25.12.2011 - 200. Geburtstag von Wilhelm Emmanuel von Ketteler
Am 25. Dezember jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag von Wilhelm Emmanuel von Ketteler, der 1811 in Münster zur Welt kam, in St. Lamberti getauft wurde und später, von 1850 bis zu seinem Tod 1877, Bischof von Mainz war.
Bronzetafeln erinnern am Alten Steinweg („Vater der katholischen Arbeiter“) und in der Lambertikirche an die Orte seiner Geburt und seiner Taufe.
Wie aktuell das Wirken des zumeist als „Sozialbischof“ oder „Arbeiterbischof“ bezeichneten Ketteler noch immer ist, belegt auch eine Rede von Papst Benedikt XVI. bei seinem jüngsten Deutschlandbesuch im September. In seiner Begrüßungsansprache in Berlin erinnerte er mit einem Wort Kettelers an die Grundlagen der Gesellschaft: „Es bedarf für unser Zusammenleben einer verbindlichen Basis, sonst lebt jeder nur noch seinen Individualismus. Die Religion ist eine dieser Grundlagen für ein gelingendes Miteinander. ,Wie die Religion der Freiheit bedarf, so bedarf auch die Freiheit der Religion.’“ Das Zitat stammt aus einer Rede Kettelers auf dem ersten Katholikentag 1848 in Mainz.
Papst Benedikt hatte schon in seiner ersten Enzyklika „Deus Caritas est“ ausdrücklich auf Bischof von Ketteler verwiesen und ihn als „Wegbereiter“ für die Frage nach der gerechten Struktur der Gesellschaft bezeichnet. Auch Papst Johannes Paul II. hat Ketteler sehr verehrt. Schon bei seinem ersten Deutschlandbesuch hatte Karol Wojtyla als Erzbischof von Krakau im September 1974 am Ketteler-Grab im Mainzer Dom gebetet und dies bei seinem Mainz-Besuch im November 1980 als Papst wieder getan.
Wilhelm Emmanuel von Ketteler, ein Großonkel von Clemens August Graf von Galen, wurde am 25. Dezember 1811 als vierter Sohn der Eheleute Clementine und Maximilian Friedrich Freiherr von Ketteler in Münster geboren. Nach einem rechtswissenschaftlichen Studium in Göttingen, Berlin, Heidelberg und München wurde er 1833 Gerichtsreferendar am Land- und Stadtgericht Münster, 1835 Regierungsreferendar in Münster. Im Jahr 1838 schied er aus Protest gegen die Verhaftung des Kölner Erzbischofs Clemens August von Droste-Vischering aus dem preußischen Staatsdienst. Von 1841 bis 1843 studierte von Ketteler dann Theologie in München und Münster. Am 1. Juli 1844 wurde er im Dom zu Münster zum Priester geweiht. Seine erste Stelle als Kaplan übernahm er an St. Stephanus in Beckum. Ab 1846 war er Pfarrer („Bauernpastor“) in Hopsten. 1848 nahm er seine Tätigkeit als Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche auf.
Am 15. März 1850 ernannte ihn der Papst zum Bischof von Mainz; er empfing am 27. Juli durch den Freiburger Erzbischof Hermann von Vicari die Bischofsweihe. 1870 wurde er Abgeordneter für den Wahlkreis Tauberbischofsheim im ersten deutschen Reichstag. Er war zusammen mit Ludwig Windthorst Mitbegründer der Deutschen Zentrumspartei. Ketteler legte sein Mandat kurz nach Beginn des Kulturkampfes im Jahr 1872 nieder.
Seine Zeit war geprägt von Industrialisierung und ungezügeltem Wirtschaftsliberalismus, die zu einer Verarmung weiter Teile der Arbeiterschaft führten. Beim Ersten Vatikanischen Konzil war er ein dezidierter Gegner des päpstlichen Unfehlbarkeitsdogmas, weil er stark bezweifelte, dass es die Autorität der Kirche wirklich stärken würde.
