Jetzt mal Hochdeutsch 10

Der gläserne Kunde

„Sind sie Kunde bei uns?“ fragte die hübsche Dame an der Kasse bei Real den Herrn mit einem vom Band gut gefüllten Einkaufswagen. – „Ich? Nee, ich bin der Kammerjäger. Wieso kommen Sie auf die Idee?“ – „Ich meine: Haben Sie eine Kundenkarte bei uns?“ – „Nein – sollte ich eine haben?“ Sie erklärte ihm all die Vorteile, die eine Kundenkarte mit sich führt, Pay back, bevorzugte Information, Liefergarantie von Sonderangeboten und Aktionen auch bei Vorratsende….und, und und. Der Kunde ohne Karte versprach, bis zum nächsten Einkauf darüber nachzudenken.
Auf dem Heimweg fuhr er noch kurz beim Apotheker seines Vertrauens vorbei und einige Dinge für die Bordapotheke seines Bootes mitzunehmen. Beim Bezahlen stieß er erneut auf die Frage; „Sind Sie Kunde bei uns?“ Ähnliches Gespräch wie beim Supermarkt.
Daheim packte er die Einkäufe in die Fächer und freute sich an der Auswahl von erlesenen Genuss- und Lebensmitteln, bis ihm irgendetwas in den Sinn kam, was latent schon den ganzen Heimweg über geschwelt hatte: Sinn und Zweck der Kundenkarte.
Darüber kam die Gattin heim, von des Tages Last und Mühen geschafft und dankbar für das Gläschen Wein, das er eigentlich für sich vorgesehen hatte, und man saß zusammen am Küchentisch und schnaufte erst mal durch. Dann aber musste er es wissen: „Sag mal, hast du irgendwo eine Kundenkarte? Supermarkt – Apotheke – Tanke oder Muckybude?“
Nein, alle Fälle negativ, nur beim Coiffeur hatte sie eine Kundenkarte wegen der bevorzugten Behandlung. Zuerst wolllte er sich die Art der Behandlung erklären lassen, aber die Neugierde war stärker. Sie zog die Karte vom Salon Kraus und Schlicht aus der Brieftasche. Name, Adresse, Telefon, e-mail, Geburtsdatum, verheiratet, Kinder, besondere Angaben: Allergien, etc. „Wozu muss dein Friseur all das wissen?“ – „Aber da ist doch nichts Geheimes dabei…“ Er hatte ein ungutes Gefühl dabei. Mit all diesen Angaben in den falschen Händen ist der Mensch wie aus Glas…. In den nächsten Nächten lag er oft wach und dachte nach. All diese Daten in fremden Händen und Köpfen, das wurde er nicht mehr los. Das mit den Kundenkarten war einfach eine gefährliche Sache, wie leicht hatten Dritte Zugriff, mit unabsehbaren Folgen…
Dann stand er zuweilen mitten in der Nacht auf, regelte online seine Bankangelegenheiten, twitterte, besuchte Warentestseiten, fahndete bei amazon und ebay und hatte da und dort ja auch Konten, aber alles Kennwort-geschützt.
Sicher ist sicher!

Autor:

Paul Scharrenbroich aus Monheim am Rhein

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22 Kommentare

Gisela Kelka aus Düsseldorf
am 28.07.2014 um 11:45

Ja Paul, "käsch en de Täsch" ist sowieso das Beste, da haste wenigstens wat von.

Und Fritz: dat wär abber schad', wenn de Dich mit de 765er von uns verabschieden würdest, dann hätte mr nix mehr ze laache.
Bleib lieber ehrlich und sei janz lieb zu dem Schalterbeamten, davon jibbet sowieso nich mehr so viele.

Christa Palmen aus Düsseldorf
am 29.07.2014 um 20:33

Nee ich bin kein gläserner Kunde bei all dem Hüftgold.......

Paul Scharrenbroich aus Monheim am Rhein
am 29.07.2014 um 22:40

Christa, schau mal auf die Werbung, die bei deinem Kommentar eingeblendet wird.....