Gesund ernähren - „Wer auf regionale und saisonale Angebote achtet, macht schon vieles richtig“

Auch als Chef eines Eier-Großbetriebes ist der 2. Vorsitzende der Kreis-Bauernschaft Mettmann, Josef Aschenbroich, überzeugt: „Qualität hat ihren Preis. Nur billig geht auch in einem modernen Lebensmittelbetrieb einfach nicht.“   Foto: Michael de Clerque
  • Auch als Chef eines Eier-Großbetriebes ist der 2. Vorsitzende der Kreis-Bauernschaft Mettmann, Josef Aschenbroich, überzeugt: „Qualität hat ihren Preis. Nur billig geht auch in einem modernen Lebensmittelbetrieb einfach nicht.“ Foto: Michael de Clerque
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Vor dem Hintergrund des jüngsten Dioxin-Lebensmittelskandals traf sich der Wochen-Anzeiger zum Gespräch mit dem Langenfelder Landwirt und 2. Vorsitzenden der Kreisbauernschaft Mettmann, Josef Aschenbroich.

Wochen-Anzeiger: Herr Aschenbroich, Wir wirkt sich die Angst vor Dioxin in Lebensmitteln aktuell auf die Bauern im Kreis aus?
Josef Aschenbroich: „Wir spüren als Landwirte natürlich die Verunsicherung, die jetzt bei den Menschen herrscht. Auch bei uns auf dem Hof haben wir einige Stammkunden für mehrere Tage nicht gesehen, weil sie plötzlich keine Eier mehr kaufen wollten. Aber Fakt ist, dass hier bei uns im Kreis kein einziger Betrieb vom Dioxin-Skandal betroffen ist, weil niemand hier Futtermittel von den betroffenen Betrieben gekauft hat. So etwas lässt sich ja heute alles genau nachverfolgen.“

Wochen-Anzeiger: Dann bin ich also auf der sicheren Seite, wenn ich hier auf dem Wochenmarkt meine Eier und mein Fleisch kaufe?
Josef Aschenbroich: „Nein, dass kann man so generell leider nicht sagen. Da bieten ja nicht nur Selbsterzeuger etwas an, sondern auch oft reine Händler, die ihre Waren selbst überall her beziehen. Und das auch nicht nur aus Deutschland, sondern oft aus ganz Europa. Ich muss also schon gezielt nach der Herkunft aller Waren fragen.“

Wochen-Anzeiger: Bemerken Sie denn ein größeres Interesse an gesunder Ernährung nach dem jüngsten Lebensmittelskandal?
Josef Aschenbroich: „Ja, man wird im Moment natürlich schon häufiger angesprochen. Und wir haben hier in den letzten Wochen auch viele neue Gesichter bei uns im Hofladen gesehen.“

Wochen-Anzeiger: Kann man sich bei uns eigentlich gesund und bewusst regional ernähren?
Josef Aschenbroich: „Also was die Grundnahrungsmittel betrifft geht das ganz sicherlich. Bei exotischen Früchten wird es natürlich schon ein bisschen schwierig. Na ja, und wenn ich halt unbedingt Spargel zu Weihnachten brauche… - Die Leute sind aber doch teilweise auch wirklich verrückt. Die kaufen Erdbeeren im Laden, Wochen bevor überhaupt auch nur der erste Spargel bei uns vorsichtig aus der Erde guckt. Die kommen dann aus Spanien oder Griechenland, haben tagelange Fahrten hinter sich und schmecken vor allem nach Wasser. Und wenn dann bei uns die Erdbeeren reif sind hört man Sätze wie: Ach, das ist kein gutes Erdbeerjahr. Die schmecken nicht…“

Wochen-Anzeiger: Gibt es denn so etwas wie einen lokalen Wegweiser, wie ich mich hier vor Ort gesund ernähren kann?
Josef Aschenbroich: „Ja, der Kreis hat mal die Broschüre „Frisch vom Hof im Kreis Mettmann“ herausgebracht. Da sind wirklich alle regionalen Anbieter aufgeführt.“ (Tipp der Redaktion: Der Einkaufsführer durch die Qualität und Vielfalt der heimischen Landwirtschaft steht auch online auf http://www.kreis-mettmann.de/media/custom/478_2929_1.PDF zum Herunterladen bereit.)

Wochen-Anzeiger: Geben die Deutschen zu wenig Geld für ihre Ernährung aus? Die Italiener oder Franzosen sind da ja offenbar nach wie vor sehr viel spendabler, wenn es darum geht, ein gutes Essen auf den Tisch zu bringen.
Josef Aschenbroich: „Sicher ist das irgendwo ein deutsches Problem. Der Urlaub, das Auto, alles darf viel kosten. Nur das Essen soll immer schön billig sein…

Wochen-Anzeiger: Ist alles was nicht Bio ist heute denn gleich Massentierhaltung und damit auch gleich ungesund oder zumindest fahrlässig?
Josef Aschenbroich: „Nein, das ist natürlich Unsinn. Wer auf regionale und saisonale Angebote achtet, macht schon sehr viel richtig – auch wenn sie aus konventioneller Tierhaltung oder konventionellem Anbau stammen. Wir haben da in Deutschland nun wirklich schon hohe Auflagen. Zu Bio könnte ich jetzt viel erzählen. Belassen wir es mal dabei: Vor einem Jahr hat man da das Dioxin gefunden, vor einem Jahr war’s sogar Nitrophen. Das ist ja noch viel schlimmer.“

