeladen hatte. Sie waren gekommen, um etwas zur Aktualität christlicher
Wirtschaftsethik zu hören. „Was aber soll dann Wirtschaftsethik sein?“ So provozierte
Nass weiter: Und: „Was haben Christen damit zu tun? Die haben doch erstmal
andere Themen als Effizienz, Gewinn und Wirtschaftsordnung.“ Für Nass, der selbst
christlicher Sozial- und Wirtschaftsethiker ist, liegen die Antworten auf der Hand:
„Wirtschaftsethik bringt Wertefragen in die Ökonomie ein. Und das hat schon eine
sehr lange Tradition.“ Nass stellt dar, dass auch schon Thomas von Aquin sich damit
beschäftigt, in dem er etwa eine Privateigentumsordnung begründete, obwohl doch
alle Güter der Erde Gott gehören. Und der viel gescholtene Adam Smith sei ein
Wirtschaftsphilosoph gewesen, der ausgehend von einem anspruchsvollen
Menschenbild eine freiheitliche Wirtschaftsordnung konzipierte, ohne den Egoismus
zu preisen. Ökonomische und Wertefragen lassen sich also gar nicht trennen, wenn
es um die Gestaltung von Wirtschaftsordnung, Verteilungsregeln, Steuersystem,
Löhnen oder Führungskultur gehe. Nass stellt dazu drei Säulen als Basis einer
Wirtschaftsethik auf: Gefragt werden muss nach einem zugrundeliegenden
Menschenbild, einer Idee des menschlichen Zusammenlebens und einem
Verständnis von Wirtschaft. Davon ausgehend erst kann gut begründet werden,
warum wir etwa eine Marktwirtschaft haben, steuerfinanzierte Sozialtransfers an
Bedürftige oder eine bestimmte Governance-Struktur in Unternehmen. Nass führt
aus, dass ökonomische Leistungsanreize etwa in China mit der Idee eines
umerzogenen Kollektivmenschen begründet werden, während bei uns mehr auf
freiheitlichen Unternehmergeist gesetzt werden. Die drei Säulen sind für Nass eine
Art Schablone, verschiedene Ansätze von Wirtschaftsethik zu unterscheiden. So sei
etwa eine kollektivistische Sicht auf Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft mit
Kampfideologien verbunden, die der Menschenwürde widersprechen. Und radikal
liberale Ansätze begründen Sozialtransfers an Bedürftige nur als Duldungsprämien
zur Minderung gesellschaftlichen Drohpotentials. Auch das widerspreche der Würde
der hilfebedürftigen Menschen. Erst recht, wenn, wie in der Corona-Krise, der Wert
von menschlichem Leben in Geldeinheiten umgerechnet wird, um Verteilungsfragen
knapper Beatmungsplätze zu beantworten. Nass stellt die christliche Idee von
unbedingter Menschenwürde, sozialem Zusammenhalt und Wirtschaftsordnung
dagegen: Die Ideen der Gottesebenbildlichkeit, der Verantwortung vor Gott, sich
selbst und dem Nächsten, die Friedensidee Sozialer Marktwirtschaft sind für ihn
starke Begründungen für humanes Wirtschaften. Und dafür ließen sich auch in einer
zunehmend säkularen Gesellschaft starke Verbündete finden: Etwa Humanisten in
der Tradition von Kant, Verbände der Menschen mit Behinderung oder auch so
genannte Kulturchristen, die immerhin noch christliche Werte teilen. „Anders als noch
in den 60er Jahren gibt es heute in der Theologie kaum noch Kompetenz in Fragen
der Wirtschaftsethik.“ Genau dafür will Nass heute aber wieder begeistern. Und das
sei vor allem eine ökumenische Chance der Christen, ihre Werte wieder
selbstbewusst zur Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft einzubringen.
Bei der anschließenden Diskussion zeigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein
reges Interesse und große Kompetenz. In seinem Schlusswort dankte der KKVVorsitzende, Herbert Süß, dem Referenten für seinen umfassenden Vortrag, der die
Besonderheiten dieses anspruchsvollen Themas deutlich gemacht habe.

Autor:

Herbert Süß aus Monheim am Rhein

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