Städtische Finanzen: Zehn wichtige Fragen und Antworten zur viel diskutierten Solidaritäts-Abgabe und zum „Steuerparadies“ Monheim
Um zu verhindern, dass die Stadtfinanzen durch die geplante Solidaritäts-Abgabe ins Minus rutschen, will Monheim den Gewerbesteuerhebesatz zum 1. Januar 2014 um weitere 15 Punkte von 300 auf 285 senken. Mit den Mehreinahmen an Gewerbesteuern bleibe der Haushalt für die Dauer der Sonderabgabe unbelastet. Auch das angesparte Vermögen in Höhe von 100 Millionen müsse nicht angetastet werden, wirbt die Verwaltung mit Bürgermeister Daniel Zimmermann, Stadtkämmerin Sabine Noll und dem Ersten Beigeordneten Roland Liebermann an der Spitze für ihr Vorhaben, das im Dezember den Stadtrat passieren soll.
1. Was ist die Solidar-Abgabe?
Sie ist Teil des Stärkungspaketes der Landesregierung für überschuldete Kommunen in Nordrhein-Westfalen. Laut Gesetzentwurf sollen diese Städte über einen Zeitraum von sieben Jahren – beginnend 2014 – zusammen mit rund 181 Millionen Euro pro Jahr unterstützt werden. Zur Zahlung zieht das Land 60 Gemeinden heran, die als nachhaltig abundant gelten. Vier der Top-Ten-Zahler, die über ein Drittel der gesamten Solidarumlage tragen sollen, kommen aus dem Kreis Mettmann: Neben Monheim, das nach aktuellen Berechnungen für 2014 rund 46,5 Millionen Euro entrichten müsste, sind es Ratingen (8,5 Millionen Euro), Langenfeld (6 Millionen) und Hilden (4,4 Millionen). Die Landeshauptstadt Düsseldorf würde mit rund 27 Millionen Euro zur Kasse gebeten.
2. Wann ist eine Stadt abundant?
Der Begriff „abundant“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt so viel wie „reichlich vorhanden“. Eine Kommune gilt als abundant, wenn ihre Steuereinnahmen höher sind als der Finanzbedarf. Aber: Die Abundanz ist nicht immer ein gutes Kriterium, um die finanzielle Situation einer Gemeinde abzubilden. „Ein leichtes Plus im Haushalt bedeutet noch lange nicht, dass eine Kommune reich ist“, argumentiert auch Monheims Stadtkämmerin Sabine Noll. „Unter Umständen kann die Solidar-Abgabe auch der Einstieg in den Nothaushalt sein und aus der abundanten Stadt wird eine Empfänger-Kommune.“
3. Wie errechnet sich der Beitrag zum Solidarpakt?
Für die Berechnung der Zwangsabgabe ist die so genannte überschießende Steuerkraft einer Stadt maßgebend. Das heißt: Alle Steuereinnahmen, die über den eigentlichen Finanzbedarf hinausgehen. Der Differenzbetrag zwischen Steuerkraft und Finanzbedarf wird mit 23,5 Prozent besteuert. Das Ergebnis ist der Solidar-Beitrag. Für Monheim hat die Landesregierung so eine Steuerkraft in Höhe von 252 Millionen Euro ermittelt und unterstellt einen Finanzbedarf von 54 Millionen Euro. Daraus resultiert für 2014 eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 46,5 Millionen Euro. Bis 2020 steigt sie auf 58,6 Millionen Euro. Die Gesamtsumme für Monheim über sieben Stärkungspakt-Jahre beträgt voraussichtlich rund 388 Millionen Euro.
