Wenn Eltern zu Waisen werden

Verkehrsunfälle reißen Eltern und Geschwister aus ihrem Alltag. In einer Trauergruppe kann man das Geschehen mit anderen Betroffenen verarbeiten. | Foto: AST
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Felix wurde 17 Jahre alt. Rafael starb mit 22 Jahren. Denise musste mit 19 Jahren ihr Leben lassen und auch Andreas verstarb mit nur 20 Jahren. Sie alle hinterließen trauernde Eltern, die sich unter dem Namen „Trauergruppe Straßensterne“ regelmäßig in der Begegnungsstätte „Haus am Schwanenring“ in Moers treffen. Nun möchte die Selbsthilfegruppe sich auch anderen betroffenen Eltern öffnen.

Alle haben die gleichen Erfahrungen gemacht
„Wir möchten den Eltern die Hemmschwelle nehmen. Viele trauen sich nicht, sich bei uns zu melden“, erklärt Frank Langhoff. Der Gründer der „Selbsthilfegruppe für durch Verkehrsunfälle verwaiste Eltern“ musste am eigenen Leib erfahren, wie überwältigend Trauer sein kann, als sein Sohn Felix 2004 nach einer Party mit dem Auto tödlich verunglückte. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern der Gruppe möchte er ganz spezielle Hilfe leisten: „Wir wenden uns an Eltern, die, wie wir, ein Kind im Teenageralter bei einem Verkehrsunfall verloren haben. Wir haben alle die gleichen Erfahrungen gemacht und können Eltern in dieser schrecklichen Situation unterstützen.“

Weiterleben steht im Mittelpunkt
Wie wichtig richtige Trauerarbeit ist, haben alle Eltern der „Straßensterne“ selber erlebt. „Ich war in verschiedenen anderen Trauergruppen und hatte das Gefühl, die sind stehen geblieben, die kommen nicht weiter. Ich wollte aber nicht in Trauer und Leid versinken, sondern wieder am Leben teilnehmen, denn ich habe ja schließlich noch eine andere Tochter und einen Lebensgefährten“, beschreibt Heike Latten, deren 19-jährige Tochter Denise bei einem Motorradunfall ums Leben kam, ihre Erfahrungen. Überhaupt steht das Weiterleben im Mittelpunkt der Gruppe. „Man fühlt sich bei uns nicht erdrückt von der Trauer“, beschreibt Frank Langhoff die Treffen.

Unsensible Mitmenschen
„Wir können gemeinsam weinen, vor allem am Anfang, aber auch lachen. Das ‚Einander erkennen’ tut sehr gut. Bei anderen Menschen fühlt man sich, wenn man lacht, manchmal in Erklärungsnot“, findet Angelika Krause. Gut gemeinte, aber unsensible Sprüche von Mitmenschen hörte sie viele, nachdem ihr Sohn mit 20 Jahren von einem Auto überfahren wurde. Wenn früher jemand „Aber Sie haben ja noch einen Sohn“ oder „Die Besten gehen zuerst“ sagte, hat sie ihren Zorn heruntergeschluckt. „Jetzt würde ich das nicht mehr akzeptieren, das sind schreckliche Sätze.“

Lebende Geschwisterkinder nicht einengen
Die Eltern der Selbsthilfegruppe vereinen jedoch nicht nur ihre verstorbenen Kinder, sondern auch deren noch lebende Geschwister. Sie alle kennen die Angst gut: Das Kind ist nicht da und es schellt, ohne dass man jemanden erwartet. „Dann bekomme ich Panik“, so Angelika Krause. „Man muss sich zwingen, die noch lebenden Kinder nicht einzuengen. Mein zweiter Sohn ist jetzt fast so alt wie der verstorbene und sie sind sich so ähnlich. Ich muss gut aufpassen, dass ich ihn nicht mit meiner Fürsorge erdrücke.“ Auch Heike Latten ertappt sich manchmal bei der Kontrolle ihrer zweiten Tochter. „Man will eigentlich gar nicht, aber man ist einfach vorsichtiger.“

Kontakt
Wer sich in einer ähnlichen Situation befindet und Hilfe sucht, kann sich mit Frank Langhoff unter der Nummer 02841/27672 in Verbindung setzen. Die Trauergruppe trifft sich etwa alle drei Wochen in der Begegnungsstätte „Haus am Schwanenring“, Schwanenring 5, in Moers.

Autor:

Wochen Magazin Kamp-Lintfort aus Kamp-Lintfort

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