"Schwester Moni in den OP bitte" - Neues von Brommi...

still alive...

„Wo ist mein Assistent? Pfleger!!! Schwester!! Warum ist denn niemand auf der Station??? Schwester Moni!!!“ schallt es durch die Redaktion. Keine Reaktion. Der Flur in schummrigen Licht ist kaum wahrnehmbar, die Fenster allesamt geschlossen, ganz entfernt sieht Dr. S ein dumpfes Licht flackern. Durch die Räume zischelt es, ein wisperndes Geräusch von Nirgendwo. Dr. S hält inne, der Atem steht still, das Geräusch verstummt. Dann auf einmal ist es wieder da. Sie dreht sich um, kann nicht lokalisieren, woher es kommt. Sie geht zurück in den Behandlungsraum. Milde und voller Sorge fällt ihr Blick auf den kleinen Patienten, ihr ganzes Mitgefühl und Bedauern, ja ihr ganzes Herz umschließt dies kleine bemitleidenswertes Wesen, dass dort vor ihr liegt. Es streckt sich ihr entgegen und mit dem verzweifelten Ausdruck von stiller Panik, von einem Wissen, dass es sich dem Ende neigt, bäumt es sich auf, um den Leben noch ein paar Tage abzuringen. Sein Antlitz ist blass, ein gelbe Färbung erstrahlt wie eine sakral anmutende Aureole um sein Äußeres, der modrige Geruch vergangener Zeiten strömt aus ihm heraus.

Fassungslos steht Dr. S. da. Wo sind sie alle hin. Schwester Moni, die geradezu beteuerte, die Pflege des kleinen Patienten zu übernehmen, Schwester Susi, die mit ihrer lapidaren Art erst das ganze Schicksal, das nun so unausweichlich und vernichtend scheint, in Gang gesetzt hatte. Wo war Reue, wo war Verantwortungsbewusstesein? Wo waren all die Worte hin?

Dr. S. war eins klar - sie musste durchgreifen. Ihre Station war aus den Rudern gelaufen, sie hatte nichts mehr unter Kontrolle. Die Pfleger kamen und gingen, ohne dass sie nur ein Wort gewechselt hatten, die Schwestern tuschelten, scherzten und wirkten, als hätte der jähe Regen, der dieser Tage nieder ging, ihren ganzen Antrieb mit hinfort gespült.

Tagelang hatte der kleine Patient um einen Schluck Wasser gebeten, bis Schwester Moni ihn erlöste. Anfänglich waren sie gut zu ihm gewesen, er hatte ein neues Zimmer bekommen, er wurde in frische Wäsche eingekleidet und die Versorgung wurde zuverlässig und liebevoll ausgeführt. Selbst der Friseur war da gewesen und hatte ihn von seiner lästigen Mähne befreit.

Nur was war dannach geschehen? Die Bettlägerigkeit des Patienten war psychisch erschöpfend, allerdings war das Personal auf solche Fälle geschult. Dr. S. hatte sich aufgerissen, neben den ganzen Notfällen noch Zeit für die anderen Patienten sich aus dem Tag zu schneiden. Die Nacht kannte für sie nur den Schein von Dämmerung, wenn sie nach stundenlanger Arbeit für kurze Minuten in den Sessel glitt und von Erschöpfung gepeinigt, in völliger Ermattung ihres Seins die Augen schloss.

Immer noch hörte sie das nicht zu ortende Zischeln, die Anspannung stieg, als sie sich der Erstarrung bewusst wurde und ihren minutenlangen Stillstad realisierte. Dr S. musste handeln: „Schwester Moni bitte in den OP!!“ schrie sie aus voller Brust. Das Neon-Licht ging an, der antiseptische Geruch des letzten Aufbegehrens, der letzte Funken ihres Könnens sollte aufleuchten...
Panik machte sich breit: Was kann sie jetzt noch tun???

Autor:

Regina Katharina Schmitz aus Dinslaken

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