Nach 70 Jahren kam Post aus Italien
Überraschende Post aus Italien erhielt die Langenfelderin Siegrid Köhler. Der Absender: Der Sohn eines Kriegsgefangenen, der 1944 hier bei der Familie Brass gelebt und gearbeitet hat. 70 Jahre danach knüpft er den Kontakt zur Enkelin.
Da staunte Siegrid Köhler (74) nicht schlecht, als sie Ende Januar ein Einschreiben aus Italien erhielt. „Ich konnte mir das gar nicht erklären“, sagt sie. Doch als sie den Umschlag öffnete, fiel ihr gleich ein Kinderfoto von ihr selbst in die Hand: „Ich habe nur gedacht, was ist das denn?“
Der Absender des Briefes ist Mario Antonio Rasaviro. Sein Vater Pietro Rasaviro hat als Kriegsgefangener 1944 in der Bäckerei von Gustav Brass gearbeitet, dem Großvater von Siegrid Köhler, geborene Brass. Die Bäckerei war damals an der Schulstraße 2 ansässig, wo sich heute ein Küchenfachgeschäft befindet.
Anfangs war Pietro Rasaviro noch im Lager Prinz am alten Langenfelder Bahnhof untergebracht. „Die Kriegsgefangenen mussten immer abends zum Schlafen wieder dorthin gebracht werden“, erzählt Siegrid Köhler. Sie kann sich noch gut erinnern, wie sie ihren Großvater und Pietro Rasaviro dorthin begleitet hat. Auch die Bombenangriffe sind ihr noch präsent. „Immer wenn die Sirenen gingen, hat er gerufen ‚Siegrid, komm Keller‘, erzählt sie weiter.
Pietro Rasaviro hat nur anfangs im Lager gelebt, später war er bei der Familie Brass mit im Haus untergebracht. „Er war für sie wie ein Sohn, bekam Brot und Torte zu essen. Vorher war er in einem Lager in Danzig gewesen, wo es nur Kartoffelschalen zu essen gegeben hat“, schreibt Mario Antonio Rasaviro in seinem Brief an Siegrid Köhler. Die Informationen hat er aus dem Tagebuch des Vaters. Das hat er gefunden, als er dessen Unterlagen durchgeschaut hat, ebenso alte Fotos und die Aufenthaltserlaubnis. Die hat er in Kopie ebenfalls mit in den Briefumschlag gelegt.
Pietro Rasaviro ist bereits 1992 gestorben. Doch erst jetzt, 22 Jahre später, hat sich Mario Antonio Rasaviro gemeldet. „Er ist jetzt im Ruhestand . Vorher hatte er keine Zeit dafür“, sagt Siegrid Köhler. Ihre Adresse hat der Italiener über das Bürgerbüro der Stadt Langenfeld bekommen. Die Schwägerin seiner Frau kann Deutsch und hat beim Schreiben des Briefes geholfen. Mit den Kopien der Fotos in der Hand hat sich Siegrid Köhler ebenfalls auf die Suche nach der Vergangenheit gemacht und in einer Kiste im Keller noch die Originalfotos gefunden.
Zwischen ihren Eltern Willi und Irmgard Brass, die nach dem Krieg die Bäckerei übernommen hatten, und Pietro Rasaviro hat sich der Kontakt zunächst gehalten. Obwohl in der Nachkriegszeit die große Reisewelle Richtung Italien startete, haben ihre Eltern Pietro Rasaviro nie in seiner Heimat besucht. Er stammt aus Vertemate con Monoprio, nicht weit entfernt vom Comer See. Dort lebt auch sein Sohn Mario Antonio Rasaviro, in einem alten Haus im Zentrum des kleinen Städtchens.
Erst im Oktober waren Siegrid Köhler und ihr Mann Helmut noch im Urlaub am Comer See. „Wir waren nur zehn Kilometer von seinem Heimatort entfernt, haben da aber noch nichts von ihm gewusst“, so die Langenfelderin. Inzwischen gibt es einen regen Briefwechsel per E-Mail zwischen Vertemate con Monoprio und Langenfeld. Auch ein persönliches Treffen soll es bei passender Gelegenheit geben.
Autor:Sabine Polster aus Monheim am Rhein |
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