4. Ist das gerecht?
Bürgermeister Zimmermann kritisiert, dass die Landesregierung für die Berechnung der jährlichen Steuerkraft einen fiktiven Gewerbesteuerhebesatz von 412 Punkten zugrunde legt – und nicht den tatsächlichen, der in Monheim derzeit 300 Punkte beträgt. Ebenso bemängelt er die willkürliche Festlegung der nachhaltigen Abundanz mit der Regelung „drei aus fünf Jahren“. Auch würden die Gewerbesteuereinnahmen überproportional abgeschöpft. Solidarität dürfe nicht zu einer Umkehr der Finanzkraftverhältnisse führen, so Daniel Zimmermann. Weitere Kritikpunkte: fehlende Ermittlungen zu möglichen Auswirkungen der Solidar-Abgabe, beispielsweise wenn zur Zahlbarmachung die Aufnahme eines Kredites notwendig ist, sowie die fehlende Anrechnung der Solidar-Abgabe bei der Bemessung der Kreisumlage. Auch hier ist Monheim kein Kleinzahler: Die voraussichtlichen Jahreszahlungen bewegen sich von 2014 bis 2017 zwischen 79 und 95 Millionen Euro.
5. Kann Monheim sich gegen die Zahlung wehren?
Die Stadt Monheim erwägt – wie alle 60 Geber-Kommunen – gegen die Abgabe juristisch vorzugehen. Dabei gehe es der Verwaltung nicht um das komplette Verweigern von Solidarität, unterstreicht Bürgermeister Daniel Zimmermann, sondern vor allem um „die erdrückende und für viele Geber-Städte geradezu existenzbedrohende Höhe der geplanten Abgabe sowie deren fragwürdige Bemessungsgrundlage“. Wegweisend soll im Klagefall ein aktuelles Urteil aus Mecklenburg-Vorpommern sein. Hier entschieden die Richter unter anderem, dass die finanzielle Beeinträchtigung durch die Zahlung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprechen müsse und dass der Anspruch einer Gemeinde auf finanzielle Mindestausstattung nicht verletzt werden dürfe. Dennoch: „Die Erfolgsaussichten vor Gericht sind nicht abschätzbar“, warnt der Erste Beigeordnete der Stadt Monheim, Roland Liebermann. „Auch sei das Geld, das bis zu einer Entscheidung bereits gezahlt wurde, nicht mehr greifbar. Das Urteil werde sich höchstens auf eine Neuberechnung der Abgabe auswirken.
6. Droht die Gefahr, dass der Haushalt durch die Solidar-Abgabe ins Defizit rutscht?
Ja. Mit einem Hebesatz von 300 Punkten nimmt Monheim im kommenden Jahr voraussichtlich 190 Millionen Euro an Gewerbesteuern ein. Um trotz Zusatzbelastung ab 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können, sind aber 200 Millionen Euro notwendig. Es entsteht also bereits 2014 ein Defizit von zehn Millionen Euro. In den Folgejahren müssten zum Ausgleich die angesparten Rücklagen aufgebraucht werden.
7. Gibt es eine Alternative?
Monheim will sich ein wirtschaftliches Phänomen zunutze machen: nämlich, dass bei steigenden Gewerbesteuermessbeträgen die Abschöpfungseffekte sinken. Anders formuliert: Je höher die Steuerkraft der 60 Zahler-Kommunen ist, desto niedriger ist der Prozentsatz für die Bemessung der Solidar-Abgabe. Stadtkämmerin Sabine Noll rechnet vor: „Gelingt es uns, die fiktive Steuerkraft von 770 Millionen auf 800 Millionen steigern, fällt der Prozentsatz für die Bemessung der Solidar-Abgabe von 23,5 auf 21,5 Prozent.“
