Gegen weiteren Kiesabbau am Niederrhein
Bärbel Höhn zu Gast am Wickrather Feld
„Die Kies- und Sandvorkommen am Niederrhein sind schließlich nicht unendlich“, so die ehemalige grüne Umweltministerin des Landes NRW beim Pressetermin am Wickrather Feld in Kamp-Lintfort, wo zwischen Dachsberg und Oermter Berg weitere 91 ha Kies und Sand abgebaut werden sollen.
„Zum dritten Mal stehen wir hier“, so Linda Wiedemann von der Interessengemeinschaft Dachsbruch. Beim ersten Mal habe man einen Erfolg verzeichnet und die Auskiesung sei abgeblasen worden. Das sei 1996 gewesen. Dann sei 2007 ein weiterer Vorstoß erfolgt, der allerdings wegen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit im Sande verlief. Nachdem man sich ob dieser Aussage relativ sicher gefühlt hatte, kam dann 2018 der Hammer. Nun wolle man 91,7 ha abgraben. „Das ist fast der vollständige Ortsteil“, erklärt die Kiesgegnerin und zeigt auf die Landschaft, ein Naherholungsgebiet besonderer Qualität.
Vorkommen werden knapper
Nach ihrer Ansicht mache die Tatsache, dass die Unternehmen trotz der vorher erfolgten Aussage, eine Förderung lohne sich hier nicht, graben wollen, klar, wie verzweifelt man nach weiteren Kiesvorkommen suche.
„Das zeigt doch, dass die Vorkommen immer knapper werden“, schlussfolgert Wiedemann. Man müsse doch daraus lernen, endlich nach Alternativen zu suchen und mehr Baustoffe zu recyceln, denn irgendwann sei sowieso Schluss.
Auch die ehemalige Umweltministerin drückte ihre Bedenken aus. „Wir müssen unseren nachfolgenden Generationen die Umwelt erhalten“. „Das ist alles andere als nachhaltige Politik, was momentan geschieht“, bekräftigt sie ihre Aussage, „und braucht parteiübergreifenden Protest“.
Die aktuelle Politik zugunsten der Kiesindustrie bezeichnet Höhn als „Raubbau Wirtschaftspolitik, die beendet werden muss“.
Insgesamt sollen am Niederrhein rund 300 ha zusätzliche Flächen für den Kiesabbau ausgewiesen werden.
Entfesselungspolitik Freibrief für die Industrie
Es könne nicht sein, dass die Industrie ihre Bedarfe praktisch selbst festsetze. Diese würden nämlich durch die Fördermengen der letzten 17 Jahre berechnet. Schon allein diesen „Freibrief“ für die Kieswirtschaft bezeichnet Höhn als skandalöse Politik der Landesregierung.
Diese Förderungen seien zu einem nicht unwesentlichen Teil nicht mal für die Nutzung im eigenen Land, sondern für den Export zu unseren niederländischen Nachbarn bestimmt. Dort sei die Förderung mit wesentlich höheren Auflagen verbunden und somit bedeutend teurer.
So profitierten lediglich ein paar Unternehmen, während dieser Profit zu Lasten der Bevölkerung gehe.
„Zudem gefährdet der maßlose Abbau die Qualität unseres Trinkwassers“, so Hubert Kück, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Weseler Kreistag. Die Kies- und Sandschichten im Boden dienten nämlich als natürliche Filteranlage für das Trinkwasser, welche dann wegfiele, so dass auch die Gesundheit der Menschen gefährdet sei, von der Zerstörung der Natur ganz zu schweigen.
An den Werbespruch der Kiesindustrie, „Wir schaffen Heimat“, glaubt niemand, denn es stelle sich die Frage, was es denn vorher war. Erstmal sei die schon bestehende Heimat für rund 30 Jahre zerstört.
Weitere wertvolle Ackerflächen gingen den Landwirten verloren, so dass es um die Existenz vieler Familienbetriebe gehe. Dieser unwiederbringliche Verlust der landwirtschaftlichen Flächen sei nicht mehr hinnehmbar.
Bislich gleicht jetzt schon einer Seenlandschaft
Auch der Ortsverband der Grünen in Wesel stemmt sich gegen den Regionalplan. Mit jeder Überarbeitung seien die Abgrabungsflächen im Weseler Stadtgebiet trotz ablehnender Stellungnahme der Stadt erweitert worden.
Bislich gliche schon jetzt einer Seenplatte, obwohl die im Regionalplan ausgewiesenen Abgrabungsflächen längst nicht ausgeschöpft seien.
Die Forderung der SPD Wesel nach Erweiterungen der Auskiesungsseen Ginderich-Pettenkaul und weiteren Auskiesungen im Bereich Bislich-Vahnum erteilten die Grünen eine klare Absage. Schließlich liege der Bereich Pettenkaul in einem Wasserreservegebiet und der Bereich Vahnum im international bedeutsamen Vogelschutzgebiet Unterer Niederrhein.
„Es muss gegen jegliche Ausweitung von Auskiesungen in der Regionalplanung Stellung bezogen werden“, so Dr. Hans Peter Weiß, Bundestagskandidat der Grünen.
Der Export von Kies ins Ausland müsse gestoppt werden. „Es kann nicht sein, dass der knappe und wertvolle Rohstoff in andere Länder verbracht, aber in der Folge des Abbaus die heimische Kulturlandschaft zerstört wird“.
Die Fraktionsspitzen der SPD in Kamp-Lintfort, Rheinberg, Neukirchen-Vluyn, Moers und Alpen fordern ebenfalls ein Ende des weiteren Flächenfraßes. Auch, wenn sich alle einig sind, dass Kies und Sand gebraucht würden und sich der Verbrauch nicht von heute auf morgen von 100 auf Null schrauben lasse, sehe man aber auch das Problem, dass diese Rohstoffe nun mal nicht nachwüchsen. „Wenn man so weitermacht, wird der Niederrhein weiter durchlöchert und von Baggerlöchern übersät, die am Ende weder Menschen, noch Landwirtschaft oder Städte für sich nutzen können“. sind sich die SPD Politiker einig.
Nur sieben Prozent der recycelten Bauabfälle für hochwertige Verwertung
Eine mögliche Lösung, das seien sich alle einig, bestehe in der Verwendung recycelter Bauabfälle.
„Leider finden von den 214,6 Tonnen recycelter Bauabfälle, welche die Industrie als hervorragende Recyclingquote bezeichnet, lediglich etwa sieben Prozent zurück in ein neues Gebäude“, erklärt der SPD Landtagsabgeordnete René Schneider.
Die Industrie müsse ihre Verweigerungshaltung aufgeben, indem beispielsweise von ausgeschöpften Verwertungs-, statt von Recyclingquoten gesprochen werde.
„Mit der gleich- oder höherwertigen Verwendung vermeintlicher Abfälle könnten wir neue Produkte herstellen, die Kies und Sand ersetzen und weniger Kiesabbau nötig machen“, findet der Rheinberger SPD Fraktionsvorsitzende Philipp Richter. Deshalb sei es wichtig, nicht das recycelte Material zu bewerten, sondern das verwertete. Alles andere, besonders die Hervorhebung der Recyclingquote bezeichnen die Politiker als reine Schönfärberei.
In einem sind sich alle einig, „Es geht da noch viel mehr und das müssen wir zum Schutz unserer niederrheinischen Heimat jetzt anpacken“.
Randolf Vastmans
Autor:Randolf Vastmans aus Xanten |
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