Einmal bis ans Ende der Welt - Auf der anderen Seite der Erde ist alles ganz anders

Abtauchen...in eine andere Welt.
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Was fällt einem ein, wenn man den Begriff „Fidschi“ hört? Südseezauber, elfenbeinfarbene Strände, kristallklares Wasser und ein Blau von Himmel, das einem den Atem raubt.

Jedenfalls erzählen uns das die ersten 3000 Google-Bilder im Netz. Doch was verbirgt sich wirklich hinter diesem romantisierten Traum vom Südseeparadies?
Nicht viele Menschen finden den Weg in den r

und 16.000 Kilometer entfernten Inselstaat im Südpazifik: Die 19-jährige Kamp-Lintforterin Claudia Cepok allerdings begab sich dorthin und erzählt mir von Fidschi-Time, Mützenkindern und „Resteessen“.

Ihre Motivation: „Einfach mal weg sein, etwas Neues entdecken, zu sich kommen und erkennen, was man will. Es sind gerade die kulturellen Unterschiede, die mich gereizt haben, Deutschland für einige Monate den Rücken zu kehren.“
Organisiert von projects abroad, einem weltweit agierenden Anbieter im Bereich Freiwilligenarbeit und Praktika, stieg sie ins Flugzeug und flog ans andere Ende der Welt. Was sie entdeckte, war ein Potpourri aus Südseezauber, Gastfreundschaft und vielen neuen Eindrücken.

Doch das wohl Beeindruckendste, das sie kennenlernte, war die Zeitverschiebung. Nein, nicht die gewöhnliche, die Rede ist von Fidschi-Time. Noch nie gehört? So ging es mir auch. Alledings ist das schnell erklärt.
Frage: „Wann gibt es Mittagessen?“ - Antwort: „Wenn es fertig ist.“ Stirnrunzeln, ein großes Fragezeichen im Blick, dann ein Lächeln. Claudia Cepok erzählt mir viele dieser Erlebnisse, eines darunter ist wohl mit Abstand das Skurrilste.
„Eigentlich wollte ich nur mit dem Bus in die Stadt fahr-en. Da es keine Fahrpläne gibt und niemand weiß, wann der Bus kommt (Fidschi-Time), geht man halt zur Station und wartet. Als ich dort ankam fragte ich einen Mann, wie lange er hier schon warte, er antwortete ‘so an die zwei Stunden‘. Ich fragte ‘wo musst du hin?‘, er sagte ‘zur Arbeit.‘ ‘Und wann musst du da sein‘ - ‘Um zwölf‘- ‘Es ist zwei‘ - ‘Wirklich? Dann gehe ich am besten wieder nach Hause.‘“ Claudia lacht: „Man muss sich wirklich daran gewöhnen, dass die Uhren hier anders ticken. Es gibt keine Regeln, wann gearbeitet, gegessen oder geschlafen wird - aber es funktioniert.“ In Kindergarten und Schule, wo sie Kinder in Englisch unterrichtet, mit ihnen gespielt und gebastelt hat, gab es allerdings schon klare Zeiten. Und auch hier gab es den ein oder anderen Unterschied: So wird den Kindern beispielsweise beigebracht, der Schmetterling komme von Gott, Themen wie Evolution und Politik werden hier nicht diskutiert.
Über die Abschaffung des Kannibalismus 1867 wird allerdings gerne gesprochen. Die Fidschianer sind stolz auf diese Änderung, wobei das Klischee von Menschen in lebensgroßen Suppentöpfen auf einer Feuerstelle ohnehin Produkt einer wirren Phantasie waren. „Lediglich Herz und Gehirn des besiegten Gegners wurden verspeist. Es war ein spiritueller Akt, es sollte Mut und Weisheit befördern“, so Claudia Cepok.

Die Fidschianer sind ein so gastfreundliches Volk, wie sie es selten erlebt habe. Ihre Gastfreundschaft mündet geradezu in einen Verhaltenskodex, der sie zu Beginn doch arg irritiert hat. „Zum Beispiel habe ich nie mit der Familie zur gleichen Zeit gegessen. Der Tisch war gedeckt, dann aß ich, und erst als ich die Mahlzeit beendet hatte, begannen die anderen zu essen. Häufig wird dieses Recht, welches dem Gast gebührt, auch dem Oberhaupt der Familie zugesprochen. An dieser Tradition ist nicht zu rütteln.“ Ähnlich verhält es sich mit anderen Alltäglichkeiten. „Saß ich beim Fernsehen auf dem Sofa, saßen die anderen auch auf dem Sofa, setzte ich mich allerdings auf den Boden, standen alle anderen auch auf und setzten sich ebenfalls auf den Boden.“

Fast alle der 600 Bewohner des Dorfes Mokani Village kannten ihren Namen und begrüßten sie. Auch bei ihrer sozialen Tätigkeit im Kindergarten war der Respekt enorm. „Ich war hier, um zu arbeiten, da hätte ich kein ‘könntest du bitte vielleicht‘ gebraucht, auch hätte ich mehr Arbeit erwartet. Worauf es hier ankam, war Eigeninitiative. Überhaupt hat mir die Arbeit mit den Kindern unglaublich viel gegeben. Die Menschen dort sind arm, aber es ist nicht so eine elendige Armut, wie man sie häufig in den Nachrichten sieht, denn Fidschianer müssen nicht hungern. Im Gegenteil, es gab fast ein Übermaß an Lebensmitteln, was man gerade den Frauen auch ansah. Beim Arzt gab es sogar zwei verschiedene BMI-Tabellen. Eine für Inder und eine für Fidschianer.“

Unterschiede wohin man sieht: „Da sanken die Temperaturen einmal auf 25 Grad, da kamen die Kinder doch tatsächlich mit Mütze und Schal in den Kindergarten“, so Cepok und lacht. „Die Zeit hat mich reicher gemacht, an Erfahrungen und Werten. Es ist schön zu sehen, mit wie wenig man selbst auskommen kann, aber natürlich auch beglückend, in einer Welt zu leben, die deutlich mehr Komfort für einen bereithält“, schmunzelt sie und denkt an die schöne warme Dusche, die sie dann doch bereitwillig gegen den Eimer Wasser eingetauscht hat.

Auf die Frage, ob sie sich ein ganzes Leben auf den Fidschi-Inseln habe vorstellen können, schüttelt sie den Kopf: „Wiederkommen: Jederzeit. Aber ein Leben lang bleiben: Nein. Dafür sind die Unterschiede einfach zu groß. Die starke Reglementierung von dem, was eine Frau darf und was nicht, der fehlende Winter, das oftmals schlechte Englisch der ländlichen Dorfbevölkerung, das eine tiefgründigere Konversation erschwert, sind nur einige Gründe, warum Claudia Cepok Deutschland vorzieht.

Ab April möchte die Kamp-Lintforterin Zahnmedizin studieren, ein bisschen Fernweh allerdings bleibt. Denn Fernweh ist nicht nur ein Gefühl, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung. Länder zu erleben, nicht als Tourist, sondern „an den Menschen dran“, ermöglicht so viel mehr, als die vorkonfektionierten Eindrücke, die eine Google-Suchmaschine so liefert.
By the way: Auch auf den Fidschis gibt es schwarze Vulkansteinstrände und dreckige Flüsse. Claudias Fazit: „Es ist gut, sich von heimatlichen Standards zu lösen und die Ansprüche mal herunterzufahren. Andere Kulturen kennenlernen zu dürfen ist ein Geschenk, denn gerade die Unterschiede sind es, die die Welt erst bunt machen.“

Autor:

Regina Katharina Schmitz aus Dinslaken

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