Jetzt mal Hochdeutsch 1
Küsschen, Küsschen…..
Meine gleichaltrige liebe Freundin erzählte mir, ihre Nichte habe sie gefragt, ob sie mit mir Streit habe, und auf eine entsprechende Rückfrage erklärt: „Weil ihr euch zur Begrüßung nicht umarmt und geküsst habt…“ Mein Angebot, dies sofort, nachträglich und ausgiebig zu tun, wurde abschlägig beschieden.
Die Weltläufigkeit der Jugend und der Dauerjugendlichen führt zwangsläufig dazu, die unterwegs erfahrenen Gebräuche auch daheim zu installieren, die zugezogenen Menschen aus südlichen Regionen tragen ihren Anteil zu unserem Alltag bei – unter anderem eben die Form des körperlichen Grüßens – nett anzusehen, jedoch bar jeglicher gefühlten Inhalte oder gar irgendwelcher Herzlichkeit. So sieht man dann ansonsten ordentliche Mitmenschen am Busbahnhof, in der Eisdiele, ja sogar beim Friedensgruß in der Heiligen Messe einander umklammern und schmatzend die Wangen reiben.
Ich stamme aus dem Bergischen, „wo der Handschlag noch gilt…“ Körperkontakt darüber hinaus ist – mal abgesehen vom Torjubel bei der WM – nur zielführend erwünscht – beim Frisör oder bei Entbindungen. Antiquiert, wie ich nun mal bin, verweigere ich also meiner Zeitungsfrau täglich, der Briefträgerin im Besuchsfall, darüber hinaus auch meiner lieben Schwester – sogar meinem Hund jedwede vermeintlichen Küsschenpflichten.
Auch Neffen, Nichten und deren Kleinzeug müssen sich in dieser Hinsicht ohne meine Zärtlichkeiten behelfen, nicht erst seitdem ich den sechsjährigen K. beobachtete, als er, frisch geküsst, hinter dem Rücken seiner jugendlichen Großtante dieses unter Kindern so beliebte Fingerzeichen darbot, indessen das vierjährige Schwesterchen angesichts der Bedrohung durch Tante Hertha einen fulminanten Hustenanfall inszenierte.
Küsschen Küsschen – manchmal und für Viele Horrorgeschichten.
Autor:Paul Scharrenbroich aus Monheim am Rhein |
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