Alles Käse oder was?
Die 120 kg seien eine Waage Angabe, sagt meine Lieblingsverkäuferin an der Käsebude, „dabei esse ich doch wie ein Vögelchen….“
Ich hatte mir ein Stück Munster ausgesucht. „Junger Mann,“ warnte sie mich, der ist allerdings schon leicht orrdaasch.“ - „Genau darum möchte ich ihn ja, schöne Frau!“ gab ich zurück. „Schöne Frau,“ schüttelte sie sich vor Lachen, „und das mir….“ Ich darauf: „Wenn Sie mich mit junger Mann ansprechen, müssen Sie damit rechnen, von mir genauso behandelt zu werden“….Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, heißt sowas im Kino.
Sie hat Ahnung von ihrem Metier, hat bei französischen Lieferanten Info- Besuche abgestattet und sich mit vielen Spezialitäten und deren Spezialität vertraut gemacht, weiß alles über Roquefort und Fourm d’Ambert, über Chaumes und Camemberts, Bresse und Brie, über Aggregatzustand und Reife, über allerlei Käsesorten und deren Vorzüge und allerlei Kunden und deren Vorlieben.
„orrdaasch“ hört sich zunächst vulgär an, bedeutet aber lediglich „über sein Alter hinaus“, eben hors d’age. Und genau diesen Munster jenseits der Halbwertzeit verkosteten wir nun gemeinsam. Ihren dabei entstehenden Gesichtsausdruck deutend, wurde mir der Grund ihrer überbordenden Körperlichkeit klar: Es schmeckt ihr!
Sie schnitt eine gute Portion vom Käse ab – verpackte sie sorgfältig, und als sie mir ein gleichgroßes Stück eines umwerfenden Rotschmier inklusive gemeinsamer Verkostung angedient hatte, und beide Teile transportfähig einpackte, hatte ich den Eindruck, dass sie sich von ihren Lieblingen verabschiedete. Sorten darüber hinaus verweigerte sie, weil sie befürchtete, ich würde Sakrilege gegen Lagerungsgebote planen. „Aufessen und wiederkommen!“
Es ist Monate her und immer wieder, wenn mich ein Lüstlein anwandelt auf Genuss statt Verzehr, besuche ich meine „schöne Frau“, lasse mir was Gutes aufschwatzen und – weil in der Mittagsszeit kein großer Auftrieb ist – geht das immer mit einem kleinen gemeinsamen Probenehmen ab, begleitet von fachlichen Anmerkungen und Empfehlungen:
„Plus que 45 % - c’est du saloperie!“ hat sie bei den Experten gelernt – „mehr als 45% Prozent Fettanteil ist Geschlampe!“
Besiegelt wurde unsere Kumpanei im letzten Winter, als sie mir empfahl;
1 Scheibe gutes Bäcker-Schwarzbrot
mit Gänseschmalz flächendeckend bestreichen,
darauf 0,3 – 0,5 cm nicht zu alten Roquefort,
darauf 0,5 cm dicke Scheiben einer reifen Williams-Christ-Birne
schuppenartig anordnen…..
Meine Empfehlung: Nach der Zubereitung alle Zutaten möglichst in unterschiedlichen Wohnungen verteilen – es besteht Wiederholungsgefahr.
Autor:Paul Scharrenbroich aus Monheim am Rhein |
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