Am 13. Juli 1877 starb von Ketteler im Kapuzinerkloster Burghausen bei Altötting. Er wurde in der Marienkapelle des Mainzer Domes beigesetzt. Besonders berühmt geworden sind Kettelers sechs Adventspredigten im Mainzer Dom, die er 1848 über „Die großen sozialen Fragen der Gegenwart“ gehalten hat, sowie seine Rede auf der Liebfrauenheide bei Offenbach vor Tausenden von Arbeitern unter dem Titel „Die Arbeiterbewegung und ihr Streben im Verhältnis zu Religion und Sittlichkeit“. Die erste Sozialenzyklika „Rerum novarum“ (1891) von Papst Leo XIII. wäre ohne die Jahrzehnte langen geistigen Vorarbeiten von Kettelers nicht denkbar gewesen.
Forum im Franz-Hitze-Haus zum Geburtstag von Kettelers.
Die Bistumsakademie lädt am Dienstag (24. Januar) zu einem Forum anlässlich des Geburtstages von Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler ein unter dem Thema (zitiert nach ihm): „Unsere Religion ist nicht wahrhaft katholisch, wenn sie nicht wahrhaft sozial ist!“ Beginn ist um 18.30 Uhr; zum sozialpolitischen Erbe Bischof von Kettelers spricht Joachim Wiemeyer, Professor für christliche Gesellschaftslehre an der Universität Bochum.
Der Buchtipp: Von Ketteler. Ein Bischof in den sozialen Debatten seiner Zeit
In seiner Kindheit und Jugend galt Wilhelm Emmanuel von Ketteler, auf Schloss Harkotten im Münsterland groß geworden, als Heißsporn: jähzornig, ungestüm und streitlustig. Als Verbindungsstudent duellierte er sich und verlor ein Stückchen seiner Nase; die kräftige Narbe blieb. Vermutlich war es seine Leidenschaft, gepaart mit Intelligenz, Grundsatztreue und Gerechtigkeitssinn, die ihn zu einer der großen Gestalten des sozialen Katholizismus im 19. Jahrhundert machte. Im 1200-jährigen Münster ist heute kaum mehr bekannt, dass Bischof von Ketteler ein Sohn der stolzen Metropolis Westphaliae war. Der Theologe und Sozialwissenschaftler Hermann Große Kracht hat zum 200. Geburtstag des Sozial- und Arbeiterbischofs ein lesenswertes Buch vorgelegt, das Kettelers Wirken in Politik, Gesellschaft und Kirche nachzeichnet, besonders seinen Kampf für Freiheit und soziale Gerechtigkeit in einer Zeit großer sozialer Verwerfungen. Ketteler sprach etwas nicht Selbstverständliches aus: Man könne der Verelendung breiter Schichten der Bevölkerung nicht allein durch eine Steigerung der Nächstenliebe bei den Christen, also durch mehr Almosen, und eine entschiedene Re-christianisierung beikommen. Der Autor lässt nicht nur den Paulskirchenpolitiker und Mainzer Bischof zu Wort kommen, sondern auch seine Gegner, etwa Ferdinand Lassalle. Deutlich wird, dass Ketteler viele schmerzliche Entwicklungsprozesse durchlaufen musste, übrigens auch innerkirchlich, wenn man an den berüchtigten „Syllabus errorum“ Papst Pius IX. oder das Unfehlbarkeitsdogma denkt, das zur Gründung der Altkatholischen Kirche führte.
Hermann-Josef Große Kracht: Wilhelm Emmanuel von Ketteler. Ein Bischof in den sozialen Debatten seiner Zeit. 236 Seiten. Topos-Taschenbücher, Band 791. Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer. 12,90 Euro.
entnommen:
Intranet Bistum Münster / 21.12.2011 / Verfasst von: Karl Hagemann
Autor:Friedel Görtzen aus Kamp-Lintfort |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.