8. Woher sollen die zusätzlichen Millionen kommen?
Aus Steuer-Mehreinahmen, die Monheim erzielt, indem der Hebesatz nach 2013 ein weiteres Mal gesenkt wird. „Die geplanten 285 Punkte sind eine magische Zahl“, sagt Daniel Zimmermann und erklärt eine betriebswirtschaftliche Rechenformel, nach der Unternehmen bei einer Gewerbeansiedlung darauf achten, dass die Belastung für Körperschaftssteuer (15 Prozent) und Gewerbesteuer (3 Prozent pro 100 Punkte Hebesatz) zusammen nicht mehr als 25 Prozent betragen. „Mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 285 Punkten würden wir knapp unter diesem Wert liegen und könnten im Wettbewerb um große Firmen besser mit anderen Bundesländern und dem Ausland konkurrieren“, so der Bürgermeister, der betont, dass er mit der Steuersenkung nicht den kleinen Handwerksbetrieb von Langenfeld nach Monheim locken will, sondern die restlichen 150.000 Quadratmeter freie Gewerbefläche im Stadtgebiet „zielgerichtet vermarkten möchte“ – mit Unternehmen, die zur Monheimer Infrastruktur passen. Ein Blick über die nordrheinwestfälischen Landesgrenzen zeige zudem, dass ein Gewerbesteuerhebesatz von weniger als 300 Punkten keine Seltenheit sei. Alle in Bayern liegen ein Fünftel alle Kommunen unter dieser Marke, doch in NRW sind wir die einzigen, die sich dem Wettbewerb stellen“, sagt Zimmermann.
9. Wie stehen die Chancen, dass die Mehreinnahmen kommen?
Im Rathaus ist man optimistisch, die gesetzten Hürden erfolgreich zu nehmen. Laut Daniel Zimmermann liegen für die erwartete Mehreinnahme im kommenden Jahr schon feste Zusagen vor. Der für 2015 geplante weitere Anstieg von 200 auf 225 Millionen Euro sei bereits bis etwa 215 Millionen Euro valide. „An den restlichen zehn Millionen werden wir noch arbeiten müssen, sind aber zuversichtlich, diese Einnahmen erreichen zu können.“ An allen vom Stadtrat beschlossenen Maßnahmen will der Bürgermeister festhalten, ebenso sollen in den kommenden Jahren erforderliche Projekte umgesetzt werden. Dafür muss allerdings spitz gerechnet werden. Für 2015 erwartet die Verwaltung ein leichtes Minus, das sich jedoch durch geringfügige Überschüsse 2016 und 2017 kompensieren lasse – wenn die Strategie der günstigen Steuerpolitik für Unternehmen weiter greift.
10. Ist Monheim ein „Steuerparadies“, das den Nachbarstädten Einnahmen wegnimmt?
Nein, sagen Stadtkämmerin, Bürgermeister und Erster Beigeordneter unisono. Alle drei verweisen auf aktuelle Statistiken, nach denen der Steuerzuwachs in den Nachbarstädten Düsseldorf, Langenfeld, Leverkusen, Köln und Dormagen, im Ganzen betrachtet, leicht gestiegen ist – um rund fünf Prozent, was auch dem Landesdurchschnitt in NRW entspricht. Monheim nehme anderen NRW-Kommunen keine Steuerkraft weg, so die Verwaltungsspitze, sondern stelle sich dem überregionalen und internationalen Standort-Wettbewerb. Insgesamt werde dem kommunalen Finanzausgleich in NRW durch den Steuerkraftzuwachs Monheims sogar Substanz zugeführt. „Die Steuern, die wir hier einnehmen, würden sonst zu einem Großteil außerhalb Nordrhein-Westfalens gezahlt“, sagt Daniel Zimmermann. Das weiß er auch aus vielen Gesprächen mit Monheims großen Gewerbesteuerzahlern. 75 Prozent von denen, die kamen, seit der Hebesatz für die Gewerbesteuer vor zwei Jahren von 435 auf den landesweit niedrigsten Wert von 300 Punkte gesenkt wurde, hatten ihren Firmensitz vorher außerhalb von NRW oder Deutschland. Zahlen, die den Bürgermeister darin bestätigen, dass er mit seiner Strategie auch diesmal richtig liegen könnte.
Autor:Bea Poliwoda aus Monheim am Rhein |
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