Wochen-Anzeiger: Wie viel Bauernhofidylle kann man sich heute denn in einer zunehmend industrialisierten Landwirtschaft eigentlich noch leisten?
Josef Aschenbroich: „Tja, das ist schwierig. Letztlich ist ja eben auch ein Bauernhof heute ein Wirtschaftsunternehmen. Die Verbraucher haben da manchmal auch seltsame Vorstellungen. Da gilt ja dann quasi alles ab 20 Hühnern schon als Massentierhaltung. So kann ich aber keinen Betrieb führen, der heute noch Menschen ernährt.“

Wochen-Anzeiger: Wer ist denn Schuld an Auswüchsen wie „Wasserfleisch“, die Bauern, die Verbraucher, die Politiker oder alle?
Josef Aschenbroich (lacht): „Na da haben Sie ja schon eine ganze Menge richtige Leute genannt. Also, die Politik trägt schon eine große Mitschuld. Denken Sie mal, vor 50 Jahren, da hatte quasi jedes Dorf, jedes Stadtviertel noch seinen eigenen Metzger. Da hat der Bauer, der damals vielleicht so 80 bis 100 Tiere hatte, sein Vieh noch über die Straße direkt zur Metzgerei getrieben. Da durften die nämlich noch alle selber schlachten. Dann kamen plötzlich die ganzen staatlichen Auflagen, die die Metzgereien nicht mehr mitgehen konnten. So entstanden die riesigen Schlachthöfe, und das schön weit draußen auf der Wiese, damit’s auch keiner so richtig sieht. Die haben dann plötzlich ganze LKW-Ladungen verarbeiten können. Und die Bauern haben ihre Höfe immer weiter vergrößert und spezialisiert, um rentabel zu liefern. Heute werden Schweine über hunderte Kilometer zur Schlachtung gefahren. Diese armen Kreaturen stehen in den letzten Stunden ihres Lebens also völlig unter Stress. Das schlägt sich dann eben auch auf die Qualität des Fleisches nieder. Das wird blasser und wässeriger. Und dann bleibt von einem Schnitzel in der Pfanne eben plötzlich nur noch die Hälfte übrig.“

Wochen-Anzeiger: Ihr Tipp?
Josef Aschenbroich: „Ich will da keinem Unrecht tun. Tiefgefroren wird‘s teilweise echt schwierig. Am besten ist, man fragt nach der Herkunft des Fleisches. Metzger wissen da meist Bescheid. Es gibt aber durchaus auch gute Fleischabteilungen in einigen Supermärkten. Fakt ist: Alles ist leider anonymer als früher geworden.“

Wochen-Anzeiger: Ernähren wir uns heute insgesamt denn eigentlich gesünder oder ungesünder als die Menschen früher?
Josef Aschenbroich: „Also das Angebot, die Chance sich gesünder zu ernähren, ist heute sicherlich weitaus größer. Das nützt aber natürlich nichts, wenn ich trotzdem mehrmals in der Woche beim Drive-In vorfahre. Die Menschen nehmen sich einfach immer weniger Zeit zum Essen, alles wird immer hektischer. Wo kommt denn heute noch regelmäßig frisch zubereitetes Obst und Gemüse auf den Tisch? Da sehe ich in erster Linie das Problem.“

Wochen-Anzeiger: Sehen Sie in dem jüngsten Lebensmittelskandal denn auch die Chance auf ein Umdenken?
Josef Aschenbroich: „Tja, schön wär’s. Aber das ist ja nun auch nicht unser erster Lebensmittelskandal. Und mal ganz nebenbei bemerkt auch längst nicht der schlimmste. Ok, Dioxin im Körper ist nicht schön. Aber um das bei all der Aufregung mal in Relation zu setzen: Ich muss schon 100 von diesen belasteten Eiern essen, die man jetzt gefunden hat, um die Menge an Dioxin aufzunehmen, die man sich mit nur einer einzigen Zigarette reinqualmt. Trotzdem bin ich natürlich ein absoluter Befürworter von bewusster Ernährung. Ich fürchte nur, dass auch dieses neue Bewusstsein jetzt nur wieder für ein paar Wochen anhält, und dann ist wieder alles wie vorher. Trotzdem wäre es natürlich schön, wenn wenigstens ein bisschen was hängen bliebe. Nur billig geht einfach nicht. Das muss in die Köpfe der Verbraucher. Man muss sich das mal vorstellen: Ich könnte billiger Eier zukaufen, um sie dann weiter zu vermarkten, als ich sie selber in meinem eigenen Betrieb hier produzieren kann. Einfach weil in anderen Ländern andere Auflagen gelten. Das heißt aber eben in der Regel auch andere Qualitäten. Und ich kann nur sagen: Unsere Qualität hier ist gut. Ich würde auch nichts verkaufen, was ich nicht selber essen würde. Ein Qualitätsbewusstsein muss aber natürlich auch das ganze Jahr über gelten – nicht nur an Weihnachten, so nach dem Motto, da soll dann aber mal was richtig Gutes auf den Tisch. Und wenn ich dann doch noch einmal die Eier als Beispiel nehmen darf: Es bringt natürlich auch absolut nichts, wenn ich als Frühstückseier die Guten nehme und dann zum Backen doch wieder zum Billigstangebot greife. Denn ob nun im Eierbecher oder im Kuchen: Das macht nun wirklich keinen Unterschied. Gut ist gut. Und schlecht ist schlecht.“

Autor:

Thomas Spekowius aus Monheim am Rhein

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